Diesen Beitrag hatte ich ursprünglich für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen, da es aber gut passt, habe ich ihn vorverlegt.
Informationen aus Bereichen die wir nur oberflächlich kennen, spielen in unserem Leben eine nicht unbedeutende Rolle. Es ist wichtig ein Bild über die ökonomische und ökologische Situation zu haben und es wird erwartet zu politischen Fragen eine fundierte Meinung zu haben. Dazu ist jeder auf Fakten angewiesen, deren Objektivität der Nichtexperte nicht ohne weiteres beurteilen kann. Dieser Umstand ermöglicht dem Panikmacher sein Geschäft. Es handelt sich bei diesem Charakter um eine Person, die von der Bekämpfung oder Erforschung einer bestimmten Gegebenheit lebt und versucht dessen Relevanz aufzubauschen. In geringen Umfang wird ein solches Aufbauschen erwartet und eingepreist, diese Art der Manipulation ist lässlich, daher sollte man von einem Panikmacher im eigentlichen Sinn nur sprechen, wenn er eine Strategie verwendet, die diese Abwehrmechanismen umgeht. Warum das einen qualitativen Unterschied macht, sollte am Ende meiner Erörterung deutlich geworden sein.
Um ein kritisches Hinterfragen der Objektivität und Expertise des Panikmachers zu verhindern, ist es notwendig das betreffende Thema mit starken Gefühlen zu verbinden: Aus der Interessensvertretung arbeitender Frauen (Gleichstellungsbeauftragte) werden Kämpferinnen, pardon KämpferInnen gegen die patriarchale Unterdrückung (Mitleid); Aus deindustrialisierten Landwirten die Avantgarde für ein Leben im Einklang mit der Natur (Harmonie). Gelingt dies wird das Thema nichtmehr von Sachfragen bestimmt, Stellungnahmen hier sind zu einer Frage der Moral geworden. Abweichende Meinungen sind nichtmehr auf andere Bewertungen oder Wissensstände zurückzuführen, sondern auf Bösartigkeit. Wer es wagt dem Feminismus zu widersprechen muss ein vorgestriger Chauvinist oder gar Frauenhasser sein, wer gegen Ökolandbau ist, ein rücksichtsloser Materialist. Karl Popper nennt Gedanken, deren Leugnen als verwerflich angesehen wird, verstärkte Dogmen. Positionen die auf verstärkten Dogmen beruhen haben sich gegen Kritik immunisiert.
Typischerweise wird von Panikmachern eine Ansammlung von Fakten zu einer zusammenhängenden Ideologie, mit Wertungen und weiteren Immunisierungen, ausgebaut. Beliebt ist es beispielsweise dem Weltbild entgegenstehende Informationen auf Interessen zurückzuführen. (Studie von der Industrie bezahlt, Kritiker steht den Rechten ideologisch nahe, usw.) Meist wird hierbei sowohl übersehen, dass dies nicht ausreicht um Informationen zu verwerfen, als auch dass die Zusammenstellung, der das Weltbild stützenden Informationen nicht weniger durch Interessen beeinflusst wurde. Die Akzeptanz verstärkten Dogmen wird als Vorbedingung für Gespräche eingefordert: Feministen etwa erwarten von einer gesprächsfähigen Person, dass sie die Strukturelle Unterdrückung der Frau, anerkennt. Strukturell meint, dass die Unterdrückung den Unterdrückten gar nicht bewusst ist, sondern erst durch linke Ide…, Ähm Theorie sichtbar wird.
Verstärkte Dogmen muten pathologisch an, so wird man jeden Verdacht zurückweisen, dass derartiges allgemein akzeptiert wird. Doch genau das ist der Fall. Die Feministen konnten das Schema „Frauen sind benachteiligt“ als Dogma etablieren, die Demokraten „Mehrheitsentscheidungen können Recht setzen“ und Ökologisten „Der Klimawandel kann und muss verhindert werden“.
Die Folgen sind verheerend: In dem Maß in dem sich verstärkte Dogmen ansammeln wird das gesellschaftliche Klima vergiftet, persönliche und verleumderische Attacken gegen politische Gegner gelten als legitim, intellektuelle Redlichkeit gilt nichts mehr. Da Probleme nicht mehr sachlich diskutiert werden können, leidet die Fähigkeit der Gesellschaft angemessene Lösungen zu finden. Zudem verläuft die mediale Aufmerksamkeit in absurden Bahnen, Probleme die eigentlich zu vernachlässigen sind, etwa die Benachteiligungen von Frauen oder Rechtsextremismus verdrängen relevantere Themen (daher die Bezeichnung Panikmacher).
Da sich jeder, der eine Information weiterreicht, dazu angehalten fühlt diese im Sinne der Panikmacher zu verzerren und eine Nachricht sehr viele Stationen durchläuft, sammeln sich in der veröffentlichen Nachricht solche Verzerrungen viel stärker an als man naiver Weise schätzen würde. Diese extreme Verzerrungen fallen auf, auch wenn die Meisten nicht in der Lage sind den Finger in die Wunde zu legen und genau benennen können warum eine Nachricht nicht in der präsentierten Form stimmen kann. Auf diese Weise wird die Glaubwürdigkeit der Medien beschädigt. So wie die Glaubwürdigkeit der Politik bereits zerstört ist und die der Wissenschaft bedroht ist. Vermutlich werden die Probleme andauern bis in einem dramatischen Prozess die Eliten ausgetauscht werden. Dann sind Politik und Gesellschaft eine Zeit lang überdurchschnittlich leistungsfähig bis sich erneut verstärkte Dogmen ansammeln, diesmal vielleicht die einer anderer Weltanschauungen. Eine dauerhafte Lösung ist schwierig zu finden, denn schon im Mittelalter verwendete die Kirche Dogmen, um sich Ressourcen zu sichern. Vermutlich bleibt das Problem bestehen solange es einheitliche intellektuelle Eliten gibt. Bis eine Lösung gefunden wurde ist es ratsam zu verhindern selbst Dogmen zu internalisieren, denn ohne Brett vor dem Kopf lassen sich persönliche Probleme besser lösen und man muss auch nicht an eingebildeten Sorgen verzweifeln.
Damit dies gelingen kann, ist es eine Voraussetzung sich nicht an den Hexenjagten zu beteiligen. Es gibt keine Meinung die ein Verbrechen ist. Solide Kenntnisse in Ökonomie und Naturwissenschaften sind äußerst hilfreich. Fähigkeiten, wie man korrekte Argumente von Eristik unterscheiden kann, lassen sich zwar in der Blogosphäre erwerben, mittels Bücher über formale Logik und Rhetorik macht man hier jedoch schnellere Fortschritte. Auch wenn auf gesamtgesellschaftlicher Ebene es gegen Panikmacher keine dauerhafte Verteidigung gibt, so sind die Chancen Einzelner sich von Dogmen frei zu machen sehr gut.
Dezember 30, 2008 um 11:02 pm
Danke, wieder. Insbesondere für den Hinweis auf verstärkte Dogmen. Das Konzept kannte ich noch nicht, habe es aber, so glaube ich, selbst bereits – zumindest ähnlich – benutzt:
Mythen: Sozialismus, Demokratie und Obama
Dezember 31, 2008 um 3:12 pm
Interessanter Beitrag, kann mich sogar noch dunkel an ihn erinnern. Die Versuche Sozialismus einer empirischen Überbrüfung zu entziehen, sind zwar auch eine bedeutende Immunisierungsstrategie, aber m.E. nicht deckungsgleich mit verstärken Dogmen. Bei dem Errichten von Myten geht es mehr darum die Überzeugungskraft nach innen zu bewahren, es ist eine Methode wie wiedersprüchliche Informationen verarbeitet werden können. Bei verstärken Dogmen handelt es sich um eine Strategie die sich explizit gegen äußere Kritik richtet. Die Immunisierungen der Linken sind wirklich ein breites Feld, welche Strategien sich bedingen, könnte ein fruchtbares Feld sein.
Januar 2, 2009 um 4:59 pm
Bin gerade durch das Traceback hierher gekommen. Ich mag euch libertäre Fundis sehr, auch wenn ich oft anderer Meinung bin (vielleicht erzähle ich hier damit nichts Neues).
Wenn es dann auch noch erkennbar wirklich individuelle Ansätze sind, so wie hier, dann lese ich doch gerne weiter mit ;-)
Januar 2, 2009 um 9:55 pm
Danke für euer Feedback Dirk und Rayson, soetwas motiviert ungemein. Der nächste Beitrag wird wohl noch etwas auf sich warten lassen, morgen geht es erstmal in den Skiurlaub. Ich hoffe danach wieder so im Tackt von ein bis zwei Artikel pro Woche weiter zumachen, versprechen kann ich aber nichts.
Januar 3, 2009 um 9:26 am
@Rayson:
Ich wäre nicht – meist stiller – Dauergast bei euch, wenn ich die Lektüre der BLOG nicht ebenso mochte.
Michel bearbeitet hier einen wichtigen Bestandteil konsequent liberalen Denkens, den meist jeder Liberale für sich entdeckt hat, aber eher selten formuliert wird: Das Wechselspiel zwischen Selbst-Bewusstsein einerseits und den Wünschen, die aufgrund seines Fehlens entstehen, an Dritte adressiert werden. Bei Dir blitzt das Thema ab und zu durch, wenn Du Dich mit Christentum beschäftigst.
@Michel:
Komm gesund zurück.
Februar 12, 2009 um 8:04 am
Sehr schöne Analyse.
Diese typischen Vorgehensweisen, wo vorsätzlich und sträflich neue Erkenntnisse ignoriert werden und an althergebrachten feministischen Thesen festgehalten wird ist das was viele mittlerweile sehr wütend macht.
Diskussionen mit Feministinnen zeigen daß diese meist sehr lern- und weiterentwicklungsresistent sind und an alten Thesen festhalten, weil dadurch die Welt so bequem bleibt.
Ich las gestern einen schönen Satz in einem Brief und musste instinktiv an den feministischen Glaubenssatz denken, Frauen müssen doppelt soviel leisten wie Männer, um weiterzukommen :
„Widerspruch ertragen fällt schwer. Meinungen und Glaubenssätze verleihen uns vermeintliche Sicherheit und vereinfachen anscheinend unser Miteinander. Sich mit einer anderen Ansicht zu befassen stellt unsere Toleranz auf die Probe. Plötzlich wird einem bewusst, daß es mehrere Wahrheiten geben kann. Fragt man nach dem Hintergrund der „gegnerischen“ Ansicht, so hilft das, den eigenen Standpunkt zu klären, zu verbessern oder zu verändern. Aus solch einem Entwicklungsprozess entsteht eine dritte, neue Position“.
Da müssen Feministinnen noch viel an sich arbeiten.
Februar 15, 2009 um 11:58 pm
@Thomas: Danke, der Satz zeigt sehr schön warum von Toleranz auch die persönliche Weiterentwicklung profitieren kann. Lasst uns nicht die offene Auseinandersetzung scheuen, wo sie möglich ist.
Februar 16, 2009 um 12:26 pm
@Michel: Da bin ich ganz Deiner Meinung. Was der Männerbewegung derzeit noch etwas fehlt ist m.E. auch eine gehörige Portion Optimismus. Daher passt der Name des Blogs an sich schon sehr gut ins Bild.
Die Väter- und Männerbewegung wird derzeit noch in erheblichem Maße von Betroffenen geprägt mit einer mehr oder weniger großen Wut. Ich hatte seinerzeit schon festgestellt daß es von offiziellen Stellen deswegen schonmal Vorbehalte gibt.
In meiner Region hatte ich Kontakt zu einem interdisziplinären Arbeitskreis nach dem Vorbild des Cochemer Modells gesucht, die jedoch aufgrund schlechter Erfahrungen mit einem sehr agressiven Auftreten einer Organisation mit dem Namen „Dialog“ gemacht haben und deswegen sich grundsätzlich bei Treffen auf dem Landgericht entschieden, nur professionelle Stellen miteinzubeziehen.
Aus Gründen der Akzeptanz würde ich gerne versuchen die gesellschaftliche Mitte und Männer für die konstruktive und optimistische Männerbewegung zu sensibilisieren die z.B. positive Männlichkeitsbilder, emotionale Unabhängigkeiten von weiblicher Definitionsmacht, männliche Solidaritäten u.a. thematisiert, bevor sie im Trennungsfalle von der Realität eingeholt werden und zu Betroffenen mit Ohnmachtserlebnissen werden.
Ich denke, mit geschlechterpolitischen Initiativen wie Manndat, vafk, genderama u.a. sind wichtige Weichen gestellt – insbesondere wenn sie mit Themen der persönlichen Weiterentwicklung nach Steve Biddulph oder Robert Bly angereichert werden und die Männlichkeit an sich in ein positives öffentliches Bild bringen.
Eine Männerzeitschrift habe ich dazu schon angeschrieben, jedoch habe ich noch keine weiteren Ideen entwickeln können.
„Die feministische Kritik an der Industriegesellschaft hat die Männer in die Defensive gedrängt und die Männlichkeit selbst vor den Richterstuhl zitiert, als ob Maskulinität von sich aus destruktiv wäre. Die Männerbewegung hilft uns dabei…, eine gesunde Männlichkeit wiederzufinden und diese zu ehren, und zu dieser Männlichkeit gehören natürlich auch schaffende, erdverbundene und nährende Eigenschaften“. (Quelle : Shepherd Bliss aus „Männer auf der Suche“, Steve Biddulph).
Ich denke, hier gibt es noch viele Möglichkeiten was Männer für sich selbst tun können und Frauen, die geistig und moralisch sowie finanziell selbstständig sind werden damit keine Probleme haben bzw. sogar unterstützen wenn sie erkennen, welche Vorteile es für sie hat bzw. die Männer, die sie lieben, besser verstehen wollen.
Vielleicht fängt es ja gerade erst an, das Verhältnis der Geschlechter endlich sinnvoll für Frauen UND Männer weiterzuentwickeln und nicht als männlicher Ja-Sager geschlechtsopportun die Vorgaben weiblicher Definitionshoheit – wie sie versehentlich eingerissen ist – kritiklos zu übernehmen.
Allerdings denke ich nicht daß es leicht wird und es wird genug Widerstände zu überzeugen geben.
Februar 16, 2009 um 11:00 pm
@Thomas: Nunja die Mitte werde ich mit meinem Blog kaum ansprechen, immerhin bemühe ich mich an einem positiven Männerbild mitzuwirken. Steven Biddulph und Robert Bly haben mir bisher nichts gesagt, aber das Zitat wirkt vielversprechend. Gibt es Texte, die du mir empfehlen kannst?
Februar 17, 2009 um 8:21 am
@Michel: Welche Bücher ich bisher sehr ansprechend fand waren „Männerseelen“ von Björn Süfke und „Männer auf der Suche“ von Steve Biddulph, weil sie angesichts misandrischem Popularjournalismus, wie er wohl so um 2004/2005 mit Berichten wie „Eine Krankheit namens Mann“ seinen Höhepunkt erreichte.
Außerdem zeigt letzteres gut auf wie insbesondere Männer sich in Beziehungen gleichberechtigen können und durchaus konstruktiv Paroli stellen, ohne in destruktivem Streit zu verfallen. Denn für Männer ist es nicht gut immer zu glauben Ja zu sagen und ich denke, viele Frauen mögen das auch nicht.
Ich hatte öfters beobachtet wie passiv manche meiner Kollegen seinerzeit wurden, wenn sie in festen Händen waren. Die Frage nach der „Schuld“ liegt wahrscheinlich in der Mitte irgendwo oder auch einfach in Bequemlichkeitsmechanismen, aber mit der Schuldfrage ist es nicht getan und eine gewisse Unabhängigkeit und Freiraum für Männer bzw. ein nicht Zu-Kurz-Kommen ist ein durchaus berechtigtes Anliegen.
Februar 17, 2009 um 8:55 am
Bemerkenswert fand ich im Buch von Björn Süfke eine Passage :
„Ich war im vorigen Jahr auf einem zweitägigen Kongress zum Thema Männerarbeit. Beim Resumee der Veranstaltung äußerte die einzige Frau im Teilnehmerkreis, daß sie sehr dankbar sei, so viel über das Innenleben der Männer erfahren zu haben. Dann fügte sie noch hinzu : Und ich habe gelernt, daß wir Frauen manchmal viel zu viel an den Männern herumzerren. Darauf breitete sich eine lange Stille im Saal aus. Das Gefühl der Rührung, des Wirklich-gesehen-werdens bei uns anwesenden Männern war förmlich greifbar.“
Ich denke, es gibt eine Menge Fehlannahmen und Verständigungsschwierigkeiten. Manche Frauen machen vielleicht einen fatalen Annahmefehler : Die Annahme der absoluten männlichen erstrebenswerten Überlegenheit. Susan Pinker prägt in dem Buch „Das Geschlechterparadox“ das Wort Normgeschlecht.
Es wurde wohl auch herausgefunden daß Frauen im statistischen Durchschnitt einen höheren Empathiequotienten haben. Der Altfeminismus versieht diesen Empathievorteil jedoch mit einem sehr negativen touch, weil es dem absoluten Gleichheitsaxiom nicht genügt. So kommt einem das Szenario manchmal vor wie die Frauen denen man früher die Füße bandagiert hat. Jetzt hat der Alt-Feminismus ihnen ihre vielleicht ursprüngliche Weiblichkeit und ihr Seelenleben bandagiert.
Die sexuellen Unterschiede gehören kultiviert, nicht zensiert (Katharina Rutschky). Ich denke es sollte ein gleichberechtigtes Zusammenleben trotz diverser Unterschiede kultivierbar sein. Herkules hat die Welt nicht verändert sondern Menschen mit einem Kopf.