Ein Tag im Park

Eine Freundin von mir hat mich auf den sehr guten Comic-Strip „a Day at the Park“ aufmerksam gemacht. In dem Comic werden zwei Lebensauffassungen gegenübergestellt, die einen interessanten Kontrast ergeben. Die Handlung besteht eigentlich nur einem einzigen Dialog von zwei Protagonisten, die sich zufällig auf einer Bank in einem Park begegnen und ins Gespräch kommen. Es stellt sich heraus, dass das beide eine Leidenschaft für das Sammeln haben, allerdings sammeln sie gegenteilige Dinge: Während der eine Fragen sammelt, sammelt der andere Antworten. Da dies jeweils auf das Unverständnis ihres Gegenübers trifft, entbrennt eine Diskussion über den Wert von Fragen und Antworten.

Der die Fragen sammelt führt an, dass sich das ganze Universum laufend ändert und Fragen an diesen Veränderungen teilhaben, ihr Wert kann dadurch sogar steigen. Antworten hingegen veralten und ihr Wert kann nur fallen. Der die Antworten sammelt erwidert, dass Fragen irgendwann auf Antworten treffen und dann selten etwas von ihnen übrig bleiben. An dieser Stelle fühlt sich der Fragen sammelnde gezwungen zuzugeben, dass auch er Antworten sammelt, ohne Antworten könnte man keine Entscheidungen treffen und wäre nicht fähig zu handeln. Aber er sehe keinen Grund Antworten wertzuschätzen, denn es kommt die Zeit an der die Antworten die Fragen nicht mehr richtig bedienen und sie fortgeschickt werden sollten. Eine falsche Antwort könne einen daran hindern zu den richtigen Fragen zurück zu kehren. Personen, denen die Frage fehlt, zu der sie zurück kehren können, neigen dazu sich mit starken Überzeugungen zu verteidigen. Daher ist er bei den großen Antworten, die schon da waren bevor wir gekommen sind, besonders vorsichtig. Sie verschaffen sich gewaltsam Eintritt und wir akzeptieren sie, weil sie die Fragen vieler andere beantworten. Er bevorzugt Antworten, die seinen eigenen Fragen entsprungen sind. Sie  verletzen seine Fragen nicht und lassen sich ohne Probleme wieder entfernen.

Nach einigem hin und her kommen sie schließlich auf die Bedeutung hinter den Fragen und Antworten zu sprechen. Der Fragen sammelnde vermutet, dass es die Abwesenheit der Bedeutung ist, die allem die Chance lässt Bedeutung zu haben und dass alle Antworten zu besitzen sei wie nach dem Ende aller Bedeutung zu verlangen. Die Fragen, die meisten wert sind gefragt zu werden, seien nicht dazu da beantwortet zu werden, denn definitive Antworten auf solche Fragen würden uns unserer Freiheit berauben zu entscheiden was  wertvoll ist und was nicht und für diese Entscheidungen verantwortlich zu sein. Um unendliches Potential aufrecht zu erhalten, darf man niemals vollständig sein.

Der die Antworten sammelt, fühlt sich von diesen Ausführungen sehr angegriffen. Er fragt den anderen, ob diese Rede nur ein umständlicher Weg sei, ihm zu sagen, dass er Müll sammle. Bevor er Wut entbrannt verschwindet, stellt er seinem Gegenüber ein letzte Frage: „Wenn ‚wertlose‘ Antworten das einzige sind, das zu Handlungen führt, das einzige das Dinge geschehen macht, was ist die eigentliche Verwendung für deine geschätzten Fragen?“

Der die Fragen sammelt ist alles andere als von dieser Frage getroffen. Im Gegenteil er freut sich wieder eine Frage gefunden zu haben, die es wert ist aufbewahrt zu werden.

Ich finde die Anekdote interessant, weil sie einen dazu bringt, darüber nachzudenken, auf welche Weise wir unser Leben betrachten. Durch die beiden Protagonisten werden zwei Sichtweisen charakterisiert und man fühlt sich aufgefordert zu überlegen welcher man am ehesten zustimmt. Dabei ist das Thema der Unterhaltung so abstrakt und wage, dass sich noch nicht einmal eindeutig sagen lässt worum es bei ihr eigentlich ging. Vordergründig geht es um die Frage, ob man eher Fragen oder Antworten aufbewahren sollte. Da sich nicht ohne weiteres sagen lässt, was das Aufbewahren von Fragen bzw. Antworten konkret bedeuten soll, muss man überlegen welche Lebenseinstellung sich eigentlich dahinter verbirgt.

Beide Protagonisten stimmen darin überein, dass es die Antworten sind, die erst Handlungen und Entscheidungen ermöglichen. Mit Antworten sind also nicht Antworten aus dem Bereich des Wissens, Lösungen von Rätseln, sondern unsere Handlungsgründe gemeint. Das ist die Perspektive aus der ich die sehr vielschichtige Geschichte analysiere.

 Fragen aufzubewahren, heißt in diesem Kontext nichts anderes als sich die Möglichkeit offen zu halten, die gegebenen Antworten nochmal zu revidieren. Für diese Einstellung spricht, dass sie es erlaubt auf falsche Urteile zu reagieren und sich nochmal umzuentscheiden. Eine derartige Flexibilität muss aktiv aufrechterhalten werden. Der eine Protagonist berichtet von seinem Kampf gegen die großen Antworten, die sich ungefragt einschleichen könnten. Gemeint ist meines Erachtens die Konventionalität. Es ist einfach dem zuzustimmen, dass alle für wahr halten. Sich die Fragen aufzubewahren, läuft also darauf hinaus auch das scheinbar naheliegende zu hinterfragen. Daraus ergibt sich eine offene Haltung, die in der Schlusspointe sehr schön Illustriert wird. Selbst ein Angriff auf grundlegende Überzeugungen, wird nicht Gefahr wahrgenommen, sondern als eine Position, die ihre Berechtigung hat und berücksichtigt werden muss. Der Protagonist, der die Fragen aufbewahrt, erhebt ferner den Anspruch selbst zu entscheiden, was von Bedeutung ist und lässt sich hier keine Vorgaben machen. Geht also die Haltung sich alle Möglichkeiten offen zu halten, mit Selbstbestimmung einher?

Im Umkehrschluss heißt Antworten aufzubewahren, dass man an einmal getroffenen Entscheidungen festhält und an Glaubenssetzten auch dann festhält, wenn die Fakten zeitweise dagegen sprechen. Die Argumente die uns der Comic für diese Position gibt, sind leider etwas knapp. Der Protagonist der von dieser Position eingenommen ist, beansprucht wenig Redezeit, wird emotional und macht insgesamt keine gute Figur. Das wichtigste Argument wird in der letzen Frage nur angedeutet, aber nicht wirklich erklärt. „Wenn ‚wertlose‘ Antworten das einzige sind, das zu Handlungen führt, das einzige das Dinge geschehen macht, was ist die eigentliche Verwendung für deine geschätzten Fragen?“, In anderen Worten nur auf den Fragen zu beharren und nie eine Antwort zu geben, führt nur ins Nichts.

Man kann es sich nicht aussuchen keine Antworten zu sammeln.  Jeden Tag bietet das Leben unzählige Optionen, sich für bestimmte zu entscheiden heißt genauso sich gegen andere zu entscheiden, aber die einmal getroffene Entscheidung lässt sich nicht mehr revidieren. Wenn wir versuchen uns der endgültigen Entscheidung zu entziehen, läuft dass in vielen Fällen darauf hinaus unsere Chancen ungenutzt verstreichen zu lassen. Wenn wir uns nicht festlegen können welchen Beruf wir ergreifen, werden Jahre unseres Lebens ohne Weiterkommen an uns vorüberziehen. Wenn wir uns nicht entscheiden können wen wir heiraten, heißt das nie zu heiraten und nie eine Familie zu gründen. Wenn wir zu derartigen Entscheidungen nicht in der Lage sind, sind wir nicht selbstbestimmt, sondern werden von unseren Ängsten bestimmt, etwas zu verpassen.

Der eine Protagonist postuliert, dass um unendliches Potential aufrecht zu erhalten, man niemals vollständig sein dürfe. Die Tatsache ist jedoch, dass der Mensch kein unendliches Potential hat, er ist endlich. Wegen dieser Endlichkeit müssen wir unser Potential auch nutzen, bevor es verrinnt. Wenn ich also überlege welcher Haltung ich eher zustimme komme ich zu dem Schluss, dass Autonomie, Unkonventionalität und Reflexion zwar wichtige Tugenden sind, die das Leben lebenswerter machen, aber man sollte ihretwillen nicht die Augen vor der eignen Begrenztheit verschließen, sondern mit Mut auch endgültige Entscheidungen treffen.

Eine Antwort to “Ein Tag im Park”

  1. Chadwick K. Pope Says:

    Wir sind emsig beschäftigt in unserem Leben: mit uns selbst, mit unserer Familie, mit unserem Geld, mit unserem Job. Doch manchmal stürzen die Kulissen ein. Das kann die Folge einer schweren existentiellen Krise sein, wie zum Beispiel bei einer Krankheit oder beim Tod eines geliebten Menschen. Das kann aber auch die Folge bloßer Langeweile oder Melancholie sein. Oder aber das bewusste Hinterfragen des eigenen Lebens. Wir fragen nach dem „Wozu?“ und erhalten keine Antwort. Wir blicken in einen gähnenden Abgrund – und dann kann es passieren, dass uns das Absurde heimsucht: „Das Gefühl der Absurdität kann an jeder beliebigen Straßenecke jeden beliebigen Menschen anspringen. Es ist in seiner trostlosen Nacktheit, in seinem glanzlosen Licht nicht zu fassen“, so Albert Camus, der Meister des Absurden.

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