Jenseits der Schuld

Schuld ist ein erstaunlich unnötiges Konzept. Zwar scheint die Unterteilung in richtiges und falsches Verhalten, den meisten Menschen die notwendige Orientierung zu geben. Aber näher betrachtet schadet das Konzept mehr als es nutzt. Die Idee der Schuld ist, dass es allgemeine, vorgegebene Normen gibt, die einen vor Verletzungen und Verlusten aller Art schützen. Gleichzeitig haben diejenigen die an die Schuld glauben Angst davor, diese Normen zu verletzen. Das Problem an diese Denkweise ist sie die Kreativität erstickt, zur Unmündigkeit erzieht und es erschwert Kompromisse zu finden.

Im Zusammenleben von Menschen gibt es weniger allgemeinen Normen als man vielleicht annehmen würde. Zwar sind die Normen im Umgang mit Fremden sehr allgemein und unveränderlich, aber auch diese variieren von Region zu Region und von Kontext zu Kontext. Wenn man dann den Sprung über das Fremdsein hinaus wagt kann es keine allgemeinen Normen geben, Weil die Menschen aufgrund ihrer unterschiedlichen Erfahrungen auf die gleichen Dinge sehr unterschiedlich reagieren. Was für den einen ein notwendiges Zeichen von Nähe ist, ist für den anderen schon eine Grenzverletzung. Im Umgang mit anderen sind Frustrationen daher unvermeidlich. Wir kennen die Bedürfnisse unsers Gegenübers nicht und müssen uns erst daran herantasten. Bei diesem Prozess finden wir uns in unsere Rollen hinein. Diese Rollen definieren wie wir mit welchen Menschen auf welche Weise umgehen. Wir fühlen uns in unseren Rollen wohl, weil wir wissen, dass andere unser Verhalten in dieser Rolle akzeptieren. Wenn jemand aus seiner Rolle ausbricht setzt sein Umfeld dem meistens Widerstand entgegen, weil es vom dem ungewohnten Verhalten irritiert wird. Wie wir unsere Rollen definieren liegt allein in unserer Verantwortung. Auf dem Weg dahin wird es Irritationen und Verletzungen geben, aber der Weg kann uns nicht von anderem abgenommen werden. Wenn wir versuchen uns lediglich im Rahmen allgemeiner Normen zu bewegen bleiben entweder unsere Beziehungen auf einem sehr niedrigen Level oder wir müssen uns auf den Mut anderer verlassen zu dem Preis, dass wir sehr passive Rollen einnehmen.

Das Denken in der Kategorie Schuld ist auch der Versuch die Verantwortung von sich abzuwälzen. In unserer Kindheit waren diejenigen, die uns schaden wollten, die Bösen und Papi hat uns vor ihnen beschützt. Anstatt unsere Probleme selbst zu lösen, mussten wir diese Aufgabe an andere delegieren. Auch im Erwachsenenalter finden wir an der Idee gefallen, dass ein Held das Böse bestraft und die Guten beschützt. Diese Idee ist immerhin das Grundgerüst von zahlreichen Filmen und anderer Unterhaltung. Es ist attraktiv andere als schuldig zu darzustellen, wenn uns ihr Verhalten nicht passt, weil wir dann erwarten, dass unsere Probleme dann von anderen gelöst werden. Wenn andere diese Sichtweise übernehmen, kann das sogar stimmen. Der Versuch auf diese Weise unser Zusammenleben zu organisieren führt jedoch dazu ein Korsett von Regeln aufzubauen, dass in den meisten Situationen nicht angebracht ist und unter dem manche Bedürfnisse nicht ausgelebt werden können. Eine erwachsene Umgangsweise mit Verhalten das uns stört, ist zu kommunizieren was uns stört und entsprechende Konsequenzen zu ziehen, wenn  das Verhalten beibehalten wird. Der Unterschied zwischen diesem Verfahren und dem sanktionieren durch Schuld besteht in zwei Punkten: Erstens müssen wir die Verantwortung übernehmen und selbst die Konsequenzen ziehen. Zweitens nehmen wir das störende Verhalten nicht persönlich. Wenn jemand bereit ist die Konsequenz zu ertragen, kann er sich ruhig weiter störend verhalten.

Wenn wir uns an Schuldfragen orientieren geht viel Energie für wichtigere Dinge verloren. Wenn wir Fehler gemacht haben und damit konfrontiert werden, ist unsere erste Reaktion uns vor Vorwürfen zu schützen. Die Reaktion kann darin bestehen unsere Verantwortung für den Fehler kleinzureden oder die Bedeutung des Fehlers zu relativieren. Meistens werden durch diese Handlungen andere mit echtem oder angeblichem Fehlverhalten konfrontiert, die ihrerseits Abwehrreaktionen zeigen. Anstatt sich damit zu beschäftigen wie der Fehler behoben und zukünftig vermieden werden kann, ist bereits viel Kreativität dafür verausgabt worden, sich Ausreden auszudenken. Um nicht in diese unproduktiven Verhaltensmuster zu fallen ist es hilfreich zu akzeptieren, dass es normal ist Fehler zu machen und das wir deswegen keine Schuldgefühle haben brauchen. Nichts kann so befreiend sein wie einmal zu sagen: „Du hast Recht, tut mir Leid, es wird nicht wieder vorkommen“, wenn es wirklich ernstgemeint ist und glaubhaft kommuniziert werden kann. Auch kann es sehr frustrierend sein, wenn wir mit jemand eine konstruktive Lösung suchen und die betroffene Person Verhalten verteidigt, das wir gar nicht als Fehlverhalten wahrgenommen haben. In allen diesen Fällen stehen Schuldgefühle der Suche nach besseren Lösungen im Weg.

Auch wenn wie gezeigt es oft einfacher wäre ohne Schuldgefühle auszukommen, ist dieser Weg oft schwer zu beschreiten weil es tief in unseren Köpfen verankert ist, auf Vorwürfe mit Schuldgefühlen zu reagieren. Um reifere Menschen zu werden, bessere Beziehungen zu pflegen und unsere Ziele effizienter zu erreichen ist aber notwendig unsere Schuldgefühle hinter uns zu lassen und es zu unterlassen andere mit Schuldgefühlen zu manipulieren.

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