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Die Aufklärung erfindet sich neu

Juli 26, 2020

Wir leben in einer Zeit, in der das Vertrauen in die Eliten immer stärker schwindet. Was zur Sorge Anlass gibt ist der Umstand, dass der Vertrauensverlust nicht unbegründet ist. Der Journalismus ist mehr damit beschäftigt einer politischen Agenda zu folgen, die Politik beschäftigt sich zunehmend mit Themen geringer gesellschaftlicher Relevanz, während die Echten Probleme unadressiert bleiben, die Bildungsinstitutionen beklagen sich über eine schwindende Reife von Schülern und Studenten. In diesem Artikel, will ich zeigen, was das tieferen Ursachen für diese Entwicklung in der Dynamik des Politischen selbst liegt und wie ein möglicher Ausweg daraus aussehen könnte.

Zentral für das Verständnis der Dynamik politischer System ist der Antagonismus zwischen Realitätsprinzip und der Dynamik des politischen Prozesses. Der politische Prozess wird durch das Bilden und Wiederaufbrechen von Koalitionen bestimmt. Dabei spielt es keine Rolle wie der politische Prozess konkret ausgefochten wird. Die Abstimmung über die Besetzung von Ämter oder der Bürgerkrieg folgen abstrakt der gleichen Logik.

Die politischen Akteure stehen zunächst vor der Aufgabe genug politische Ressourcen zu vereinen um ihre Gegenspieler aus dem politischen Kampf auszuschließen. Im reinen politische Prozess wird von der Realität abstrahiert. Das heißt den Akteuren geht es nur darum politische Ressourcen für sich zu sichern und das Verhältnis der Akteure untereinander besteht nur aus Koalitions- und Gegnerschaftsbeziehungen. Besteht noch keine Koalition, die stark genug ist, um ihre Gegner auszuschließen müssen sich die Akteure so koordinieren, dass sie eine solche Allianz bilden. Besteht eine werden ihre Gegner aus dem Politischen Prozess ausgeschlossen. Damit endet der politische Prozess jedoch nicht. Die ehemaligen Koalitionäre stehen wieder vor der Situation, dass Sie die Verbleibenden Akteure ausschließen müssen, um ihre eigenen Ressourcen zu sichern. Innerhalb der Koalition entsteht eine neue Koalition, die ihre ehemaligen Mitstreiter ausschließt.

Die Koordination der Akteure funktioniert über Bekenntnisse. Ein Akteur würde z.B. fordern dass nur diejenigen Teil des Politischen Prozesses bleiben dürfen, die sich zum A-ismus bekennen. Die übrigen Akteure wären dann gezwungen sich entweder als A-ist oder als Anit-A-ist zu bekennen. Wenn die A-isten genug politische Macht auf sich vereinen können, schließen sie die Anti-A-isten aus et vice versa. Bildet sich ein Patt besteht die Möglichkeit unter einem anderen Bekenntnis B-ismus neue Koalitionen zu bilden. Eine übliche Methode um eine Unterkoalition zu bilden ist die Radikalisierung. Ein A-ist würde dann fordern das ein Bekenntnis zum A-ismus nicht ausreicht, sondern auch diejenigen auszuschließen sind deren A-ismus zu gemäßigt ist.

Eine Sonderform des Patts ist das Schisma. Hier reichen die Ressourcen von Koalition und Gegenkoalition nicht aus um sich zu beseitigen und die Organisation, die beide getragen hat zerbricht. Koalition und Gegenkoalition bilden dann neue Organisationen. Beispiele wären Rotchina und Taiwan nach dem Chinesischen Bürgerkrieg oder das Schisma zwischen römischer und altorientalischer Kirche infolge des Konzils von Chalcedon.

A-ismus kann alles sein das Christentum, der Kommunismus, der Nationalismus, der Feminismus usw. Aber nicht Demokratie oder Liberalismus, da dies Meta-Ideologien sind, die den politischen Prozess selbst zum Gegenstand haben. Wenn wir zum reinen Politischen Prozess hinzunehmen, dass bestimmte Akteure vormarkiert sind, ergibt das die Möglichkeit für Koalitionen, die diese Akteure von vorneherein ausschließen oder einschließen. So könnte eine Ideologie Menschen bestimmter ethnischer Herkunft oder Geschlechts von vorneherein ausschließen. Dies ist politisch Attraktiv, nicht weil an diesen Menschen real etwas auszusetzen wäre, sondern weil derartige Koalitionen bei ihrer Koordinierung einen Vorteil haben. Optimaler Weise nutzt man schon vorhandene Stimmungen aus, die verhindern dass sich eine wirksame Gegenkoalition bildet. So konnte der Nationalsozialismus den latent vorhandenen Antisemitismus für sich ausnutzen.

Für den politischen Prozess spielt die Realität nur insofern eine Rolle, dass durch sie bestimmte Koalitionszugehörigkeiten vorfestgelegt sind. Je abgehobener eine Ideologie ist, desto vorteilhafter ist das für die politischen Akteure, da dies ihnen flexiblere Koalitionsbildung ermöglicht. Die abgehobensten Ideologien sind heute diejenigen, die Postmoderne ausmachen.

Das andere Prinzip, das das Handeln gesellschaftlichen Institutionen bestimmt, ist das Realitätsprinzip. Es sagt einfach aus, dass man das, was ist, zur Kenntnis zu nehmen hat. Dass das überhaupt in Frage steht, liegt an der Fähigkeit des Menschen zwischen relevant und irrelevant zu unterscheiden und Irrelevantes zu ignorieren. Da er dies kann, kann er auch zwischen angenehm und unangenehm unterscheiden und unangenehme Tatsachen ignorieren und wird dies tun, um Unlust zu vermeiden. So wird der veränderte Leberfleck nicht geprüft, weil die Möglichkeit dass es ein Tumor sein könnte Angst macht und daher ignoriert wird. Es erfordert also bewusste Anstrengung sich am Realitätsprinzip zu orientieren und der Tendenz unangenehme Tatsachen zu ignorieren entgegenzuwirken.

Das Realitätsprinzip ist die Voraussetzung dafür überhaupt adäquat handeln und somit die Grundlage für den Einzelnen sein Leben erfolgreich gestalten zu können. Ähnliches gilt für Organisationen, Institutionen und die Gesellschaft als Ganzes. Je besser das Realitätsprinzip in der Gesellschaft verankert ist, desto höher ist das Funktionsniveau derselben.

Eine Organisation die die Herausforderungen, denen sie ausgesetzt ist, nicht zur Kenntnis nimmt, wird ihren Organisationszweck zunehmend schlechter erfüllen, da notwendige Anpassungen unterbleiben. Für Organisationen ist die Orientierung am Realitätsprinzip jedoch schwieriger als für Individuen. Es reicht nicht aus, dass einzelne einen Anpassungsbedarf erkennen. Dieser muss auch in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, was eine entsprechende Koordination voraussetzt. In der Folge reicht es für Organisationen nicht aus, einmalig das gebotene zu erkennen. Realitätsorientierung kann nur durch kontinuierliche Anstrengungen aufrechterhalten werden.

Dass das Realitätsprinzip in der Gesellschaft verankert ist, ist historisch eher die Aufnahme. Es war die entscheidende Leistung der Aufklärung das Realitätsprinzip gesellschaftlich zu etablieren. Mit der Aufklärung entstand der Anspruch, dass das Handeln gesellschaftlicher Institutionen vom Einzelnen rational überprüft werden kann. Da nun Außenstehende das Handeln der Institutionen in Frage stellen können, lastet auf diesen ein Druck sich an der Realität zu orientieren. Auf diese Weise gelang es der Aufklärung die Gesellschaft auf ein höheres Funktionsniveau zu hieven.

Wie leicht zu sehen ist, besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Realitätsprinzip und der Eigendynamik des politischen Prozesses. Das Realitätsprinzip erfordert neue Erkenntnisse hinreichend zu würdigen, der politische Prozess erfordert diese im Rahmen der jeweiligen Ideologie zu interpretieren. Wenn die Erkenntnisse den Prämissen der Ideologie widersprechen, müssen die Angehörigen der Ideologie dies als einen politisch motivierten Angriff interpretieren und werden diesem mit politischen Mitteln begegnen. D.h. sie spielen ihre politischen Ressourcen aus, um die Verbreitung der Erkenntnisse zu unterbinden. Das ist der realitätsverachtende Charakter von Ideologie.

Obwohl wir seit der Aufklärung ein ungewöhnlich hohes Funktionsniveau der Gesellschaft und damit ungewöhnlich viel Wohlstand, Freiheit und Sicherheit genießen, befindet sich die Aufklärung unter Beschuss. Unter den Beobachtern des Zeitgeschehens dürft es als ausgemachte Sache gelten, dass sich die Werte der Aufklärung auf dem Rückzug befinden und ideologisches Denken zunehmend dominiert.

Erkennbar ist das unter anderem daran, dass der öffentliche Diskurs den Ansprüchen einer rationalen Auseinandersetzung in der Regel nicht genügt. Er scheitert typischerweise daran normative und empirische Aussagen voneinander zu trennen, und empirische Fragestellungen sinnvoll zu operationalisieren. Das Diskussionsziel ist es weniger zu einem Erkenntnisgewinn zu kommen, sondern dem Gegner der Diskussion nachzuweisen, dass er untragbare Positionen vertritt und somit vom Diskurs auszuschließen ist. Kurz der öffentliche Diskurs folgt nicht mehr einer rationalen, sondern einer politischen Logik.

Das wäre in einem begrenzten Rahmen legitim. Was jedoch verheerend ist, ist der Umstand das der Gesellschaft nach und nach die Fähigkeit abhandenkommt, zwischen einer rationalen und politischen Argumentation zu unterscheiden. Dies kommt dadurch zustande, dass die Fähigkeit zur Rationalen Argumentation zunehmen nicht mehr an die jüngere Generation vermittelt wird.

Der Kampf für Aufklärung bzw. allgemein eine rationale Ordnung konzentrierte sich auf Gegner die die Werte der Aufklärung explizit ablehnten. Die sind historisch der Absolutistische Obrigkeitsstaat und der totalitäre Staat. In der Folge ordnet die konventionelle Aufklärung die Akteure des Diskurses in eine falsche Dichotomie ein. Entweder bekenne sich ein Akteur zum rationalen Diskurs oder er verweigert ihn und versucht durch Gewalt seine Forderungen durchzusetzen. In der Gegenwart ist die Aufklärung jedoch durch einen Gegner neuen Typs herausgefordert: Der Postmodernismus.

Der Postmodernismus gibt vor einen rationalen Diskurs zu führen, bekämpft jedoch die Grundlagen der Rationalität und führt schließlich zu einer Politisierung des Diskurses. Der Postmodernismus macht zunächst den Glauben an eine mögliche Objektivität verächtlich, um dann ihre Gegner im Diskurs mit unlauteren Mitteln zu besiegen. Die Ursache dafür, dass sich die Postmoderne gegen die Aufklärung durchsetzen konnte ist, dass die Postmoderne perfekt an die Eigenlogik der Politik angepasst ist.

Dass das Funktionsniveau unserer Gesellschaft sinkt hat also ihre Ursache in einem Niedergang der Aufklärung, verursacht durch den Postmodernismus. Dieser führt zu einem Verlust der Fähigkeit rational  zu argumentieren und zu einer Politisierung der gesellschaftliche Diskurs. In der Folge laufen die Entscheidungsbildungsprozessen von Institutionen und Organisationen nicht mehr realitätsorientiert ab, sondern ideologiekonform. Das führt schließlich dazu, dass diese ihren Zweck nur noch mangelhaft nachkommen.

Obwohl uns bewusst ist, dass der Niedergang der Aufklärung verheerend ist, können wir nicht einfach zur Aufklärung zurückgehen. Der Postmodernismus hat sich gegenüber der Aufklärung bereit als durchsetzungsfähig herausgestellt, eine Wiederholung des Konflikts würde lediglich zum gleichen Ergebnis führen, das wir heute haben. Um dem Postmodernismus zu begegnen muss die Aufklärung auf eine neue Basis gestellt werden.

Der Fehler der Aufklärung lag darin anzunehmen, dass Objektivität einfach so gegeben wäre. Zwar waren sich die Theoretiker der Aufklärung um die Grenzen der Objektivität bewusst, in der Praxis wurden diese jedoch ausgeblendet. Dadurch verlor der Rationale Diskurs an Überzeugungskraft. Wir benötigen also ein Verständnis dafür, dass Objektivität nicht einfach vorausgesetzt werden kann, sondern dass Objektivität immer wieder neu errungen werden muss.

Das Programm der Neuen Aufklärung hat epistemologische, diskurspraktische und politische Aspekte. Die Erkenntnistheorie an der wir uns orientieren, strahlt auf unser Diskursverhalten und unsere Politische Strategie aus. Daher haben die Demokratie und die Rechtstaatlichkeit epistemologische Grundlagen. Ohne die Zuversicht, dass eine Verständigung mit dem politischen Gegner möglich ist, verkommt die Demokratie zu einer Wahldiktatur. Ohne die Intention Objektivität anzustreben wird aus dem Rechtsstaat Cargo-Kult-Rechtsprechung.

Diese Grundlagen werden durch den Postmodernismus in Frage gestellt. Hier wird die Möglichkeit universell gültiger Wahrheiten und Objektivität verneint. Um dem zu begegnen ist epistemologisch dem Vorurteil aufzuräumen, dass eine Letztbegründung unmöglich ist. Vielversprechende Ansätze findet man vor allem in der Phänomenologie, für die in der Lebenswelt und dem Bewusstsein der Ausgangpunkt für Erschließung der Wirklichkeit besteht. Dadurch wird es möglich die Bedingungen für Objektivität auf eine universelle Basis zu stellen, die die Eigenheiten der Subjekte mitberücksichtig.

Diskurspraktisch sind Strategien zu finden wie verhindert werden kann, dass der Diskurs zu eristische Machtspielen verkommt. Das hohe Funktionsniveau unserer Gesellschaft kann nur aufrechterhalten werden, wenn das bessere Argument wieder die notwendige Achtung findet. Das heißt, dass Versuche einen rationalen Diskurs auszuweichen oder zu sabotieren entschieden abgelehnt werden und bis hin zur gesellschaftlichen Ächtung führen müssen. Andererseits ist Objektivität nicht als etwas zu begreifen, was dem Diskurs vorrangeht, sondern erst in der Auseinandersetzung herausgearbeitet werden muss. Keine der Streiparteien ist ohne Vorurteil, jedoch kann das Vorurteil durch kritisches Hinterfragen beseitigt werden.

Politisch hat die neue Aufklärung zwei Aufgaben. Das Bildungssystem ist so zu reformieren, dass die kommenden Generationen wieder zum rationalen Diskurs befähigt werden und auf die Angriffe durch den Postmodernismus vorbereitet sind. Zum zweiten sind die Gesellschaftlichen Institutionen so zu reformieren, dass sie dem Realitätsprinzip gerecht werden. D.h. das ihr Handeln wieder rational hinterfragt werden kann. Für die Institution Politik läuft das auf eine Reform des Parteienstaates hinaus.

Die These der Aufklärung ist die Erkenntnis das Objektivität notwendig ist. Die Antithese der Postmoderne besteht in der Feststellung, dass Menschen nicht Objektiv sind. Es ist die Zentrale Einsicht der neuen Aufklärung, dass Objektivität hergestellt werden muss.

Austritt aus der FDP

Februar 14, 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erkläre ich, […] meinen Austritt aus der FDP mit sofortiger Wirkung.

[…]

Mit der Entscheidung den demokratisch gewählten Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich zum Rücktritt zu zwingen, beging die Parteiführung schwere taktische und staatspolitische Fehler und hat charakterlich schwer enttäuscht. Mit der Wahl Thomas Kemmerich zeigte die AFD, dass sie bereit ist einen Kandidaten der Mitte mitzutragen und dem ihre nationale Agenda unterzuordnen. Damit bestand die Chance eine Beteiligung der politischen Ränder an der Landesregierung zu verhindern.

Anstatt diese Chance zu nutzten übernahm die Parteiführung die Interpretation des politischen Gegners, der in ahistorischen Gleichsetzung von Nationalismus und dem historischen National Sozialismus die Wahl Kemmerichs zum Tabubruch erklärte. Versuche dem eigne Narrative entgegenzusetzten unternahm die Parteiführung nicht. Stattdessen übte sie Druck auf Thomes Kemmerich aus, um diesen zum Rücktritt zu zwingen. Sie verstieß damit mutmaßlich gegen §106 StGB (Nötigung des Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungsorgans).

In der Folge beschädigte sie in unverdienter Weise das Ansehen Thomas Kemmerichs und der Partei und ließ keinen eigenen politischen Gestaltungswillen erkennen. Durch den übereilten Rücktritt Kemmerichs ist darüber hinaus der Freistaat Thüringen auf absehbare Zeit unregierbar.

Aufgrund dieser massiven Fehlleistungen der Parteiführung, an der von der Partei auch im Nachhinein festgehalten wird, spreche der Partei die Eignung ab liberale Positionen politisch durchzusetzen. Mein Austritt ist konsequent.

Dieses Schreiben ist ein Öffentliches.

[Eine ungekürzte Version dieses Schreibens wurde der Bundesgeschäftstelle übermittelt]

Die Krise der Demokratie und ihre Überwindung

Februar 11, 2020

Mit der Nötigung zum Rücktritt des Thüringer Ministerpräsidenten Kemmerich, tritt die Krise der Parteiendemokratie in eine neue Phase. Nachdem sich die politischen Eliten soweit von der Wirklichkeit und der Lebenswelt der breiten Bevölkerungen entfernt haben, dass es zu latenten Spannungen gekommen ist, treten diese nun offen zu Tage. Prinzipiell wären drei Wege möglich, durch die sich die Krise löst: Die Eliten ordnen sich wieder dem Realitätsprinzip unter, sie werden durch neue ausgetauscht oder sie beginnen ihre Macht mit diktatorischen Mitteln zu sichern. Durch die Ereignisse der vergangen Tage ist deutlich geworden, dass die politischen Spitzen willens sind sich über demokratische Prozesse hinwegzusetzen. Verschärfend kommt hinzu dass mit der FDP nun einer politisch Kraft weggefallen ist, die noch am ehesten am Realitätsprinzip orientiert war. In diesem Artikel will ich darlegen welche Faktoren zu der oben skizzierten Entwicklung geführt haben, das diese Entwicklung kein der Demokratie zu eigenes Schicksal ist, sondern das die Demokratie reformierbar ist und will einen Weg aufzeigen durch den diese Reformen verwirklicht werden können.

Die Krise der Parteiendemokratie äußert sich darin, dass die Parteien nicht mehr in der Lage sind, für die bestehenden Probleme Lösungen zu finden und stattdessen eine Politik betreiben die weitere Probleme nach sich ziehen werden. Die Ursache ist die fehlende Bereitschaft sich mit den Kausalitäten ihrer Wirkungsfelder auseinanderzusetzten, also eine intellektuelle Verflachung, die die sachliche Auseinandersetzung durch eine ideologischen Scholastik ersetzt. Den Politiker interessiert es nicht welche Wirkungen, die von ihm beschlossenen Maßnahmen haben, ihn interessiert wie er sich durch die Befürwortung oder Ablehnung im politischen Spektrum positioniert. Daher ist es unvermeidbar, das der Großteil der durch die Politik beschlossenen Maßnahmen die Probleme, die sie vorgeben zu lösen, gar nicht lösen und in der Regel unerwünschte Konsequenzen nach sich ziehen.

Natürlich ist den Politikern kein böser Wille zu unterstellen; es ist davon auszugehen, dass auch Politiker stehst bemüht sind den Anforderungen ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Diese Bemühungen werden durch das Umfeld in dem sich der Politiker bewegt zunichte gemacht. Das entscheidende Merkmal der Parteiendemokratie ist, dass um als Politiker überhaupt in verantwortliche Positionen zu kommen, sich in ein Netzwerk anderer Politiker einbinden müssen, dessen Unterstützung sie erhalten. Dieses Netzwerk ermöglicht den Zugang zu Parlamentssitzen, Regierungsposten und anderen Einflussmöglichkeiten. Ohne Netzwerk ist der Politiker nichts, er ist von ihm absolut abhängig, im Fall von Berufspolitikern auch in seiner bürgerlichen Existenz.

Ein Politiker wird nichts unternehmen was ihn von sein Netzwerk entfremden würde. Insbesondere wird er keine Position beziehen, die von seinen Unterstützern und Gönnern abweicht. Es wird jede Kritik unterlassen und damit auch jeden Versuch seine eigene Position auszudifferenzieren. Da sich sein gesamtes Netzwerk so verhält wird sich das ganze Netzwerk auf den kleinsten intellektuellen Nenner reduzieren. Jede Position wird lediglich aus einem Katalog vorgefertigter Rezepte entnommen. So ist beispielsweise zu erklären warum Kevin Kühnert Konzepte vorschlägt, die bereits vor 30 Jahren spektakulär gescheitert sind. Wenn eine Weiterentwicklung stattfinden, dann oft in die Richtung weiterer Verflachung oder Radikalisierung.

Wie wir gesehen haben ist die Ursache für den Verlust des Realitätsprinzips die Abhängigkeit des Politikers von einem festen Personenkreis. Um eine realitätsbezogene, evidenzbasierte Politik zu ermöglichen muss es für einen Politiker möglich sein verantwortliche Positionen zu gewinnen, ohne sich in derartige Abhängigkeiten zu begeben. Die nahliegende Methode um die zu erreichen ist es, die Parlamente durch Losentscheid zu besetzten. Der Gedanke mag zunächst befremdlich erscheinen, hat bei näherer Betrachtung eine Reihe von Vorteilen.

Politiker sind in der Tat frei und nur ihrem Gewissen unterworfen, sie können für ihre Position mit Authentizität und Integrität einstehen. Anstatt sich in dem Kampf um Listenplätze aufzureiben, werden für die eigentliche Sachliche Arbeit Ressourcen frei. Das Parlament spiegelt die Zusammensetzung der Bevölkerung bezüglich sozialer-herkunft und psychologischer Verfasstheit besser wieder. Zu den wichtigsten Fragen werden es im Parlament direkt betroffene vertreten sein. Ein echtes Zweikammersystem in dem eine Kammer die andere kontrolliert wird möglich. In der Parteiendemokratie wird die gegenseitige Kontrolle durch die gemeinsame Abhängigkeit von den Parteien unterlaufen.

Der wichtigste Einwand gegen die Losdemokratie ist die Befürchtung, dass Abgeordnete ins Parlament berufen werden, die nicht die Eignung zur parlamentarischen Arbeit haben. Dieser Gefahr muss begegnet werden in dem es Prozesse gibt, durch die inaktive oder krass auffällige Parlamentarier ihre Sitze verlieren können. Auch ist es sinnvoll die Parlamentssitze nicht automatisch aus der Gesamtbevölkerung zu berufen, sondern nur denjenigen, die sich aus eigener Initiative melden, in das Losverfahren einzubeziehen.

Der zweite wichtige Einwand ist demokratietheoretischer Natur: Ist durch die Losdemokratie die Volkssouveränität gewährleistet? Diesem Einwand möchte ich mit dem Verweis darauf begegnen, dass der Begriff Volkssouveränität nicht operationalisierbar ist. Das Volk ist eine Fiktion, Handelnde sind immer die Einzelnen. Legitimität leitet sich aus der Volkssouveränität ab, sondern durch die Möglichkeit eine Funktionierende Gesellschaft zu erhalten.

Nach der kurzen Skizzierung der Losdemokratie als Alternative zur Parteiendemokratie, stellt sich die Frage wie die Losdemokratie politisch durchgesetzt werden kann. Ein gewaltsamer Umsturz scheidet aus moralischen und pragmatischen Gründen aus. Die Losdemokratie muss also im bestehenden Politischen System umgesetzt werden. D.h. müssen auf parlamentarischen Weg entsprechende Verfassungsänderungen angestrebt werden. Die Änderungen können entweder den entsprechenden Parlamenten mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossen werden oder was der einfachere Weg wäre, können durch die Parlamente Verfassungsreferenden legitimiert werden (z.B. Art. 146 GG).

Scheinbar paradoxerweise braucht es also ein Engagement in den Parteien, um die Parteien zu entmachten. Das Paradox kann dadurch aufgelöst werden, dass Parteien die losdemokratischen Reformen anstreben sich selbst losdemokratisch konstituieren. D.h. eine losdemokratische Partei, muss wenn sie ein solche sein will, ihre Wahlvorschläge und Delegierten durch losdemokratische Verfahren bestimmen. Wenn die hier entwickelten Ideen halbwegs zutreffend sind, ist das nicht zum Nachteil der Partei, die gleichen Vorteile die die gesamte Gesellschaft aus der Losdemokratie bezieht, würden auch einer Losdemokratischen Partei zu teil. Diese Vorgehen hat den Charme das losdemokratische Reformen mitnichten Experimente am Staat wären. Losdemokratische Verfahren können sich zunächst innerparteilich bewähren, wo sie durch inkrementelle Verbesserungen (den Begriff hört man viel zu selten im Zusammenhang mit der Politik) die passende Ausgestaltung erfahren.

Gerade in den kommenden Monaten würde eine Partei stark davon profitieren losdemokratische Ideen zu übernehmen. Die FDP hinterlässt eine Lücke, die bald von neuen Parteien ausgefüllt werden wird. Losdemokratie könnte für eine Partei der Unique Selling Point sein durch den gegenüber potenziellen Mitgliedern und Wählern glaubhaft argumentiert werden kann, dass sie nicht aus den gleichen Gründen scheitern wird wie FDP, Piratenpartei und andere Kleinstparteien.

„Die Mitschaffenden sucht der Schaffende, die, welche neue Werte auf neue Tafeln schreiben.“ — Friedrich Nietzsche

Die Suche nach den niedrig hängenden Früchten — Das deep value Depot

August 22, 2017

Vor wenigen Tagen rief Stefan von Stefansbörsenblog dazu auf die Renditen der deutschsprachigen Finanzblogger zusammenzutragen. Eine derartige Sammlung bietet sicher interessante Einblicke und da ich vor hatte über kurz oder lang meine Strategie als Ganzes vorzustellen, nutze ich die Gelegenheit und nehme gerne daran teil. Nicht zuletzt ist der vorgeschlagene Vergleichszeitraum nicht ganz unvorteilhaft für mich. Dazu später mehr.

Ziel der Blogparade „Wir machen uns alle nackig“ ist es die Rendite von interessierten Anlegern also vor allem Finanzbloggern und ihren Lesern vergleichbar zu machen. Um eine gemeinsame Basis für den Vergleich zu bieten schlägt Stefan vor den internen Zinsfuß als Berechnungsmethode zu verwenden und den Zeitraum vom 25. August 2015 bis 20.August 2017 zu betrachten.

Der Zeitraum ist mit etwa 2 Jahren zwar zu kurz um aussagekräftige Zahlen zu liefern, aber wenn wir das Vorgehen jedes Jahr wiederholen dürfte auf Dauer ein sehr interessantes Live-Experiment werden. Ernst zu nehmen sind auch Sorgen die im Kommentarstrang zum Aufruf laut wurden: Wenn man nur auf die selbst berichtet Zahlen vertraut, was hindert die Teilnehmer daran sich zu ihren Gunsten zu verrechnen? Oder etwas subtiler werden nicht vor allem diejenigen Auskünfte geben, die in dem gewählten Zeitraum besonders gut abgeschnitten haben? Man kann also auf einige Interessante Zahlen und einige aufschlussreiche Geschichten dazu hoffen, aber man sollte nicht den Fehler machen das Ergebnis für repräsentativ zu halten.

Bevor ich nun meine eigenen Zahlen besteuere möchte ich meine Anlagestrategie darlegen. Wenn man sein Vermögen gewinnbringend investieren möchte und bereit ist die nötige Zeit zu investieren, dann sollte man versuchen die höchste Rendite bei dem geringsten Risiko einzufahren. Ausgehend von diesen Grundgedanken habe ich vor fünf Jahren angefangen zu untersuchen welche Ansätze Aussicht auf Erfolg haben und welche weniger. Relativ schnell bin ich in der Value-Schiene gelandet, d.h. ich versuche bevorzugt in Aktien zu investieren, die in irgendeine Art billig sind. Durch Erfolg und Misserfolg hat sich dann auch mein Anlagestil weiterentwickelt und ich probiere gerne neue Ansätze aus. Andererseits hat es sich schnell gezeigt, dass es für mich am besten funktioniert solche Titel auszuwählen die eine starke Bilanz mit einer sehr niedrigen Bewertung kombinieren. Am liebesten sind mir daher Net-Nets.

Mein Investmentprozess sieht so aus, dass ich auf der Basis einer bestimmten Idee einen Aktienscreen konstruiere, dessen Parameter ich solange ändere bis ich auf etwa 40 Werte komme. Diese sehe mir der Reihe nach an, wobei ich die meisten Werte nach wenigen Sekunden verwerfe. Übersteht der Wert die erste Begutachtung, schaue ich mir den letzten Geschäftsbericht an, auf dessen Basis ich meine Investitionsentscheidung treffe. Im Erfolgsfall bleiben etwa ein bis zwei Werte bestehen in die ich investiere.

Leider wird es mit dem fortschreitenden Bullenmarkt immer schwerer niedrige bewertete Aktien zu finden. Daher weiche ich zunehmend auf andere Anlagestile aus. Wenn man sich vor Augen hält dass Qualitätsaktien ihre beste Performanz in Rezessionen haben und Value Aktien im jungen Bullenmarkt macht es vielleicht auch Sinn eine Strategie- bzw. Faktorrotation zu betreiben. Andererseits Deep Value ist niemals zu hoch bewertet, Deep Value stirbt im Bullenmarkt einfach aus.

Unabhängig von der inhaltlichen Aktienauswahl  habe ich mir einige formale Regeln zurecht gelegt:

  1. Um den Einfluss von Währungsschwankungen zu begrenzen und gleichzeitig eine möglichst gute Diversifikation zu erreichen strebe ich an um 40% meines Depots in nicht Euroländern zu investieren. Die Auswahl der Währungen erfolgt bottom-up. Das heißt ich investiere dort wo ich passende Aktien finde und stelle Makroöknomische Überlegungen in den Hintergrund.
  2. Ich investiere in 20 bis 25 Titel. Das ist für mich der beste Kompromiss aus Diversifikation und Zeitaufwand.
  3. Hat eine einzelne Aktie mehr als 10% Depotgewicht wird der Anteil reduziert. Das Gewicht mit der ich eine Position eröffne beträgt 5% oder weniger wenn nicht ausreichend Liquidität vorhanden ist. Ich strebe an, dass alle Positionen möglichst ähnliches Gewicht haben.
  4. Pro Monat sollte es etwa einen Verkauf und einen Kauf geben. Durch diese Weise versuche ich den Turn-Over zu begrenzen.
  5. Es wird angestrebt 10% des Depots in Cash zu halten.
  6. Finde ich Aktien mit attraktiver impliziten Volatilität schreibe ich ATM Puts die mit dem Bargeldbestand gedeckt sind.
  7. Ist die implizite Volatität generell niedrig investiere ich 2-4% des Depots in langlaufende ATM Calls.
  8. Es ist zulässig Aktien leerzuverkaufen.

Aber nun zu den Zahlen:

Depot am 31.08.2015:

Depot_30_07_2017

Depot 31.07.2017:

Depot_01_09_2015

Die Performanz in unterschiedlichen Zeiträumen:

Performanztabelle

Die Performanz für den jeweiligen Zeitraum entspricht dem internen Zinsfuß nach eigener Berechnung. Die Volatilität und Sharpe Ratio habe ich aus dem entsprechenden Report meines Brokers entnommen. Die Angaben zur Benchmark habe ich ebenfalls aus dem entsprechenden Report. Da die Performanz nach einer anderer Methode berechnet wird ist, die Performanz der Benchmark nicht mit dem internen Zinsfuß des Depots vergleichbar. Allerding zeigt der Vergleich die allgemeinen Tendenzen.

Neben dem Vergleichszeitraum und den Zeitraum seit Beginn meines Aktienengagements habe drei weitere Zeiträume ausgewertet, die durch unterschiedliche Strategien geprägt waren. Die Sturm und Drang Phase umfasst den Zeitraum in dem ich noch wenig Investmenterfahrung hatte. Typisch waren einfache KGV-Strategien und so landeten Werte wie EON und Commerzbank in meinem Depot. Was meine Performanz rettete waren kleine Werte wie KWG und Travel Viva. Da sich die Märkte in dieser Phase von dem Wiederaufflackern der Euro-Kreise 2011 erholten konnten sowohl der Gesamtmarkt als auch mein Depot hohe Zuwächse erzielen. Insgesamt spiegelte mein Depot die Performanz des Gesamtmarkts erstaunlich exakt wieder. Es gelang mir nicht mich positiv oder negativ gegenüber diesem abzusetzen.

Angeregt von den Erfahrungen aus meinen Anfänger Jahren versuchte ich in der darauffolgenden Phase an mich stärker vom Gesamtmarkt zu differenzieren und investierte verstärkt in Nebenwerte und probierte es mit verschiedene Optionsstrategien. Und damit fiel ich auf die Nase. In dem Zeitraum von 28.02.2014-31.10.2015 erlitt ich mit ALBEMARLE & BOND HOLDINGS und Mox Telekom zwei Insolvenzen, wodurch ich stark gegenüber meiner Benchmark zurückfiel. Ich sah mich gezwungen die Lehre aus meinen Erlebnissen zu ziehen und nach Wegen zu suchen das Risiko in meinem Depot zu reduzieren.

Mit den neuen Einsichten ausgestattet begann damit die dritte Phase, die vor allem dadurch geprägt ist, dass ich meinen Investments gegenüber deutlich anspruchsvoller geworden bin. Während mir in früheren Zeiten schon relativ oberflächliche Überlegungen ausgereicht haben, um ein Wert ins Depot zu legen, möchte ich heute ein genaueres Verständnis dafür haben, warum ein Titel nicht zu seinem Fairen Wert gehandelt wird. Es wäre sicher erfreulich, wenn ich die Performanz der letzten zwei Jahre halten könnte. Allerding hatte ich in dieser Zeit auch sehr viel Rückenwind erhalten. POLYTEC HOLDING AG legte eine Entwicklung hin mit der niemand rechnen konnte und den Aktionären von ZAPF CREATION AG wurde wenige Tagen nachdem ich eingestiegen bin ein Buy-Out angeboten, was zur Neubewertung dieses Titels führte und nur zwei günstige Begebenheiten zu nennen.

Ich hoffe dieser Abriss meiner Strategie und meiner Investmentbiographie konnte dem geneigtem Leser zu neuen Einsichten verhelfen oder zumindest eine gute Unterhaltung bieten.

Rationalität und Empathie

Juni 15, 2017

Rationalität hat mit unter einen äußerst schlechten Ruf. Mit ihr werden Kaltherzigkeit und fehlendes Einfühlungsvermögen assoziiert. Im Folgenden werde ich der Frage nachgehen auf welche Weise sich Rationalität und Empathie wirklich beeinflussen.

Rationalität ist das Charakteristikum einer Person, die ihr Denken und Handeln an nachvollziehbaren und faktenbasierten Kriterien ausrichtet. Abhängig von dem Bereich über den gedacht oder in dem gehandelt wird, kann Rationalität Unterschiedliches bedeuten. Wichtig ist etwa die Zweckrationalität. Die ist verwirklicht, wenn die verwendeten Mittel dazu geeignet und angemessen sind, ein gefasstes Ziel zu erreichen. Zweckrationalität bedient sich insbesondere den Kenntnissen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Eine andere Form von Rationalität ist z.B. die Fähigkeit, Überzeugungen in sich schlüssig und für andere nachvollziehbar zu entwickeln.

Empathie bezeichnet ein Spektrum von Fähigkeiten, die einem helfen sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Man unterscheidet zwischen der emotionalen und der kognitiven Empathie. Emotionale Empathie lässt einen das gleiche empfinden, wie ein anderer, umfasst also Mitleiden und Mitfreuen. Kognitive Empathie ist die Fähigkeit Vermutungen darüber anzustellen, was andere Denken, Fühlen oder Wissen. Ein Standardbeispiel für Kognitive Empathie sind „False-Belief“-Aufgaben. Z.B. wird einem Kind in Anwesenheit einer Person, nennen wir sie A, gezeigt, dass ein Gegenstand in einer ersten Box liegt. Dann Verlässt A den Raum und der Gegenstand wird von der Box in eine andere gelegt. Ist die kognitive Empathie des Kindes weitgenug entwickelt, weiß es, dass A den Gegenstand immer noch in der ersten Box vermutet.

Studien zu der Frage, wie sich Rationalität und Empathie gegenseitig beeinflussen, kommen tatsächlich zu dem Ergebnis, das Menschen nicht gleichzeitig emphatisch und analytisch handeln können. Es hat sich gezeigt, dass wenn Menschen mit Aufgaben beschäftig sind, die analytisches Nachdenken erfordert, der Teil des Gehirns gehemmt wird, der mit Empathie im Zusammenhang steht und umgekehrt. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass bei Menschen je nachdem ob sie bevorzugt emotionale Empathie oder kognitive Empathie verwenden, unterschiedliche Regionen im Gehirn stärker ausgeprägt sind. Dieses Ergebnis legt nahe, dass die Fähigkeit zu den Unterschiedlichen Arten von Empathie davon abhängt wie stark wir sie verwenden. Also auch die Gefahr besteht, dass diese Fähigkeiten abnehmen, wenn sie nicht oft genug verwendet werden.

Andererseits zeigt sich jedoch auch, dass Empathie von analytischen Fähigkeiten Profitieren kann. Menschen, die eher bereit sind ihren ersten Eindruck zu hinterfragen, schneiden besser dabei ab, die Emotionen anderer zu erfassen.

Meines Erachtens passen die Ergebnisse dieser Studien gut zu dem Alltagsempfinden. Menschen tendieren sehr stark dazu entweder einen emotionalen oder einen rationalen Zugang zu Welt zu haben. Andererseits gehen Defizite im analytischen Denken oft mit Schwierigkeiten einher sich in andere Menschen hineinversetzten zu können.

Um unser Leben bewältigen zu können benötigen wie sowohl gutes rationales Denken als auch gutes Einfühlungsvermögen. Da sich Rationalität und Empathie gegenseitig behindern können ist es wichtig sich bewusst zu sein, wann welche Fähigkeiten benötigt werden und der Neigungen entgegenzuarbeiten, sich nur auf ein bestimmtes Skill-Set zu verlassen. Menschen mit einem bevorzugt rationalen Zugang zur Welt würden stark davon profitieren sich mehr darum zu bemühen, was in anderen vorgeht und Menschen mit einen bevorzugt emotionalen davon ihre Intuition häufiger zu hinterfragen. Auf diese Weise kann man zu einer vollständigen Sicht auf die Welt kommen.

Entnahmestrategien

April 25, 2017

Was heißt es eigentlich für seine finanzielle Strategie, wenn man nach Jahren des Sparens seine finanziellen Ziele erreicht hat, also über genügend Vermögen zu besitzen um daraus ein passives Einkommen in gewünschter Höhe zu erzielen? Eines ist sicher die Anlageziele ändern sich. War es in der Ansparphase am wichtigsten eine hohe Rendite zu erzielen, steht nun der Kapitalerhalt und regelmäßiges Einkommen im Vordergrund. Das kann nicht ohne Auswirkungen auf den Anlagemix bleiben. Dazu einige Denkanstöße.

In der Ansparphase konnte es einen relativ egal sein, wie sehr der Wert des Vermögens schwankt. In diesem Zeitraum hat man die Mittel um Schwächephasen auszusitzen, was Aktien zum idealen Anlagevehikel macht. Diese haben perspektivisch eine hohe Rendite, aber man weiß nicht über welchen Zeitraum sich diese realisiert. Die Märkte können über Jahre seitwärts verlaufen oder sinken. Da man in der Ansparphase nicht auf das Vermögen angewiesen ist, trifft einen dieser Nachteil weniger.

In der Entnahmephase gilt das nicht mehr. Da man laufend Geld aus seinem Vermögen entnimmt, würde eine Phase ohne Gewinne dieses dezimieren. Andererseits ist man auch nicht mehr auf hohe Renditen angewiesen. In anderen Worten, es ist wichtiger, dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Mindestrendite erzielt, als dass man die Change auf eine deutlich höhere Rendite behält. Es bietet sich anscheinend an von Aktien in andere Anlagen umzuschichten.

Der klassische Weg wäre in der Entnahmephase von Aktien in festverzinsliche Wertpapiere umzuschichten. Diese haben zwar den Vorteil ein verlässliches Einkommen zu bieten, aber in Zeiten der finanziellen Repression bräuchte man ein gigantisches Vermögen, um mit festverzinslichen Wertpapieren ein ausreichendes Einkommen zu erreichen. Weicht man in Anleihen in Fremdwährungen aus, riskiert man durch eine Aufwertung der Heimatwährung massive Einbußen hinnehmen zu müssen. Hinzu kommt, dass festverzinsliche Wertpapiere stärker von Inflation betroffen sind und daher auf der Sicht von Jahrzehnten ähnlich riskant wie Aktien sind.

Ein ähnlicher Weg, wie festverzinsliche Wertpapiere stellt die Investition in Immobilien dar. Sie bieten etwas höher Renditen als festverzinsliche Anlagen und schützen besser vor Inflation. Stellen sie also das ideale Anlagevehikel in der Entnahmephase dar? Leider nicht, denn Immobilien haben als Anlageobjekt eine unhandliche Größe. Selbst wenn man ein großes Vermögen hat, wird man nicht mehr als eine Hand voll Objekte besitzen. Will man besser diversifizieren ist man gezwungen die Objekte zu beleihen. Aber auch dann wird man in Immobilien in seiner näheren Umgebung investieren, so dass man davon abhängt wie sich in der eigenen Region die Mieten entwickeln. Mit Immobilien ist man unterdiversifizieren, der eigene Anlageerfolg hängt nur wenig mit dem Anlageerfolg des durchschnittlichen Immobileninvestors zusammen.

Sind am Ende Aktien verhältnismäßig doch nicht so schlecht? Zwar ist es schwer vorherzusagen, wie sich die Märkte entwickeln, dennoch gibt es Strategien die darauf abzielen aus einem Aktiendepot ein regelmäßiges Einkommen zu beziehen. Am einfachsten nachzuvollziehen ist die Dividendenstrategie. Hier geht man davon aus, dass die Mittel, die die Unternehmen ausschütten, dem entsprechen was man konservativ geschätzt verkonsumieren darf ohne das Vermögen anzugreifen. So plausibel wie das zunächst klingen mag, der Dividendenstrategie zu folgen, heißt nichts anderes als sein finanzielles Wohlergehen von der Kompetenz und Integrität anderer abhängig zu machen.

In den heutigen Tagen ist Dividendenrendite so hoch begehrt, dass es den Managern möglich ist die Aktienkurse nach oben zu treiben in dem sie einfach höhere Dividenden ausschütten. Mitunter wird daher die Dividende auf ein Niveau gehoben, das nicht nachhaltig ist, wie die Aktionäre Stonemores schmerzhaft erfahren mussten. Gibt man sich nur mit der durchschnittlichen Dividende aller Aktien zufrieden kann man nur mit 2-3% rechnen. Wenn man nicht bevorzugt auf dividendenstarke Aktien setzt, braucht mal also nach mit der Dividendenstrategie deutlich mehr Vermögen als mit einer Strategie, die die gesamte Ertragskraft des Aktienvermögens berücksichtigt.

Eine weiter Strategie, die sich großer Beliebtheit erfreut ist die 4%-Regel. Hier wird am Beginn der Auszahlungsphase der Betrag bestimmt, der 4% des Vermögens entspricht. Dieser Betrag wird dann Jahr für Jahr dem Vermögen entnommen. Der einmal gewählte Betrag ist fix und wird nicht den Schwenkungen des Vermögens angepasst. Die 4%-Regel geht auf eine Studie zurück, die den höchsten Betrag bestimmt hat, den man jährlich einem Depot entnehmen kann ohne in den folgenden 30 Jahren das Depot aufbrauchen. Es wurde von einem Depot ausgegangen, dass hälftig aus Aktien und Anleihen besteht. Untersucht wurden alle 30 Jahresperioden von 1925 und 1995. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass eben jene 4% ausreichend niedrig sind.

Das größte Problem der 4%-Regel ist, dass sie sich allein aus den Entwicklungen in der Vergangenheit ableitet. Die Welt von heute unterscheidet sich in einigen Punkten von der die wir zwischen 1925 und 1995 kennengelernt haben. Festverzinsliche Wertpapiere werfen keine Rendite mehr ab und Aktien sind relativ hoch bewertet. Es ist also fraglich ob ein Anteil von 50% festverzinslicher Wertpapiere sonderlich viel Sinn macht und ob man überhaupt noch mit 4% realer Rendite rechnen kann.

Will man auch in der Entnahmephase an Aktien festhalten, ist man also gezwungen die Entnahmerate dynamisch an die zu erwartende Rendite anzupassen. Dazu muss man sich eine Vorstellung bilden welche Ertrag man konservativ von Aktien langfristig erwartet. Diesen Betrag bereinigt um die Inflation und abzüglich eines Sicherheitspuffers entnimmt man nun den Aktiendepot. Jedes Jahr passt man den Betrag erneut an. Der Betrag wird typischerweise schwanken, sodass man gezwungen ist seinen Konsum entsprechend anzupassen. Die Schwankungen werden jedoch weniger heftig ausfallen, als die Schwankungen des Gesamtmarkts. Denn diese sind vor allem darauf zurückzuführen sind, dass sich die Einschätzung ändert wie hoch ein bestimmter Gewinn bewertet werden sollte, wie hoch das angemessene KGV oder eine vergleichbare Kennzahl ist. Andererseits wird der Ertrag in einer Rezession stark einbrechen, sodass man auf eine Reserve in schwankungsarmen Anlagen angewiesen ist, um Schwächephasen zu überstehen.

Eine weitere Möglichkeit den Ertrag von Aktien zu glätten bieten Optionen. Optionen sind dazu gemacht Chancen und Risiken neu zu verteilen. In der Entnahmephase kann man prinzipiell zum großen Teil auf die Chancen verzichten. Hier die Erwartungen um 20% zu schlagen ist zwar angenehm, viel wichtiger ist hingegen dass man nicht zu sehr hinter den Erwartungen zurückliegt. Optionen erlauben es seine Chancen gegen regelmäßige Einkommen zu tauschen, die entsprechende Strategie ist der Verkauf von Call-Optionen. Anderseits ist es auch möglich sich durch den Erwerb von Put-Optionen sich gegen starke Einbrüche Abzusichern. Kombiniert man beide Vorgehensweisen ergeben sich sogenannte „Collar“-Stategien. Die Nachteile, Optionen zur Glättung der Erträge zu verwenden, liegen in dem hohen Zeitaufwand, der damit verbunden ist und die Unsicherheit, ob und wieweit die langfristigen Erträge damit geschmälert werden.

Wie unser kurzer Abriss der unterschiedlichen Instrumente und Strategien gezeigt hat, ist die Aufgabe Vermögen in regelmäßiges Einkommen zu verwandeln alles andere als trivial. In Zeiten der finanziellen Repression ist es nicht mehr möglich eine einfache Regel ohne Nachdenken zu befolgen und damit sicher über die Runden zu kommen. Gerade die Instrumente die am ehesten Erfolg verheißen — Imobilien, Aktien und Optionen — setzten solide Kenntnisse der Materie voraus, die man sich schon beim Aufbau des Vermögens aneignen muss. Wie zehren in der Entnahmephase nicht nur von unserem Kapital, sondern auch von den Wissen, das wir uns in der Aufbauphase angeeignet haben.

Ein Tag im Park

Oktober 17, 2013

Eine Freundin von mir hat mich auf den sehr guten Comic-Strip „a Day at the Park“ aufmerksam gemacht. In dem Comic werden zwei Lebensauffassungen gegenübergestellt, die einen interessanten Kontrast ergeben. Die Handlung besteht eigentlich nur einem einzigen Dialog von zwei Protagonisten, die sich zufällig auf einer Bank in einem Park begegnen und ins Gespräch kommen. Es stellt sich heraus, dass das beide eine Leidenschaft für das Sammeln haben, allerdings sammeln sie gegenteilige Dinge: Während der eine Fragen sammelt, sammelt der andere Antworten. Da dies jeweils auf das Unverständnis ihres Gegenübers trifft, entbrennt eine Diskussion über den Wert von Fragen und Antworten.

Der die Fragen sammelt führt an, dass sich das ganze Universum laufend ändert und Fragen an diesen Veränderungen teilhaben, ihr Wert kann dadurch sogar steigen. Antworten hingegen veralten und ihr Wert kann nur fallen. Der die Antworten sammelt erwidert, dass Fragen irgendwann auf Antworten treffen und dann selten etwas von ihnen übrig bleiben. An dieser Stelle fühlt sich der Fragen sammelnde gezwungen zuzugeben, dass auch er Antworten sammelt, ohne Antworten könnte man keine Entscheidungen treffen und wäre nicht fähig zu handeln. Aber er sehe keinen Grund Antworten wertzuschätzen, denn es kommt die Zeit an der die Antworten die Fragen nicht mehr richtig bedienen und sie fortgeschickt werden sollten. Eine falsche Antwort könne einen daran hindern zu den richtigen Fragen zurück zu kehren. Personen, denen die Frage fehlt, zu der sie zurück kehren können, neigen dazu sich mit starken Überzeugungen zu verteidigen. Daher ist er bei den großen Antworten, die schon da waren bevor wir gekommen sind, besonders vorsichtig. Sie verschaffen sich gewaltsam Eintritt und wir akzeptieren sie, weil sie die Fragen vieler andere beantworten. Er bevorzugt Antworten, die seinen eigenen Fragen entsprungen sind. Sie  verletzen seine Fragen nicht und lassen sich ohne Probleme wieder entfernen.

Nach einigem hin und her kommen sie schließlich auf die Bedeutung hinter den Fragen und Antworten zu sprechen. Der Fragen sammelnde vermutet, dass es die Abwesenheit der Bedeutung ist, die allem die Chance lässt Bedeutung zu haben und dass alle Antworten zu besitzen sei wie nach dem Ende aller Bedeutung zu verlangen. Die Fragen, die meisten wert sind gefragt zu werden, seien nicht dazu da beantwortet zu werden, denn definitive Antworten auf solche Fragen würden uns unserer Freiheit berauben zu entscheiden was  wertvoll ist und was nicht und für diese Entscheidungen verantwortlich zu sein. Um unendliches Potential aufrecht zu erhalten, darf man niemals vollständig sein.

Der die Antworten sammelt, fühlt sich von diesen Ausführungen sehr angegriffen. Er fragt den anderen, ob diese Rede nur ein umständlicher Weg sei, ihm zu sagen, dass er Müll sammle. Bevor er Wut entbrannt verschwindet, stellt er seinem Gegenüber ein letzte Frage: „Wenn ‚wertlose‘ Antworten das einzige sind, das zu Handlungen führt, das einzige das Dinge geschehen macht, was ist die eigentliche Verwendung für deine geschätzten Fragen?“

Der die Fragen sammelt ist alles andere als von dieser Frage getroffen. Im Gegenteil er freut sich wieder eine Frage gefunden zu haben, die es wert ist aufbewahrt zu werden.

Ich finde die Anekdote interessant, weil sie einen dazu bringt, darüber nachzudenken, auf welche Weise wir unser Leben betrachten. Durch die beiden Protagonisten werden zwei Sichtweisen charakterisiert und man fühlt sich aufgefordert zu überlegen welcher man am ehesten zustimmt. Dabei ist das Thema der Unterhaltung so abstrakt und wage, dass sich noch nicht einmal eindeutig sagen lässt worum es bei ihr eigentlich ging. Vordergründig geht es um die Frage, ob man eher Fragen oder Antworten aufbewahren sollte. Da sich nicht ohne weiteres sagen lässt, was das Aufbewahren von Fragen bzw. Antworten konkret bedeuten soll, muss man überlegen welche Lebenseinstellung sich eigentlich dahinter verbirgt.

Beide Protagonisten stimmen darin überein, dass es die Antworten sind, die erst Handlungen und Entscheidungen ermöglichen. Mit Antworten sind also nicht Antworten aus dem Bereich des Wissens, Lösungen von Rätseln, sondern unsere Handlungsgründe gemeint. Das ist die Perspektive aus der ich die sehr vielschichtige Geschichte analysiere.

 Fragen aufzubewahren, heißt in diesem Kontext nichts anderes als sich die Möglichkeit offen zu halten, die gegebenen Antworten nochmal zu revidieren. Für diese Einstellung spricht, dass sie es erlaubt auf falsche Urteile zu reagieren und sich nochmal umzuentscheiden. Eine derartige Flexibilität muss aktiv aufrechterhalten werden. Der eine Protagonist berichtet von seinem Kampf gegen die großen Antworten, die sich ungefragt einschleichen könnten. Gemeint ist meines Erachtens die Konventionalität. Es ist einfach dem zuzustimmen, dass alle für wahr halten. Sich die Fragen aufzubewahren, läuft also darauf hinaus auch das scheinbar naheliegende zu hinterfragen. Daraus ergibt sich eine offene Haltung, die in der Schlusspointe sehr schön Illustriert wird. Selbst ein Angriff auf grundlegende Überzeugungen, wird nicht Gefahr wahrgenommen, sondern als eine Position, die ihre Berechtigung hat und berücksichtigt werden muss. Der Protagonist, der die Fragen aufbewahrt, erhebt ferner den Anspruch selbst zu entscheiden, was von Bedeutung ist und lässt sich hier keine Vorgaben machen. Geht also die Haltung sich alle Möglichkeiten offen zu halten, mit Selbstbestimmung einher?

Im Umkehrschluss heißt Antworten aufzubewahren, dass man an einmal getroffenen Entscheidungen festhält und an Glaubenssetzten auch dann festhält, wenn die Fakten zeitweise dagegen sprechen. Die Argumente die uns der Comic für diese Position gibt, sind leider etwas knapp. Der Protagonist der von dieser Position eingenommen ist, beansprucht wenig Redezeit, wird emotional und macht insgesamt keine gute Figur. Das wichtigste Argument wird in der letzen Frage nur angedeutet, aber nicht wirklich erklärt. „Wenn ‚wertlose‘ Antworten das einzige sind, das zu Handlungen führt, das einzige das Dinge geschehen macht, was ist die eigentliche Verwendung für deine geschätzten Fragen?“, In anderen Worten nur auf den Fragen zu beharren und nie eine Antwort zu geben, führt nur ins Nichts.

Man kann es sich nicht aussuchen keine Antworten zu sammeln.  Jeden Tag bietet das Leben unzählige Optionen, sich für bestimmte zu entscheiden heißt genauso sich gegen andere zu entscheiden, aber die einmal getroffene Entscheidung lässt sich nicht mehr revidieren. Wenn wir versuchen uns der endgültigen Entscheidung zu entziehen, läuft dass in vielen Fällen darauf hinaus unsere Chancen ungenutzt verstreichen zu lassen. Wenn wir uns nicht festlegen können welchen Beruf wir ergreifen, werden Jahre unseres Lebens ohne Weiterkommen an uns vorüberziehen. Wenn wir uns nicht entscheiden können wen wir heiraten, heißt das nie zu heiraten und nie eine Familie zu gründen. Wenn wir zu derartigen Entscheidungen nicht in der Lage sind, sind wir nicht selbstbestimmt, sondern werden von unseren Ängsten bestimmt, etwas zu verpassen.

Der eine Protagonist postuliert, dass um unendliches Potential aufrecht zu erhalten, man niemals vollständig sein dürfe. Die Tatsache ist jedoch, dass der Mensch kein unendliches Potential hat, er ist endlich. Wegen dieser Endlichkeit müssen wir unser Potential auch nutzen, bevor es verrinnt. Wenn ich also überlege welcher Haltung ich eher zustimme komme ich zu dem Schluss, dass Autonomie, Unkonventionalität und Reflexion zwar wichtige Tugenden sind, die das Leben lebenswerter machen, aber man sollte ihretwillen nicht die Augen vor der eignen Begrenztheit verschließen, sondern mit Mut auch endgültige Entscheidungen treffen.

Investmentartikel und Blogs

Februar 18, 2013

Heute habe ich einen meiner Artikel nicht hier sondern auf Stefans Simple Value Investing als Gastartikel veröffentlicht. In dem Artikel geht es weniger um die Freiheit der Gesellschaft und des Einzelnen sondern ganz bodenständig darum, wie man es auf kluge Weise schafft das eigene Vermögen zu mehren. Da ich den Schwerpunkt von Freiheit und Optimismus nicht verwässern will, habe ich mich entschieden, den Artikel andernorts unterzubringen. Für den Fall einige Leser Interesse an Investmentfragen haben, wurde die Blogroll um meine Lieblingsblogs aus dem Bereich erweitert. Es handelt sich neben den bereits erwähnten http://simple-value-investing.de um http://www.timschaefermedia.com/ und http://valueandopportunity.com/ Viel Vergnügen.

Mimi & Eunice

November 12, 2012

Ich habe kürzlich die Mimi & Eunice – Comics von Nina Paley kennen gelernt. Die sind nicht nur lehrreich und sympathisch, sondern dürfen darüber hinaus frei verwendet werden. Wenn es also einen passenden Comic-Strip für einen Artikel gibt, werde ich jeden neuen Artikel damit illustrieren.

Was hinter Weihnachten steht

Dezember 26, 2010

Weihnachten ist das Fest, das in der westlichen Gesellschaft den größten Stellenwert besitzt. Für kein anderes Fest werden derartige Vorbereitungen getroffen, kein anderes dominiert derart den Alltag und das schon in der Vorweihnachtszeit. Das seltsame daran ist, dass Weihnachten seine eigentliche Bedeutung aus einer christlichen Tradition bezieht die mit der zunehmenden Säkularisierung ihre Deutungshoheit verliert. Es stellt sich daher die Frage, ob die Menschen eigentlich noch Zugang zu dem haben, was hinter Weihnachten steht. Darum werde ich darlegen worin aus meiner Perspektive, der eines Atheisten mit starken christlichen Wurzeln, die Bedeutung des Weihnachtsfests besteht.

Das Bedürfnis nach Religion ist das Bedürfnis mit der Ordnung der Welt in Harmonie zu leben. Je nach religiöser Tradition unterscheiden sich die Vorstellungen darüber, was die Ordnung der Welt hervorbringt. In den östlichen Traditionen ist das das unpersönliche Dharma, in den westlichen ist die Ordnung der Welt eine Schöpfung Gottes. Es geht in den westlichen Religionen daher primär um die Beziehung zu Gott. Bei dem Versuch eine Beziehung zu Gott zu etablieren stoßen die Religionen auf ein unüberwindliches Hindernis, die Transzendenz.

Transzendent ist all das, was die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt. Unsere gesamt Wahrnehmungswelt ist auf das gerichtet, das ein Gegenstand der Welt ist. Jedes Objekt das wir erfassen ist notwendigerweise ein Teil der Welt. Aber die Macht, die die Welt erst gesetzt hat, kann selbst kein Gegenstand sein, der der Welt angehört. Wir können Gott mit unserer Wahrnehmung nicht fassen. Das ist das Problem an der jede Religion scheitern müsste. Meines Erachtens ist das Christentum die einzige Religion, die dieses Problem in seiner Radikalität annimmt und eine ebenso radikale Antwort darauf findet.

Die Antwort des Christentums besteht in dem Wunder das Gott Mensch geworden ist. Die Spanne zwischen Innenweltlichkeit und Transzendenz kann nicht vom Menschen überwunden werden, sie wird durch die Initiative Gottes überwunden. Diese Wunder ist schwer zu akzeptieren, es war den Griechen eine Torheit und den Juden ein Ärgernis, sprich es ist rational gesehen gänzlich unplausibel und widersprach der dagewesenen Orthodoxie, die sich vom Messias einen politischen Führer erhofft hatte.

Kierkegaard schaffte es meiner Meinung nach sehr gut die Ungeheuerlichkeit des Christentums zu verdeutlichen. Er verglich die Situation des Menschen mit der eines einfachen Bauern zu dem eines Tages der König selbst kommt und ihm verspricht ihn  zu seinem Erben zu machen. Für den einfachen Bauern ist das Ereignis so unwahrscheinlich, dass er es nicht zu glauben vermag.

Die Zuwendung des Erhabenen zum Niedrigen ist das eigentliche Thema des Christentums. Sie besteht nicht nur darin das Gott Mensch geworden ist. Jesus sagt zu seinen Gläubigen folgt mit nach. Das heißt der Christ ist dazu aufgerufen die Zuwendung des Erhabenen zum Niedrigen nachzuvollziehen. In der alltäglichen Praxis geschieht dies in der Nächstenliebe, die im Christentum einen besonders hohen Stellenwert hat. Aus dieser Perspektive ist es auch nur konsequent das Christus nicht als politischer Führer aufgetreten ist.

An Weihnachten feiern wir die Geburt Christi. Welche Bedeutung das für einen gläubigen Menschen haben muss, habe ich versucht in dem vorstehenden Beitrag deutlich zu machen. Diesen und allen anderen Lesern wünsche ich ein frohes Fest und besinnliche Tage.