Der Josephspfennig und seine Verspätung

In dieser von Währungskrisen geschüttelten Zeit ist die Anekdote vom Josephspfennig populär geworden.  Die Überlegung die dahinter steht ist folgende: Angenommen zu der Zeit Jesu hätte jemand einen Pfennig für 5% angelegt, dann wäre sein Vermögen im Laufe der Jahrhunderte auf gigantische 10 hoch 40 Euro angewachsen. Nimmt man zum Vergleich das weltweite Vermögen so findet man heute 10 hoch 14 in Worten einhundert Billionen Euro vor. Aus diesem Missverhältnis werden verschiedene Schlussfolgerungen gezogen.

Die sogenannten Zinskritiker argumentieren, dass es regelmäßig zu Krisen und Währungsreformen kommen muss, die das Geldvermögen immer wieder auf Null setzen, um derartige Übertreibungen zu verhindern. Da es unmöglich ist, die enormen Beträge zusammen zu tragen, müssen derartige Katastrophen jedem System immanent sein, dass das Zinsnehmen zulässt. Der Versuch den Zusammenbruch zu verhindern führe zu einem sogenannten Wachstumszwang und damit verbunden zu Umweltverschmutzung, Konsumterror usw.

Die Gegner der Zinskritiker weisen diese Argumentation zurück, ihnen zufolge werden die astronomischen Summen nicht erreicht, da es immer jemanden geben muss, der diese auch zahlt. Schulden würden nur aufgenommen, wenn es sich für den Schuldner lohnt. Die Zinskritiker verwechselten Ursache und Wirkung. Die Vermögen wachsen, weil sie es können, nicht weil der Zins das erzwingt. Verschätzen sich die individuellen Marktteilnehmer, gehen sie Bankrott und der Geldverleiher verliert sein Vermögen. Die Existenz des Zinses macht Krisen also mit Nichten unausweichlich.

So weit haben die Gegner der Zinskritiker recht, nur bleibt das Rätsel des  Josephspfennig damit noch ungelöst. Wenn der Kapitalstock jedes Jahr um 5% wächst, warum verfügen wir nicht über einen Kapitalstock in astronomischer Höhe? Wenn man annimmt, dass auch nach Abzug der Risikovorsorge ein Zinsüberschuss bleibt, müsste das exponentielle Wachstum des Kapitals im Laufe der Menschheitsgeschichte zu schier unglaublichen Vermögenssummen geführt haben. Nur ist von diesen kaum etwas zu sehen, zumindest nicht in der Höhe die der Josephspfennig nahe legt.

Die eigentliche Lösung des Rätsels ist nicht, dass das Vermögen immer wieder vernichtet wird. Das Kapital über das die Menschheit verfügt, ist allen Katastrophen zum Trotz recht stetig gewachsen. Natürlich gab es häufig Krisen, die viel Kapital vernichtet haben (oder besser aufgedeckt haben, dass Kapital nicht so werthaltig ist wie man dachte). Aber nach jeder Krise blieb mehr Kapital als nach der vorhergehenden. Selbst Kriege machen nur eine kleine Delle im langfristigen Wachstumstrend aus. Die eigentliche Lösung ist, dass bisher die Zeit gefehlt hat um astronomische Vermögen aufzubauen.

Wir müssen daran denken, dass zu Jesu Zeiten kaum jemand bereit gewesen wäre Geld für produktive Zwecke auszuleihen. Damals bestand Vermögen vor allem aus Ackerland, etwas anderes ist für eine agrarisch geprägt Gesellschaft kaum vorstellbar. Kapital im heutigen Sinne wurde nur von Handelsreisenden gebildet, aber hier war der Kapitalbedarf begrenzt.

Diese Situation hat sich erst im Frühkapitalismus geändert. Mit dem Ausbau des Fernhandels wuchs der Kapitalbedarf und neue es entstanden kapitalintensive Produktionsweisen wie beim Übergang vom Verlagswesen zur Manufaktur. Immer mehr Menschen verließen die Subsistenzwirtschaft und wurden Teil der arbeitsteiligen Wirtschaft. Erst ab diesen Zeitpunkt wurde es interessant betriebliches Kapital anzusammeln, erst jetzt konnten Privatpersonen mit beträchtlichen Vermögen, wie die Fugger, auftreten.

Durch den verkürzten Zeitspann ändert sich auch unser Zahlenspiel, der Josephspfennig 1500 angelegt wächst nur noch auf knapp 200 Millionen Euro. Oder ziehen wir ein realistischeres Beispiel zu rate. Jakob Fugger hinterließ 1525 ein Vermögen von 2 Millionen Gulden, was heute 125 Millionen Euro entspricht. Verglichen mit dem Vermögen der heutigen Spitzenreichen, wie Bill Gates mit 50 Milliarden, mag das moderat erscheinen. Man muss sich jedoch verdeutlichen, dass das etwa 10% der Wirtschaftsleistung des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation ausmachte, während ein Bill Gates nur über 0,5% der Wirtschaftsleistung der USA verfügt. Seinem Erben Anton Fugger gelang es dieses Vermögen in 40 Jahren zu verdreifachen, was einer durchschnittlichen Rendite von 2,5% entspricht. Schreiben wir diese Rendite bis auf die heutige Zeit fort, würde das Vermögen der Fugger auf 25,4 Billionen Euro wachsen. Dies wäre zwar immer noch sehr viel, aber ist mit dem heutigen Vermögen der Menschheit von 111 Billionen Euro vergleichbar. Wenn es den Fuggern gelungen wäre über einen so langen Zeitraum tatsächlich als Einheitliche Kapitalformation zu bestehen, wäre es durchaus denkbar, das ihr Kapital einen Betrag in dieser Größenordnung erreicht.

Wir sehen also, dass sich das Mysterium des Josephspfennig in Luft auflöst, wenn man realistische Annahmen zu Grunde legt. Dazu gehören, das man nur den Zeitraum betrachtet in dem auch wirklich Kapitalbildung betrieben wurde und man von einem Zinssatz ausgeht, der sich realistischer Weise langfristig erzielen lässt. Das heißt mit ausreichender Risikostreuung und über die booms and busts der Zeiten gemittelt. Eine Katastrophentheorie wie die Zinskritik ist nicht erforderlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ebenso wie die heutige Vermögensfülle für eine Person der Vergangenheit unvorstellbar ist die Vermögensfülle der Zukunft für uns unvorstellbar bleibt.

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Eine Antwort to “Der Josephspfennig und seine Verspätung”

  1. R.A. Says:

    Sehr schön!
    Die Zinskritiker gehen einfach davon aus, daß man jederzeit beliebige Summen deponieren könnte und ein Zinssatz von 5% immer garantiert wäre.
    Dabei zeigt die praktische Erfahrung doch dauernd, daß auch Zinsen aus Angebot und Nachfrage entstehen und deswegen Zinsen sogar negativ sein können.

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