Droht jetzt Hyperinflation?

Mit der Entwicklung in den letzten Wochen ist massiv Vertrauen in den Euro verloren gegangen. Grund genug sich genauer mit den Hintergründen von Inflation zu beschäftigen. Die wichtigsten Ziele, die mit der Inflation verfolgt werden, sind den Konjunkturzyklus zu manipulieren und dem Staat zusätzlich Einnahmen zu beschaffen. Meines Erachtens kann das erste Ziel nicht ohne dauerhafte Schäden erreicht werden. In unserer Situation ist das zweite Ziel jedoch viel wichtiger.

Um zu verstehen wie es zu Inflation und Hyperinflation kommen kann, muss man sich zunächst klar darüber sein, was der Staat als Einnahmen auffasst. Denn anders als private Akteure muss der Staat nicht darauf achten echte Einnahmen von buchhalterischen Fiktionen zu unterscheiden. Die Haftung für solche Fiktionen übernimmt stets der Bürger. Die Folge ist, dass der Staat alle Gelder als Einkommen begreift, die er unmittelbar ausgeben kann. Und der Staat ist dazu gezwungen auszugeben was er nur kann. Das ergibt sich aus dem Informationsproblem.

Anders als den auf dem Markt gehandelten Gütern sieht der Staat den meisten, der von ihm in Anspruch genommenen Leistungen, nicht an, was ihre Erzeugung wert ist. Den Preis, den er zahlen muss, wird von denselben Spitzenbeamten ermittelt, die ein Interesse daran haben ihn möglichst hoch anzusetzen, da dieser ihren eigenen Einflussmöglichkeiten entspricht. Die Beamten auf der höheren Ebene wissen nicht wie sehr sie das Budget kürzen können ohne Leistungseinbußen zu verursachen. Das Problem wiederholt sich auf jeder Hierarchiestufe.

Zu dem Informationsproblem kommt das Bündnisproblem. Jeder Politiker und Spitzenbeamte ist auf einen weiten Kreis von Unterstützern angewiesen, um seine Ziele erreichen zu können. Aussicht eines Ministers gehört natürlich auch die Ministerialbürokratie zu seinem Unterstützerkreis, mit dem er es sich nicht verderben darf. Es ist ihm also nicht möglich diktatorisch Budgetkürzungen durchzusetzen ohne sich selbst ins Aus zu kegeln. Entsprechendes gilt für Leistung von dem Staatsexterne Unterstützer profitieren. Auch hier gilt Hände weg.

Das gesagte gilt nicht nur für bestehende Ausgaben, sondern für auch für Ausgabewünsche, insbesondere wenn Budgetüberschüsse bestehen. Das hat wegen den konjunkturbedingten Schwankungen der Steuern eine fatale Wirkung. In guten Zeiten werden keine Spielräume geschaffen und in schlechten explodiert die Verschuldung. Seit 1950 ist es nicht gelungen Schulden abzubauen. Zu den hausgemachten Problemen kommen die demographischen. Der größte Ausgabenposten im Bundeshaushalt ist der Etat des Sozialministeriums. Dahinter verbergen sich nicht in erster Linie Zuwendungen für sozial Schwache, sondern Zuschüsse zu den Sozialversicherungen. Wegen dem demographischen Wandel wird dieser Posten weiter wachsen, will die Politik ihre Versprechungen einhalten.

Wenn also in den nächsten Jahren nicht etwas absolut neuartiges geschieht, wird der Staat in die Situation kommen, dass an den Märken nicht genügend Geld zur Verfügung steht, um die Ausgaben und das überrollen der alten Schulden (d.h. aufnehmen neuer Schulden um die alten zu begleichen) zu bezahlen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Staat seine alten Schulden für Null und Nichtig erklärt. Für Entwickelte Staaten ist das jedoch sehr unwahrscheinlich, da sie dann viele Privilegien verlieren würden, die darauf beruhen, dass man annimmt, dass sie genau das nicht tun werden. Natürlich wird schon dann dem Staat der Kredit verwehrt, wenn sich abzeichnet dass es mittelfristig zur Überschuldung kommt. Niemand will auf den alten Schulden sitzen bleiben, die dann nicht bedient werden können. Genau das ist mit Griechenland passiert.

Eine Option den Zahlungsausfall zu vermeiden ist es, die Zentralbank die Schulden aufnehmen zu lassen, die nicht mehr am Markt platziert werden können. So wie es die EZB mit den Altschulden einiger Währungsunions-Staaten macht. Die Notenbanken refinanzieren sich, indem sie Bargeld in Umlauf geben oder an Banken verleihen. Um den Kapitalbedarf zu denken, der sich aus der Übernahme der Staatsschulden ergibt, haben sie also zwei Möglichkeiten. Entweder sie erhöhen den Bargeldumlauf und sorgen so für Inflation oder sie schränken die Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken ein. Die zweite Möglichkeit würde schnell zu einer Kreditklemme von historischem Ausmaß führen und kann sogar die Stabilität des Finanzsystems bedrohen. Auch das ist also keine dauerhafte Option.

Bleibt also die Inflation. Macht sich die Zentralbank keine Gedanken um die Kaufkraft, ist der reale Wert der zusätzlich in umlaufgebrachten Geldmenge ihr Gewinn (auch Seigniorage genannt), der verwendet werden kann, um die Staatsausgaben zu finanzieren. Es stellt sich die Frage warum dieses Instrument nicht häufiger eingesetzt wird, um Einnahmen zu generieren. Die Antwort ist, dass die möglichen Einnahmen in keinem Verhältnis zu den Schäden stehen, die eine solche Politik anrichtet. Langfristige Kreditgeschäfte werden hoch riskant. Diejenigen die feste Einkommen beziehen müssen Einbußen hinnehmen usw. Die langanhaltenden Effekte einer Inflationsrate unter 5% beeinflussen das Wirtschaftsgeschehen zwar nur relativ gering, aber mit ihr lassen sich auch nur niedrige Einnahmen erzielen, sodass solide Staaten fast gänzlich darauf verzichten.

Begibt sich der Staat auf den Weg seine Einnahmen durch Geldschöpfung zu erzielen, erreicht er bald ein Punkt ab dem es kein Zurück mehr gibt. Da alle anderen Einnahmen zu Beginn einer Periode eintreffen, die Ausgaben aber in deren Verlauf anfallen, sink mit steigender Inflation die Ergiebigkeit der anderen Einnahmen. Die Seigniorage verdrängt die anderen Einnahmen und bleibt schließlich als einzige übrig.

Natürlich sind auch die Einnahmen die über die Geldschöpfung generiert werden können begrenzt. Es kann nicht mehr an Einkommen errungen werden als die Wirtschaftssubjekte bereit sind, an realen Werten in Bargeld aufzubewahren. Je niedriger das Bedürfnis nach Kassenhaltung ist, desto niedriger fallen auch die Einnahmen aus Seigniorage aus. Da die Kassenhaltung mit steigender Inflation zurückgeht, besteht die Gefahr einer außer Kontrolle geratenen Feedbackloop: Der Staat reagiert auf sinkenden Erträgen mit höheren Inflationsraten, die Wirtschaftssubjekte auf höhere Inflationsraten mit niedrigerer Kassenhaltung, was sinkende Erträge zur Folge hat. Der größte Ertrag, der sich erzielen lässt, ist der, der die Feedbackloop geradeso noch nicht auslöst. Ist sie einmal ausgelöst führt die Feedbackloop zu explodierenden Inflationsraten: Hyperinflation.

Aber es geht noch schlimmer. Der Staat versucht für die Lasten, die sich für die Bevölkerung ergeben, einen Sündenbock zu finden. Dies gelingt ihm meistens recht gut. In der Regel müssen Spekulanten und Wucherer dafür hinhalten. Diese Legenden flankiert der Staat mit Maßnahmen die oberflächlich gesehen, dazu dienen die Inflation einzudämmen. Oft sind das Preiskontrollen. Das Ergebnis dieser Maßnahmen ist natürlich nicht, dass die Hyperinflation beendet wird, denn die ist durch die Geldmenge getrieben, sondern das auf den legalen Märkten keine Güter mehr angeboten werden. Die Situation hatten wir bis vor kurzen in Simbabwe. Dort reagierte die Bevölkerung indem sie aus dem Lang floh.

Der einzige echte Ausweg aus einer Hyperinflation ist eine Währungsreform. Die kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Schulden der alten Währung nur zum Teil in die Neue übernommen werden und sich der Staat somit entschulden kann. Geschieht das nicht, wird der Wert der neuen Währung genauso schnell zerfallen wie der der alten.

Dass die EU den hier gezeichneten Weg bis an sein bitteres Ende geht, halte ich für eher unwahrscheinlich. Aber jeder Versuch ihn zu verlassen ist mit erheblichen Kosten und großen Widerständen verbunden. Wie zahlreich historischen Beispiele zeigen ist der Weg in die Hyperinflation der Weg des geringesten Widerstands.

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3 Antworten to “Droht jetzt Hyperinflation?”

  1. FinanceWhisper Says:

    Eine Entschuldung über eine Währungsreform wäre für die Bürger wohl die schlechteste Alternative, denn so verlieren sie defintiv auch einen Teil ihres eigenen Vermögens. Ich kann mir nicht vorstellen, dass den Wählern das sonderlich gut gefallen wird.

  2. Robert Michel Says:

    @FinanceWhisper: Die Pointe ist das es in der momentanen Situation keine Alternative gibt die nicht den Bürger erheblich belastet. Um ehrlich zu sein, auch ich halte eine Währungsreform von allen Alternativen für die schlechteste. Dem Wähler mag es nicht gefallen, jedoch wird es der Politik sicherlich geling auch die als alternativlos zu verkaufen. So wie die diversen Rettungspakte.

  3. nk Says:

    Wird der Wähler überhaupt gefragt werden (können) ? Die Fakten sind stärker als jeder politische Wille, sie zu verleugnen.

    Allerdings halte ich es für wahrscheinlich dass der Kahn bis zum Zusammenbruch mit immer dubioseren Tricks ‚flott‘ gehalten werden wird. kein Politiker traut sich, den Ernst der Lage zu offenbaren.

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