Archive for Juni 2017

Fundamentales Momentum

Juni 27, 2017

Wenn man versucht an den Aktienmärkten ein möglichst gutes Verhältnis aus Rendite und Risiko für sich zu gewinnen, kommt nicht darum sich mit den Verschiedenen Marktanomalien zu beschäftigen. Neben der Value-Anomalie gehört die Momentum-Anomalie zu den wichtigsten Marktanomalien. Momentum bezeichnet das Phänomen, dass Aktien die in einem bestimmten Zeitraum gut abgeschnitten haben auch im folgenden Zeitraum überdurchschnittlich gut abschneiden. Eine gute Einführung zu dem Thema Momentum hat Ferhat auf Weniger Schlecht Investieren in einer Artikelserie verfasst. In diesem Artikel möchte ich über die Ursachen von Momentum spekulieren.

Eines der spannendsten Ergebnisse zu dem Thema war, dass es sehr stark auf die betrachtete Zeitskala ankommt, ob sich Momentum ergibt. Betrachtet man die Aktien die in den vergangen 12 Monaten gut abgeschnitten haben, sieht man dass sie in der folgenden Zeit besser abschneiden als der Gesamtmarkt. Beobachtet man jedoch nur eine Periode von einem Monat schneiden die besseren Aktien schlechter ab. Auch bei einer Periode von 5 Jahren schneiden die besten Aktien schlechter ab als der Gesamtmarkt. Auf kurzen oder sehr langen Zeitskalen überwiegt also das Gegenteil von Momentum, das Reversal.

Momentum wird klassischer Weise damit erklärt, dass Anleger dazu tendieren neue Informationen nicht genügend berücksichtigen. Wenn ein Unternehmen gute Zahlen liefert, wird das zwar durch steigenden Aktienkursen honoriert, jedoch nicht in dem Maß wie das eigentlich der Fall sein müsste. In der Folge steigt der Kurs noch weiter, wenn im weiteren Verlauf die Unterbewertung aufgedeckt wird, die sich durch die nicht genügend berücksichtigten Informationen ergeben hat. Auf einen steigenden Kurs folgt also ein noch weiter steigender Kurs — Momentum.

Es ist auf dem ersten Blick nicht plausibel, warum Anleger auf diese Weise Reagieren sollten, also Informationen systematisch zu unterschätzen. Am ehesten liefert der Anker-Effekt eine Erklärung. Der frühere Kurs wäre demnach für viele Anleger ein Bezugspunkt für den fairen Wert der Aktie, der neue Kurs erscheint ihnen ungerechtfertigt und in der Folge erwarten sie das der Kurs dahin zurückkehrt wo er früher stand. Es ist jedoch nicht klar warum dieser Fehler, der zweifellos oft gemacht wird, nicht von besser informierten Anlegern ausgeglichen wird, wenn doch die dazu notwendigen Informationen öffentlich sind.

Meine Überlegung geht daher in eine andere Richtung. Kann es sein, dass das Gewicht von Neuigkeiten unterschätzt wird, weil die Neuigkeiten etwas implizieren, das über ihren face value hinausgeht. Dass sich in ihnen Entwicklungen niederschlagen, die sich noch nicht voll entfaltet haben und daher noch an Kraft gewinnen und die Dinge weiter in die eingeschlagene Richtung beeinflussen also Fundamentales Momentum bewirken.

Nehmen wir als Beispiel einen typischen Branchenzyklus, wie den Schiffsmarkt. Die Rate die ein Schiff verdienen kann hängt im Wesentlichen von dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ab. Wenn es im Vergleich zur Nachfrage viele Schiffe gibt, sind die Raten niedrig, sind es wenige hoch. Nun braucht es ein bis zwei Jahre bevor neu bestellt Schiffe vom Stapel laufen. Gleichzeitig werden die Entscheidungsträger ihre Bestellungen an ähnlichen Überlegungen festmachen, so dass Bestellungen gehäuft auftreten. Dadurch kann sich Fundamentales Momentum bilden. Nehmen wir an wir befinden uns am Ende einer Hochphase: Die Raten sind noch relativ hoch, aber es befinden sich bereit viele Schiffe im Bau. Wenn die ersten Neubauten auf den Markt drängen, bewirkt die bereits Druck auf die Raten, die anfangen zu sinken. Die Ursache für die sinkenden Raten, der steigende Bestand an Schiffen, hat jedoch noch nicht voll durchgeschlagen, dass Groß der Neubauten kommt erst in den folgenden Monaten, wodurch die Raten erst mit Verzögerung ihr eigentliches Tief erreichen. Auf sinkende Raten folgen also sinkende Raten — fundamentales Momentum.

Die Schifffahrt ist insofern ein schlechtes Beispiel, das hier alle Informationen öffentlich zugänglich sind. Jedoch können wirkt sich das Prinzip fundamentalen Momentums auch oder sogar vor allem dann aus, wenn sich die zugrundeliegenden Entwicklungen nicht öffentlich abspielen. Das Momentum besonders klar auf Zeitskalen von einem Jahr auftritt, würde ich darauf zurückführen, dass dieser Zeitraum gerade mit der Zeitskala übereinstimmt auf der auch die typischen Fundamentalen Entwicklungen ablaufen.

Fundamentales Momentum wurde relativ kürzlich auch von der akademischen Finanzforschung entdeckt. Robert Novy-Marx untersuchte wie sich Preis Momentum und fundamentales Momentum zueinander verhalten. Er kam zu dem Ergebnis, dass Preis Momentum vollständig durch fundamentales Momentum erklären lässt. Strategien die auf fundamentales Momentum setzten profitieren sogar davon Preis Momentum zu vermeiden, auf diese Weise lassen sich die Volatilität senken und starke Einbrüche abmildern.

Wir haben also gesehen, dass es Gründe gibt anzunehmen, dass sich bestehende Trends in den Fundamentaldaten eines Unternehmens fortsetzten. Auch weißen erste wissenschaftliche Untersuchungen darauf hin, dass man eine Überrendite erzielen kann, indem man auf das Fortbestehen fundamentaler Trends setzt. Es macht also Sinn sich um ein Verständnis der fundamentalen Trends zu bemühen, wenn man sich starken Preisbewegungen ausgesetzt sieht. Auf diese Weise sollte man der Versuchung wiederstehen blind auf eine Gegenbewegung zu hoffen. Nach dem der Öl-Preis von 100 Dollar auf 70 Dollar abgestürzt sind, haben viele meiner Bekannten dies nicht beachtet und auf steigende Ölpreise gesetzt.

Rationalität und Empathie

Juni 15, 2017

Rationalität hat mit unter einen äußerst schlechten Ruf. Mit ihr werden Kaltherzigkeit und fehlendes Einfühlungsvermögen assoziiert. Im Folgenden werde ich der Frage nachgehen auf welche Weise sich Rationalität und Empathie wirklich beeinflussen.

Rationalität ist das Charakteristikum einer Person, die ihr Denken und Handeln an nachvollziehbaren und faktenbasierten Kriterien ausrichtet. Abhängig von dem Bereich über den gedacht oder in dem gehandelt wird, kann Rationalität Unterschiedliches bedeuten. Wichtig ist etwa die Zweckrationalität. Die ist verwirklicht, wenn die verwendeten Mittel dazu geeignet und angemessen sind, ein gefasstes Ziel zu erreichen. Zweckrationalität bedient sich insbesondere den Kenntnissen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Eine andere Form von Rationalität ist z.B. die Fähigkeit, Überzeugungen in sich schlüssig und für andere nachvollziehbar zu entwickeln.

Empathie bezeichnet ein Spektrum von Fähigkeiten, die einem helfen sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Man unterscheidet zwischen der emotionalen und der kognitiven Empathie. Emotionale Empathie lässt einen das gleiche empfinden, wie ein anderer, umfasst also Mitleiden und Mitfreuen. Kognitive Empathie ist die Fähigkeit Vermutungen darüber anzustellen, was andere Denken, Fühlen oder Wissen. Ein Standardbeispiel für Kognitive Empathie sind „False-Belief“-Aufgaben. Z.B. wird einem Kind in Anwesenheit einer Person, nennen wir sie A, gezeigt, dass ein Gegenstand in einer ersten Box liegt. Dann Verlässt A den Raum und der Gegenstand wird von der Box in eine andere gelegt. Ist die kognitive Empathie des Kindes weitgenug entwickelt, weiß es, dass A den Gegenstand immer noch in der ersten Box vermutet.

Studien zu der Frage, wie sich Rationalität und Empathie gegenseitig beeinflussen, kommen tatsächlich zu dem Ergebnis, das Menschen nicht gleichzeitig emphatisch und analytisch handeln können. Es hat sich gezeigt, dass wenn Menschen mit Aufgaben beschäftig sind, die analytisches Nachdenken erfordert, der Teil des Gehirns gehemmt wird, der mit Empathie im Zusammenhang steht und umgekehrt. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass bei Menschen je nachdem ob sie bevorzugt emotionale Empathie oder kognitive Empathie verwenden, unterschiedliche Regionen im Gehirn stärker ausgeprägt sind. Dieses Ergebnis legt nahe, dass die Fähigkeit zu den Unterschiedlichen Arten von Empathie davon abhängt wie stark wir sie verwenden. Also auch die Gefahr besteht, dass diese Fähigkeiten abnehmen, wenn sie nicht oft genug verwendet werden.

Andererseits zeigt sich jedoch auch, dass Empathie von analytischen Fähigkeiten Profitieren kann. Menschen, die eher bereit sind ihren ersten Eindruck zu hinterfragen, schneiden besser dabei ab, die Emotionen anderer zu erfassen.

Meines Erachtens passen die Ergebnisse dieser Studien gut zu dem Alltagsempfinden. Menschen tendieren sehr stark dazu entweder einen emotionalen oder einen rationalen Zugang zu Welt zu haben. Andererseits gehen Defizite im analytischen Denken oft mit Schwierigkeiten einher sich in andere Menschen hineinversetzten zu können.

Um unser Leben bewältigen zu können benötigen wie sowohl gutes rationales Denken als auch gutes Einfühlungsvermögen. Da sich Rationalität und Empathie gegenseitig behindern können ist es wichtig sich bewusst zu sein, wann welche Fähigkeiten benötigt werden und der Neigungen entgegenzuarbeiten, sich nur auf ein bestimmtes Skill-Set zu verlassen. Menschen mit einem bevorzugt rationalen Zugang zur Welt würden stark davon profitieren sich mehr darum zu bemühen, was in anderen vorgeht und Menschen mit einen bevorzugt emotionalen davon ihre Intuition häufiger zu hinterfragen. Auf diese Weise kann man zu einer vollständigen Sicht auf die Welt kommen.