Der Begriff „Postfaktisch“ hat die öffentliche Debatte erobert. Frank-Walter Steinmeiers hat den Begriff zwar nicht direkt popularisiert, aber die Debatte auch die entsprechende Frage gelenkt, indem er in einem Beitrag in der FAZ feststellt, dass in der „Öffentlichkeit Fakten verbogen und abgestritten werden“. Sogar er erkennt an, dass es für die Gesellschaft überlebenswichtig sei, dass Debatten auf der Grundlage von Fakten geführt würde. Die Ursachen sieht er jedoch in einem „nicht enden wollenden Schwall von Informationen“, der von der digitalen Revolution erzeugt werde.
Es lässt sich kaum abzustreiten, dass Steinmeier damit recht hat, dass in der Öffentlichen Debatte Fakten keinen hohen Stellenwert haben und das es enorme Schäden verursachen kann, wenn Entscheidungen nicht auf der Basis von Tatsachen gefällt werden. Allerdings ist Steinmeier als Bote dieser Nachricht nicht glaubwürdig. So verweigert sich doch seine eigene Partei dem Faktum, dass die Einheitsschule die Leistungsfähigkeit des Schulsystems beeinträchtigt. Auch gehört er einer Regierung an, deren Versagen in der Energie- und Flüchtlingspolitik, gerade durch das hartnäckige abstreiten von Fakten begründet ist. Es drängt sich der Verdacht auf, dass postfaktische Politik weiter verbreitet ist und tiefere Ursachen hat als Steinmeier bereit ist zuzugestehen.
Wie jede Organisation in der mehrere Menschen an Entscheidungen beteiligt sind, ist die Politik anfällig für Groupthink. Unter Groupthink versteht man die Tendenz von Gruppen schlechtere Entscheidungen zu treffen als es Kompetenz und Informiertheit der einzelnen Mitglieder erwarten ließe. Zu dem Groupthink kommt es, weil die Mitglieder Informationen und Meinungen zurückhalten, die dem Gruppenkonsens zuwiderlaufen. Dieses Verhalten ist mehr als verständlich, denn Widerspruch und Kritik führt beim Empfänger zu Stress. Für einen Entscheidungsprozess konstruktives Verhalten ist alles andere als nett. Zu Groupthink im eigentlichen Sinne kommt es wenn sich die Gruppe vor äußeren Einflüssen abschottet.
Dass in der Politik starker Groupthink wirkt, sieht man sehr gut an dem selektiven Umgang mit wissenschaftlichen Fakten. Fakten, die die vorherrschende Meinung stärken, werden akzeptiert und weiterverbreitet. Ein Beispiel wäre die Klimaforschung. Ergebnisse, die jedoch den Konsens wiedersprechen, werden ignoriert und verschwiegen. Hier wäre ein Beispiel der Fakt das nach Expertenmeinung grüne Gentechnik nicht mit höheren Risiken verbunden ist als die traditionellen Züchtungsmethoden.
Die Politik anfälliger für Groupthink als es bei anderen Institutionen der Fall ist, denn sie hat nicht nur Sachfragen zum Inhalt, in der Politik wird primär Macht verhandelt. Die Sachfragen werden oft zum bloßen Vehikel für Machtkämpfe. In der Politik kann man es sich nicht leisten Dogmen in Frage zu stellen, weil dies immer auch Angriff gegen die Gruppe gewertet wird. Ein Politiker, der in Sachfragen Kritik äußert, sitzt schnell zwischen allen Stühlen.
Verschärfend kommt hinzu, dass sich inzwischen die Unkultur ausgebreitet hat, abweichende Meinung nicht als legitim anzuerkennen, sondern im Gegenteil als unmoralisch zu dämonisieren. Kernenergiebefürworter können ein Lied davon singen. Diese Unkultur ist in linken Parteien, sogar noch stärker verbreitet als in liberalen oder konservativen. Als politische Strategie war dieses Vorgehen in der Tat erfolgreich, die Folge war jedoch, dass in Politik und Medien legitime und notwendige Gegenmeinungen fehlen und wie die Reaktionen nach der Wahl Trumps zeigen, die Fähigkeit verloren gegangen ist, das Ergebnis demokratischer Entscheidungen zu akzeptieren.
Meines Erachtens ist das einige Mittel das gegen Groupthink hilft, die Gruppe schnelles Feedback auszusetzten. Durch schnelles Feedback werden nicht nur Fehler schnell erkannt. Auch ist der Gruppe noch präsent, wie die Prozesse aussahen, die zu der schlechten Entscheidung geführt haben und was unterlassen wurde, um zu einer guten Entscheidung zu gelangen. Organisationen haben vor allem dann ein Interesse daran schnelles Feedback zu erhalten, wenn ihre vitalen Interessen davon abhängen. In der Wirtschaft ist dies schon dadurch gegeben, dass ein fehlerhaftes Produkt Schadensersatz und einen schlechten Ruf nach sich ziehen. In der Politik haben die Akteure hingegen die Macht sich dem Feedback ganz zu entziehen. Prominentestes Beispiel für dieses Verhalten ist der Vertuschungsskandal um die Kölner Silvesternacht. Ähnliches Verhalten mag es auch in der Unternehmenswelt geben, Unternehmen die so handeln werden jedoch früher oder später zum Opfer der kreativen Zerstörung.
Wir haben gesehen, dass es für postfaktische Politik tiefere Ursachen gibt – Groupthink. Für die die Politik besonders anfällig ist. Meines Erachtens ist das Problem massiv und entspringt dem Wesen der Politik, den Machtbesitz auszuhandeln, so dass nur für triviale Probleme von der Politik rationale Entscheidungen erwartet werden können. Die Lösung muss es sein möglichst gar keine Entscheidungen der Politik anzuvertrauen.