Archive for Mai 2010

Es geht auch ohne Geistiges Eigentum

Mai 27, 2010

Das zeigt zumindest ein TED-Talk, der sich mit der Rolle des geistigen Eigentums in der Modeindustrie beschäftigt. Sehenswert. (via erzliberal)

Droht jetzt Hyperinflation?

Mai 25, 2010

Mit der Entwicklung in den letzten Wochen ist massiv Vertrauen in den Euro verloren gegangen. Grund genug sich genauer mit den Hintergründen von Inflation zu beschäftigen. Die wichtigsten Ziele, die mit der Inflation verfolgt werden, sind den Konjunkturzyklus zu manipulieren und dem Staat zusätzlich Einnahmen zu beschaffen. Meines Erachtens kann das erste Ziel nicht ohne dauerhafte Schäden erreicht werden. In unserer Situation ist das zweite Ziel jedoch viel wichtiger.

Um zu verstehen wie es zu Inflation und Hyperinflation kommen kann, muss man sich zunächst klar darüber sein, was der Staat als Einnahmen auffasst. Denn anders als private Akteure muss der Staat nicht darauf achten echte Einnahmen von buchhalterischen Fiktionen zu unterscheiden. Die Haftung für solche Fiktionen übernimmt stets der Bürger. Die Folge ist, dass der Staat alle Gelder als Einkommen begreift, die er unmittelbar ausgeben kann. Und der Staat ist dazu gezwungen auszugeben was er nur kann. Das ergibt sich aus dem Informationsproblem.

Anders als den auf dem Markt gehandelten Gütern sieht der Staat den meisten, der von ihm in Anspruch genommenen Leistungen, nicht an, was ihre Erzeugung wert ist. Den Preis, den er zahlen muss, wird von denselben Spitzenbeamten ermittelt, die ein Interesse daran haben ihn möglichst hoch anzusetzen, da dieser ihren eigenen Einflussmöglichkeiten entspricht. Die Beamten auf der höheren Ebene wissen nicht wie sehr sie das Budget kürzen können ohne Leistungseinbußen zu verursachen. Das Problem wiederholt sich auf jeder Hierarchiestufe.

Zu dem Informationsproblem kommt das Bündnisproblem. Jeder Politiker und Spitzenbeamte ist auf einen weiten Kreis von Unterstützern angewiesen, um seine Ziele erreichen zu können. Aussicht eines Ministers gehört natürlich auch die Ministerialbürokratie zu seinem Unterstützerkreis, mit dem er es sich nicht verderben darf. Es ist ihm also nicht möglich diktatorisch Budgetkürzungen durchzusetzen ohne sich selbst ins Aus zu kegeln. Entsprechendes gilt für Leistung von dem Staatsexterne Unterstützer profitieren. Auch hier gilt Hände weg.

Das gesagte gilt nicht nur für bestehende Ausgaben, sondern für auch für Ausgabewünsche, insbesondere wenn Budgetüberschüsse bestehen. Das hat wegen den konjunkturbedingten Schwankungen der Steuern eine fatale Wirkung. In guten Zeiten werden keine Spielräume geschaffen und in schlechten explodiert die Verschuldung. Seit 1950 ist es nicht gelungen Schulden abzubauen. Zu den hausgemachten Problemen kommen die demographischen. Der größte Ausgabenposten im Bundeshaushalt ist der Etat des Sozialministeriums. Dahinter verbergen sich nicht in erster Linie Zuwendungen für sozial Schwache, sondern Zuschüsse zu den Sozialversicherungen. Wegen dem demographischen Wandel wird dieser Posten weiter wachsen, will die Politik ihre Versprechungen einhalten.

Wenn also in den nächsten Jahren nicht etwas absolut neuartiges geschieht, wird der Staat in die Situation kommen, dass an den Märken nicht genügend Geld zur Verfügung steht, um die Ausgaben und das überrollen der alten Schulden (d.h. aufnehmen neuer Schulden um die alten zu begleichen) zu bezahlen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Staat seine alten Schulden für Null und Nichtig erklärt. Für Entwickelte Staaten ist das jedoch sehr unwahrscheinlich, da sie dann viele Privilegien verlieren würden, die darauf beruhen, dass man annimmt, dass sie genau das nicht tun werden. Natürlich wird schon dann dem Staat der Kredit verwehrt, wenn sich abzeichnet dass es mittelfristig zur Überschuldung kommt. Niemand will auf den alten Schulden sitzen bleiben, die dann nicht bedient werden können. Genau das ist mit Griechenland passiert.

Eine Option den Zahlungsausfall zu vermeiden ist es, die Zentralbank die Schulden aufnehmen zu lassen, die nicht mehr am Markt platziert werden können. So wie es die EZB mit den Altschulden einiger Währungsunions-Staaten macht. Die Notenbanken refinanzieren sich, indem sie Bargeld in Umlauf geben oder an Banken verleihen. Um den Kapitalbedarf zu denken, der sich aus der Übernahme der Staatsschulden ergibt, haben sie also zwei Möglichkeiten. Entweder sie erhöhen den Bargeldumlauf und sorgen so für Inflation oder sie schränken die Refinanzierungsmöglichkeiten der Banken ein. Die zweite Möglichkeit würde schnell zu einer Kreditklemme von historischem Ausmaß führen und kann sogar die Stabilität des Finanzsystems bedrohen. Auch das ist also keine dauerhafte Option.

Bleibt also die Inflation. Macht sich die Zentralbank keine Gedanken um die Kaufkraft, ist der reale Wert der zusätzlich in umlaufgebrachten Geldmenge ihr Gewinn (auch Seigniorage genannt), der verwendet werden kann, um die Staatsausgaben zu finanzieren. Es stellt sich die Frage warum dieses Instrument nicht häufiger eingesetzt wird, um Einnahmen zu generieren. Die Antwort ist, dass die möglichen Einnahmen in keinem Verhältnis zu den Schäden stehen, die eine solche Politik anrichtet. Langfristige Kreditgeschäfte werden hoch riskant. Diejenigen die feste Einkommen beziehen müssen Einbußen hinnehmen usw. Die langanhaltenden Effekte einer Inflationsrate unter 5% beeinflussen das Wirtschaftsgeschehen zwar nur relativ gering, aber mit ihr lassen sich auch nur niedrige Einnahmen erzielen, sodass solide Staaten fast gänzlich darauf verzichten.

Begibt sich der Staat auf den Weg seine Einnahmen durch Geldschöpfung zu erzielen, erreicht er bald ein Punkt ab dem es kein Zurück mehr gibt. Da alle anderen Einnahmen zu Beginn einer Periode eintreffen, die Ausgaben aber in deren Verlauf anfallen, sink mit steigender Inflation die Ergiebigkeit der anderen Einnahmen. Die Seigniorage verdrängt die anderen Einnahmen und bleibt schließlich als einzige übrig.

Natürlich sind auch die Einnahmen die über die Geldschöpfung generiert werden können begrenzt. Es kann nicht mehr an Einkommen errungen werden als die Wirtschaftssubjekte bereit sind, an realen Werten in Bargeld aufzubewahren. Je niedriger das Bedürfnis nach Kassenhaltung ist, desto niedriger fallen auch die Einnahmen aus Seigniorage aus. Da die Kassenhaltung mit steigender Inflation zurückgeht, besteht die Gefahr einer außer Kontrolle geratenen Feedbackloop: Der Staat reagiert auf sinkenden Erträgen mit höheren Inflationsraten, die Wirtschaftssubjekte auf höhere Inflationsraten mit niedrigerer Kassenhaltung, was sinkende Erträge zur Folge hat. Der größte Ertrag, der sich erzielen lässt, ist der, der die Feedbackloop geradeso noch nicht auslöst. Ist sie einmal ausgelöst führt die Feedbackloop zu explodierenden Inflationsraten: Hyperinflation.

Aber es geht noch schlimmer. Der Staat versucht für die Lasten, die sich für die Bevölkerung ergeben, einen Sündenbock zu finden. Dies gelingt ihm meistens recht gut. In der Regel müssen Spekulanten und Wucherer dafür hinhalten. Diese Legenden flankiert der Staat mit Maßnahmen die oberflächlich gesehen, dazu dienen die Inflation einzudämmen. Oft sind das Preiskontrollen. Das Ergebnis dieser Maßnahmen ist natürlich nicht, dass die Hyperinflation beendet wird, denn die ist durch die Geldmenge getrieben, sondern das auf den legalen Märkten keine Güter mehr angeboten werden. Die Situation hatten wir bis vor kurzen in Simbabwe. Dort reagierte die Bevölkerung indem sie aus dem Lang floh.

Der einzige echte Ausweg aus einer Hyperinflation ist eine Währungsreform. Die kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Schulden der alten Währung nur zum Teil in die Neue übernommen werden und sich der Staat somit entschulden kann. Geschieht das nicht, wird der Wert der neuen Währung genauso schnell zerfallen wie der der alten.

Dass die EU den hier gezeichneten Weg bis an sein bitteres Ende geht, halte ich für eher unwahrscheinlich. Aber jeder Versuch ihn zu verlassen ist mit erheblichen Kosten und großen Widerständen verbunden. Wie zahlreich historischen Beispiele zeigen ist der Weg in die Hyperinflation der Weg des geringesten Widerstands.

Der Kindergarten strukturelle Gewalt

Mai 10, 2010

Nach den Morden in Athen frage ich mich immer wieder, warum Menschen, die vorgeblich für Solidarität eintreten, so enthemmt sein können, dass sie den Tod Unbeteiligter leichtfertig in Kauf nehmen. Auch diejenigen des linken Spektrums von den man erwarten kann die Morde an sich abzulehnen, scheinen sich mehr sorgen darum zu machen, dass er politische Gegner die Ereignisse instrumentalisieren könne, als das sie an einer Reflektion über sie bereit wären. (Siehe z.B. Indimedia.) Meines Erachtens spielt bei der Legitimation solcher Taten das Konstrukt strukturelle Gewalt eine entscheidende Rolle.

Linke bezeichnen etwas als strukturell, wenn es eigentlich nicht existiert, sondern erst durch intellektuelle  Taschenspielertricks konstruiert werden muss. Das meine ich nur halb so polemisch wie es klingt. Neben der strukturellen Gewalt, ist der strukturelle Antisemitismus eine nennenswerte Verwendung dieser Technik. Die Idee der strukturellen Gewalt geht auf Johan Galtung zurück, der versteht darunter die „vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse  oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist“ (zitiert nach Wikipedia). Eine solche Gewalt geht natürlich nicht von einzelnen Verantwortlichen aus, vielmehr seien es die gesellschaftlichen Systeme selbst aus der die strukturelle Gewalt hervorgehe. Dennoch gilt strukturelle Gewalt unter ihren Verfechtern als notwehrfähig.

Zwei Punkte halte ich für bemerkenswert. Einmal die Gefahr die von dem Konzept ausgeht, dann was es über die mentale Verfassung seiner Verfechter aussagt. Die Gefahr des Konzepts liegt auf der Hand: Es ist geeignet den Gewaltbegriff zu verwischen und echter Gewalt Vorschub zu leisten. Mehr noch das was die potentiell mögliche Bedürfnisbefriedigung ist und wie sie zu erreichen ist, ist gerade einer der zentralen Gegenstände der politischen Auseinandersetzung. Wenn man glaubt dass man bestimmen kann, was strukturelle Gewalt ist, muss man davon ausgehen, dass die eigenen Ansichten über die potentielle Bedürfnisbefriedigung mit Gewissheit richtig sind. Wer anderer Ansicht ist, vertritt nicht einfach nur eine andere Meinung, sondern trägt zur strukturellen Gewalt bei und daher ist gegen einen solchen  „Notwehr“ legitim. Gewalt wird so wieder zu Mittel des politischen Kampfes.

Um den zweiten Punkt zu erklären muss ich etwas weiter ausholen. Oberflächlich betrachtet haben die Befürworter der strukturellen Gewalt ein starkes Argument auf ihrer Seite. Das ist, dass insbesondere die dauerhafte Beeinträchtigung menschlicher Bedürfnisse zum Beispiel Diskriminierung oder latente Bedrohung einen Leidensdruck auslösen kann, der den einer tatsächlichen Gewalterfahrung übersteigt. Daraus könnte man dann ableiten, dass die Beeinträchtigung menschlicher Bedürfnisse eine ähnliche Qualität hat wie Gewalt. Die Schwäche des Arguments liegt darin, dass das Recht Gewaltverzicht einzufordern nicht aus dem Leidensdruck abgeleitet werden kann, sondern daraus das gewalttätiges Handeln nicht universalisierbar ist. Der Grund ist dass der Leidensdruck subjektiv ist und zum Teil vom Beeinträchtigten kontrolliert werden kann. Würde sich der Gewaltverzicht aus dem Leiden ableiten, könnte man durch taktisches Verhalten beliebige Forderungen  stellen. Das Konzept der strukturellen Gewalt verneint genau diesen Gedanken.

Wenn wir mit Beeinträchtigungen konfrontiert werden, ist die spontane Reaktion Wut. In der Regel unterdrücken wir dieses Gefühl, um die Situation klarer analysieren und zu einer Lösung kommen zu können. Das Konzept strukturelle Gewalt liefert für die Wut eine Rechtfertigung und verhindert so eine klare Analyse.  Die Folge ist, dass der Glaube an die strukturelle Gewalt dazu führt, auf Frustration mit Aggressivität zu reagieren. Statt nach Lösungen zu suchen, wie man Beeinträchtigungen selbst beheben kann oder mit ihnen zu leben wird versucht von Dritten ihre Beseitigung einzufordern. So verhalten sich Kinder. Das heißt natürlich nicht, dass zum Beispiel Diskriminierung kein ganz reales Problem sein kann, das außerhalb der Kontrolle der Betroffenen liegt. Aber das Konzept strukturelle Gewalt ist kein geeignetes Mittel, um gegen Diskriminierung vorzugehen, da sie Konflikte anheizt und Betroffenen ihre Handlungsperspektive nimmt.