Archive for Januar 2013

Wenn Faschismus erfolgreich ist

Januar 29, 2013

Laut Meldung von tagesschau.de stoppt BASF eine Zulassungsanträge für verschiedene gentechnisch veränderte Kartoffelsorten. Der Grund sei die Zerstörung von Kartoffelfeldern und der Wiederstand von „Umweltschützern“. Hier wurden unliebsame Handlungen mit Hilfe von Gewalt unterbunden. Wie der erste Kommentar auf tagesschau.de zeigt, wird das von Teilen der Bevölkerung sogar begrüßt. Meines Erachtens ist ein Merkmal des Totalitarismus, das Gewalt nicht Zentral gesteuert wird, sondern sie dezentral ausgeübt wird und eine formierte Gesellschaft zu schaffen. Mit der Niederlage von BASF sind wir einer totalitären Gesellschaft wieder etwas näher gerückt. Es muss die Aufgabe jeden Demokraten sein, sich unabhängig davon, wie er zur Gentechnik steht, den Versuchen totalitärer Machtentfaltung entgegenzusetzen.

Quelle http://www.tagesschau.de/wirtschaft/genkartoffeln100.html

Berufswahl und Oberflächlichkeit

Januar 18, 2013

Es gibt eine bestimmte linke Überzeugung mit der ich mich schon länger auseinandersetzten wollte, sie kommt in einer Überheblichkeit dem Normalen gegenüber zum Ausdruck. Eine gute Gelegenheit für eine Kritik hat mir der Gastbeitrag von Ariadne von Schirach Risiko Zombie oder warum es sich lohnt, das Leben zu wagen (1) auf dem Blicklog ergeben. Von Schirachs Argumente sind nicht gerade neu, aber sie haben immerhin den Vorteil besonders eloquent vorgetragen zu werden.

Von Schirach entwickelt ihre Argumentation anhand einer Charakterisierung eines 19-jährigen Abiturienten. Der Abiturient K. (mehr erfahren wir nicht über seinen Namen) hat vor Jura zu studieren,  gutes Geld zu verdienen und wenn sich die Möglichkeit ergibt berühmt zu werden. Es sind sicher keinen außergewöhnlichen Wünsche, sie sind weder überzogenen noch defätistisch. Und der Plan sie zu verwirklichen klingt vernünftig. Wie reagiert von Schirach auf sie?

„Der Weg zum Beruf ist nicht der Weg zu sich. Dass diese beiden Dinge sich so unheilig vermischen, ist der Marktwerdung des Menschen geschuldet, dessen Wert nur noch in seiner wirtschaftlichen Verwertbarkeit zu bestehen scheint.“

Soll man also nicht davon ausgehen, dass die Frage welchen Beruf man ergreifen will, die Frage ist, die einen Schulabgänger am meisten beschäftigt? Wäre es nicht gerade fahrlässig, wenn es anders wäre? Entweder von Schirach hat den Aufhänger ihres Essays besondere unachtsam ausgewählt oder ihr fehlt es an Empathie. Aber auch davon abgesehen liegt von Schirach falsch. Es gibt natürlich einen engen Zusammenhang von Berufswahl und Persönlichkeit. Welchen Beruf wir ergreifen ist ein Ausdruck unserer Selbstentfaltung. Die Erfahrungen, die wir während unserer Ausbildung machen, werden uns für immer prägen. Und nicht zuletzt ziehen bestimmte Berufe bestimmte Menschen an. Der Charakter von Juristen, Politologen oder Physikern ähnelt sich untereinander stärker als der von Studenten im Allgemeinen. Es stimmt zwar auch das unsere Persönlichkeit weitaus mehr umfasst als nur unseren Beruf, aber von Schirach sieht jede Art von Identifikation über den Beruf als „unheilig“ an.

Von Schirach scheint die Berufswahl allein unter dem materiellen Aspekt zu sehen. Dass sie für die meisten Menschen eine persönlichere Bedeutung hat übersieht sie entweder oder blendet es damit sich ein runderer Text ergibt. Aber damit führt auch der zweite Teil des zitierten Abschnitts in die Irre, die hohe Bedeutung der Berufswahl liegt weder an der „Marktwerdung des Menschen“ noch seiner „wirtschaftlichen Verwertbarkeit“. Man kann ihr bestenfalls soweit folgen, dass die Berufswahl nicht unter materiellen Aspekten gefällt werden sollten. Dazu unten mehr.

Weiter schildert von Schirach Ks Motive folgendermaßen: Er sei darauf fixiert seinen Marktwert zu bestimmen, möchte ein Winner werden, suche nach Sicherheit und Souveränität. Dabei sei ihm bewusst, dass „weder Geld noch Erfolg dieses Versprechen einlösen können das Versprechen nämlich, Herr seines Lebens zu sein, es zu meistern“

Für von Schirach stellen diese Motive eine Gleichzeitigkeit von „totalem Konformismus und ebenso totalem Glauben an die eigene Unbestechlichkeit“ dar, dies sei ihr zu Folge die moderne Form von Adornos Verblendungszusammenhang. Man kann nicht abstreiten, dass es einen Widerspruch zwischen K. Verhalten und seinen Verlautbarungen gibt. Wenn sein Handeln nicht seinem Ziel dient Sicherheit und Souveränität zu erlangen dient, warum handelt er dann in dieser Weise?

Ich denke nicht, dass der Mensch ein reines Verstandeswesen ist, er ist in viel höheren Maße ein Instinktwesen. Zu seinen Instinkten gehört auch nicht allzu sehr von der Masse abzuweichen. Allerdings hat dieser Instinkt auch sein Gutes. Auch wenn die Masse selten zu einem guten Ergebnis kommt, kommt sie doch aus selten zu einem katastrophal schlechten. Wer sich gegen die Masse stellt sollte sehr genau wissen was er tut. K. verhält sich so wie sich die meisten in seiner Situation verhalten und wählt ein Studium. Für die einen ist das ein Verblendungszusammenhang, für die anderen ein simples Abwägen zwischen Sicherheit und Chancen.

Von Schirach geht von einer überraschenden Passivität aus. Sie schreibt von einer „Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die sich irgendwann fast ohne eigenes Zutun ereignen wird“ oder von der Bereitschaft, sich dem Marktgeschehen zu überlassen. Hier kommt ihre Unfähigkeit zum Ausdruck, die Freiheit wo anderes zu entdecken als im kollektiven Handeln. Dies ist eine viel gefährlichere Lüge als alles was sie dem Kapitalismus andichtet. Es ist die Illusion im Hier und Jetzt keine Kontrolle über unser Leben zu haben, sondern diese Kontrolle einzig und allein durch einen kollektiven Akt der Auflehnung gegen das Bestehende erreichen zu können. Die Illusion keine Kontrolle über das eigene Leben zu haben mache ich dafür verantwortlich, dass viele ihre eigentlichen Chancen übersehen. Der Grund dafür, dass Linke überdurchschnittlich oft unter Depression oder Angstzuständen leiden, ist meines Erachtens das ihr Weltbild sie in diesem Irrglauben noch bestärkt.

Trotz aller antikapitalistischer Ressentiment schafft es von Schirach schließlich doch etwas sinnvolles zu schreiben: „Damit folgt er der allersimpelsten kapitalistischen Logik, einer Logik der „Kaufbarkeit“, die verspricht, einen inneren Zustand durch äußere Objekte zu ersetzen: Meine Bücherwand ist für mich gebildet, meine Kleidung hat für mich Geschmack, mein Wagen ist für mich sportlich. Diese fatale Verschiebung wird begleitet von der
Vorstellung, es sei jederzeit möglich, ein Schnäppchen zu machen, also etwas Kostbares für den Bruchteil seines Wertes zu bekommen. Souveränität nun, oder auch Charakter, Persönlichkeit, Eigenständigkeit gehören zum wertvollsten Besitz eines Menschen und müssen – wie alles von Wert – mühsam erworben werden. Dieser Erwerb ist innere, seelische Arbeit, ist ein Aussetzen
und Aushalten und Annehmen.“

Was so antikapitalistisch daherkommt hat mit Kapitalismus wenig zu tun, sondern ist eine Kritik an materialistischem Denken. Diese Kritik teile ich. Das von Schirach eigentlich den Materialismus kritisiert konnte man schon an vorhergehenden Textstellen ahnen: Den Wert des Menschen nur noch in seiner wirtschaftlichen Verwertbarkeit zu bemessen, ist nicht Kapitalismus sondern Materialismus. Im Etatismus werden Menschen noch sehr viel mehr auf ihren wirtschaftlichen Wert beschränkt, weil dort der Mensch sehr viel mehr angeblich höheren Zwecken (z.B. Vaterland und Rente) untergeordnet wird. Den Kapitalismus eine  Logik der „Kaufbarkeit“ zu unterstellen, heißt nichts anderes als eine Karikatur von ihm zu zeichnen.

Was von Schirach übersieht, ist das man nicht dem Materialismus verfallen sein muss, um vom Kapitalismus zu profitieren. Von Schirach glaubt offensichtlich, dass es die dominierenden Verhaltensweisen die Menschen um ihre Chancen beraubt. So schreibt sie von der ausgebeuteten Jugend oder „Es gibt keine Ausnahmen. Und nur der Glaube jedes Einzelnen, die Ausnahme zu sein, hält das System am laufen.“ Sie übersieht, dass der Markt die Realitäten mit denen wir zu leben haben nur abbildet, aber nicht selbst hervorbringt. Wir können nicht in allen Lebensbereichen gleichermaßen glänzen, dafür reichen unsere zeitlichen und mentalen Ressourcen nicht aus. Wir müssen also den Preis zahlen in bestimmten Bereichen zu versagen, um in anderen Erfolgen zu haben. Wenn wir uns dessen bewusst sind, ist der Misserfolg in einem Bereich nur der Preis für den Erfolg in einem anderen. Sein Leben auch im Hinblick auf die eigene Unvollkommenheit zu gestalten ist Freiheit. Dazu ist es nötig zwischen Alternativen wählen zu können und sich Alternativen sogar selbst schaffen zu können. Kapitalismus ist nichts anderes als die Möglichkeit der Wahl im wirtschaftlichen Bereich. Aber auf dem Markt wirken die Konsequenzen unserer Entscheidungen, ihre Kosten unmittelbar auf uns zurück. Gerade weil der Markt auf brutale Weise ehrlich ist, ermöglich er dem Einzelnen die Freiheit.

Was ist also die typisch linke Einstellung die ich in von Schirachs Artikel kritisiere? Es ist der Versuch die Verantwortung für sein Glück dem Einzelnen zu entreißen und sie dem Gesellschaftlichen zu überantworten. Diese Einstellung ist durchaus militant, denn sie geht mit einer Verachtung gegenüber allen einher, die es wagen ihr Glück in der Gestaltung des eigen Lebens zu suchen und sich damit der Vergesellschaftlichung widersetzen.

Etatismus und das Irrationale

Januar 15, 2013

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Deutsches Sprichwort

Je mehr eine Gesellschaft ihren freiheitlichen Charakter verliert, desto eher werden Entscheidungen nicht nach rationalen Erwägungen getroffen. Prominente Beispiele findet man in der Geschichte des Kommunismus. Wegen des Lyssenkoismus wurden in der Sowjetunion Wissenschaftler verfolgt und schließlich verfehlte Entscheidungen in der Landwirtschaft getroffen, die eine Hungersnot zu Folge hatten. Aber auch in freieren Gesellschaften, lassen sich ähnliche Effekte beobachten.

Die Ursache ist, dass im Etatismus der Druck fehlt Entscheidungen zu korrigieren. Wenn Entscheidungen aufgrund von fehlerhaften Annahmen getroffen werden, führen sie zu negativen Resultaten. In einer freien Gesellschaft können die Menschen sofort auf darauf reagieren, z.B. in dem sie eher mit einem Konkurrenten kooperieren. Wenn eine Gesellschaft durch Zwang dominiert wird, fehlt dieser Feedback-Mechanismus. Die Menschen haben keine Wahl als mit schlechten Resultaten zu leben, weil sie zur Kooperation gezwungen werden.

Dieser Umstand hat zur Folge, dass die Qualität der Entscheidungsfindung abnimmt. Wenn man nicht für die Folgen seines Tuns verantwortlich gemacht wird, wird man seine Energie nicht damit verschwenden sich sein Handeln gut zu überlegen, sondern die Energie in Dinge stecken, die das Fortkommen mehr befördern: Das Schmieden von Bündnissen und die Suche nach Patronage. Da diejenigen die diesen Gedanken am konsequentesten umsetzen, am ehesten Karriere machen, füllen sich die oberen Ränge einer Hierarchie mit Menschen, deren Qualität nicht in ihrer Sachkenntnis liegt, sondern im möglichst kantenlosen Nach-Oben-Gleiten.

Zu der Anpassung an Patrone und Bündnispartnern kommt der Bedürfnis nicht anecken zu wollen. Dieses Bedürfnis ist umso stärker, je mehr unser Einkommen nicht von unserer Leistung abhängt, sondern von der Meinung anderer über uns. Daher kommt eine starke Orientierung an der Normalität. Selbst absurde Thesen, wie das Frauen für gleiche Leistungen weniger Gehalt bekommen, werden nicht hinterfragt, wenn sie von der Öffentlichkeit getragen werden. Hier kommt es weniger auf die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse an, sonder darum das abweichenden Meinungen kein Forum mehr geboten wird. Hat der Einzelne den Eindruck mit seiner Meinung alleine zu sein, wird er nicht riskieren sie öffentlich zu vertreten. Wenn wenige Menschen eine Meinung öffentlich vertreten, werden andere die der gleichen Meinung anhängen sich ebenfalls zurückhalten. Diesen sich selbst verstärkenden Prozess nannte Nölle-Naumann Schweigespirale.

Da das in den Medien vertretene politische Spektrum immer enger geworden ist, kann man davon ausgehen, dass die Medieneliten ähnliche Schweigespiralen durchlaufen haben. Dies wird durch die Besonderheiten der Deutschen Medien begünstigt. Hier haben die öffentliche-rechtlichen Sender eine Leitfunktion, die durch ihre Finanzierung über Zwangsgebühren gesichert ist. Durch die Finanzierungsweise spielt Leistung bei der Besetzung der Posten nur eine untergerodete Rolle, wichtiger sind die persönlichen Beziehungen. Schafft es eine politische Strömung die Öffentlichen Medien dominieren und Andersdenkende zu verdrängen, hat sie einen gewaltigen Hebel um in der Gesellschaft Schweigespiralen in Gang zu setzen. So gibt es beispielsweise Sprachregeln zu energiepolitisch und Klima relevanten Berichten.

In einer freien Gesellschaft ist die öffentliche Meinung heterogener. Hier wird belohnt wer Eigeninitiative zeigt und die Fähigkeit zum eigenständigen Denken behält. Im Etatismus werden wir dazu erzogen nicht anzuecken. Das fängt schon in der Schule an, in der man, um gute Noten zu erhalten nicht zu laut sagt, was der Meinung des Lehrers widerspricht. In einer Freien Gesellschaft hat man am Markt Erfolg, in einer etatistischen durch das Schmieden von Bündnissen und politische Einflussnahme. Um am Markt Erfolg zu haben, muss man sich mit dem beschäftigen was ist. In politischen Netzwerken hat man Erfolg, in dem man vertritt was die Leute glauben.

Die Abwertung der Wahrheitsliebe zugunsten des Konformismus hat erstaunliche Folgen. Da es eine größere Rolle spielt wer eine Meinung vertritt als ob sie zutrifft, geht die Fähigkeit verloren eine Argumentation zu prüfen. Die wenigsten Menschen sind in der Lage einen logischen Schluss von reiner Plausibilität zu unterscheiden. Damit geht eine Errungenschaft der Aufklärung verloren, die Orientierung an der Rationalität. Seit der Aufklärung mussten Entscheidungsträger in der Lage sein ihr Handeln rational zu begründen. Das heißt so zu erklären, dass es für andere nachvollziehbar ist. Wird es noch nicht einmal dann öffentlich kritisiert, wenn jemand absurde Entscheidungen trifft, etwa den überhasteten Ausstieg aus der Kernenergie.

Die Orientierung an der Rationalität war ein großer Schritt in Richtung einer freien Gesellschaft, da durch sie die Willkür der Herrscher eingeschränkt wurde.  Heute büßt die Rationalität ihre Leidfunktion ein, wie man daran sieht, dass das Quellenargument wieder akzeptiert wird. Also eine Argumentation als wiederlegt gilt wenn, denjenigen, der die Argumentation vorbringt, Eigeninteressen unterstellt werden. Es handelt sich um einen klassischen Fehlschluss, wer das Quellenargument verwendet, dem sollte das eigentlich peinlich sein.

Die Rationalität ist ein hohes Gut. Nur sie sichert das die richtigen Entscheidungen getroffen werden, was unser Wohlergehen sichert. Aber nur wenn die Menschen die Wahl haben mit wem sie kooperieren und wem sie die Kooperation verweigern, entsteht der Druck der notwendig ist, um den Wert der Rationalität aufrecht zu erhalten.

ME_415_RealityAboveLaw