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Kowloon Walled City – das gewesene Ankapistan?

Januar 29, 2010

Ein großer Manko bei der Diskussion anarchokapitalistischer Gesellschaftsvorstellung ist das weitestgehend fehlen empirischer Vorbilder. Gegner glauben eine anarchokapitalistische Ordnung währe inhärent instabil, während Befürworter diesen Spekulationen auch nur ihre eigenen Spekulationen entgegensetzten können. An der Gewalt von kriminellen Vereinigungen zerbrochenen Staaten können nicht als Beispiel dienen, denn diese Gegenden waren bereits instabil bevor die Staaten verschwunden sind. Es gab jedoch einen Ort, der vor staatlichen Einflüssen weitestgehend frei blieb, einen Stadtteil Hongkongs, mit dem Namen Kowloon Walled City. Konkurrierende Ansprüche auf das Gebiet führten dazu, dass sich die Administration aus den Belangen der Bürger weitestgehend heraushielt. Da es in geringen Umfang staatliche Aktivitäten gab ist die Bezeichnung Ankapistan sicher übertrieben, aber einige Aussagen der libertären Theorie lassen sich dort sehr wohl überprüfen.

Die beste Quelle die ich zu dem Thema ausmachen konnte ich ein Buch von Greg Girad und Ian Lambot „City of Darkness“. Das Buch besteht aus kommentierten Fotographien und Interviews mit ehemaligen Bewohnern des Stadtteils. Ergänzt wird das durch mehrseitige Texte über den historischen und politischen Hintergrund. Man findet auch einiges im Internet, allerding widersprechen sich viele Darstellungen. Mit City of Darkness lösen sich die meisten diese Widersprüche auf, daher stammen die Informationen in diesem Artikel fast ausschließlich aus dem Buch.

Kowloon Walled City geht auf ein Fort zurück, das schon während der Sung Dynastie (960 – 1297) errichtet wurde.  Nachdem 1841 die Hong Kong Island von Britannien besetzt wurde, wurde das Fort stark ausgebaut. 1898 unterzeichneten China und Britannien einen Vertrag, dem zufolge die britische Kontrolle über Hongkong ausgedehnt wurde. Für Walled City sah der Vertrag vor, dass chinesische Beamte die Hoheitsrechte ausübten, solange dies nicht mit den militärischen Erfordernissen Hong Kong zu verteidigen in Konflikt geriet. Die Übergabe der neuen Gebiete verlief jedoch nicht reibungslos und Kowloon Walled City wurde  im folgenden Jahr von Britischen Truppen besetzt.

In der sich daran anschließenden Zeit wurde Walled City kaum weiterentwickelt und verfiel langsam. Ab wurden 1933 die noch bestehenden Gebäude nach und nach abgerissen. Der Stadtteil wurde in dieser Zeit zu einem Anziehungspunkt für Hausbesetzter. 1947 versuchte die Regierung die Hausbesetzter zu vertreiben. Dabei kam es zu Unruhen die bis nach Shanghai und Canton ausstrahlten und die Beziehung zu China verschlechterten. Um die Beziehungen nicht noch weiter zu verschlechtern begann von da an die Regierung sich aus Kowloon Walled City weitestgehend herauszuhalten.

In welchem Ausmaß die verschiedenen Behörden in das Schicksal des Stadtteils eingriffen war von nun an sehr unterschiedlich. Mit der Zeit wuchs jedoch das Ausmaß der Regulierungen und öffentlichen Leistungen an. Der Postdienst war von Beginn an in Kowloon Walled City aktiv. Polizeistreifen gab es seit 1961, obwohl dies sogar vielen Bewohnern unbekannt war. Nicht verborgen geblieben sind die zahlreichen Razzien, die vor allem dazu dienten die Drogenhöhlen unter Kontrolle zu bringen. 1959 entschied das oberste Gericht in einem kontroversen Fall, dass die Gerichtsbarkeit Hongkongs auch in Kowloon Walled City galt. Elektrizität wurde zunächst gestohlen, erst nach einem größeren Feuer in den 70er Jahren, wurde Walled City von den Stadtwerken elektrifiziert. Die von der Stadt zur Verfügungen gestellten öffentlichen Frischwasserleitungen waren bei weitem unzureichend. Wasser wurde zum Teil aus Brunnen unter der Stadt gefördert oder ebenfalls gestohlen. Erst in den 1970er Jahren wurde eine Kanalisation installiert, zuvor flossen Abwässer über die Straßen in den Untergrund ab. Es gab keine Inspektionen für Hygienevorschriften, allerdings welche für Arbeitssicherheit.

Mit der Sino-British Joint Declaration von 1984 wurden die Streitigkeiten zwischen China und Großbritannien ausgeräumt, Kowloon Walled City genoss nun keinen besonderen Schutz mehr. 1986 einigten sich beide Staaten den Stadtteil zu räumen, im folgenden Jahr wurde die Entscheidung der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Dazu wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein Zensus durchgeführt, der dazu diente zu klären, wer für Entschädigungen in Frage kam. Erst nach dieser Aktion erführen die Bewohner von der geplanten Räumung. Diesmal wurde die Räumung akzeptiert, was nicht zuletzt an den Entschädigungen lag. Die Bewohner mussten bis 1992 den Stadtteil verlassen, der Abriss der Gebäude und die Umwandlung des Geländes in einen Park dauerte noch bis 1995.

Die auffälligsten Auswirkungen, die die besondere Situation Kowloon Walled City nach sich zog, war die Verschiebung der Aktivität, die vom Staat nicht geduldet wurden, in den Stadtteil. Das waren vor allem illegale Gewerbe wie Glücksspiel, Drogenhandel und Hundefleischverkauf, aber auch kriminelle Tätigkeiten wie Hehlerei. In den 70er Jahren wurden diese offenen Aktivitäten durch tausende von Razzien unterbunden. Auch illegale Einwanderer kamen hier in größerer Zahl unter, sie machten etwa ein Zehntel der Bevölkerung aus. Interessanterweise war laut Polizeistatistiken die allgemeine Kriminalität in den 80er Jahren nicht höher als in anderen Stadtteilen.

Da es so gut wie keine Bauvorschriften gab, wurde sehr dicht und ungeplant gebaut. Der Stadtteil war für Autos unzugänglich und es gab nur an wenigen Stellen natürliches Licht, was Walled City den Beinahmen Hak Nam, Stadt der Dunkelheit, einbrachte. Wie bereits geschildert war darüber hinaus die Versorgung mit Wasser und Elektrizität schwierig und zahlreiche Lebensmittelmanufakturen führten zu einem Ungezieferproblem. Nahliegender Weise waren die Mieten in Walled City günstig. Die dichte Bebauung führte zu einer extrem hohen Bevölkerungsdichte, der Zensus von 1986 ergab das der Stadtteil 33.000 Einwohner hatte. Da das Gebiet nur eine Fläche von 0,025 Quadratkilometer hat ergab sich eine Bevölkerungsdichte von 1,3 Millionen Einwohner pro Quadratkilometer, das ist bei weitem die dichteste Bevölkerung die jemals irgendwo festgestellt wurde.

Weil man in Kowloon Walled City Steuern und Lizenzen nur zahlen musste, wenn man sich dafür registrierte (was sinnvoll sein konnte, um z.B. Zugang zu Krediten zu bekommen) und die meisten Regulierungen nicht eingehalten werden mussten, war die Produktion dort deutlich billiger als andernorts in der Stadt. Es gab etwa 700 Manufakturen, darunter viele für die Lebensmittel- oder Plastikverarbeitung. Einige Lebensmittelmanufakturen orientierten sich an den staatlichen Standards, um den Qualitätsforderungen des Markts nachzukommen, es gab allerdings auch unprofessionell agierende Unternehmen, die ihre Produktion nicht darauf prüften, ob Standards eingehalten wurden. Viele Ärzte, die sich keine Lizenz leisten konnten, haben in Walled City eine Praxis eröffnet. Dadurch war die Medizinische Versorgung sehr günstig. In dem Stadtteil wuchs auch eine zweite Generation von Ärzten heran, Assistenten der ersten Generation, die ihre eigene Praxis eröffneten. Allerdings war das fachliche Können dieser Generation nur gering.

Um die Situation der Bewohner zu verbessern, gründeten einige von ihnen 1963 die Kai Fong, die auf freiwilliger Basis Gemeinschaftsleistungen, wie Feuerprävention oder Beleuchtung, organisierte. Sie ging aus den Widerständen gegen die Regierung hervor, nachdem diese erfolglos versuchte Teile von Kowloon Walled City zu räumen. Sie entwickelte sich schnell zu einer Art Sprachrohr für die Bewohner. Anfangs war sie noch sehr pro-Chinesisch eingestellt, arbeite später jedoch kooperativ mit der Regierung Hongkongs zusammen.

Welche Erkenntnisse lassen sich aus Kowloon Walled City ziehen? Die Frage ob Rechtsdurchsetzung auch ohne Staat möglich ist, lässt sich wohl nicht beantworten, da Hong Kongs Polizei dort aktiv geblieben ist. Es bleibt also zu evaluieren welche Auswirkungen das weitgehende Fehlen von Regulierung hatte. Zunächst stellt sich die Frage, wie die schlechten Umweltbedingungen, also fehlende Kanalisation, fehlendes Tageslicht usw. zu bewerten sind. M.E sind diese Defizite nicht dem Ordnungsrahmen anzulasten. Bei der Versorgung mit Infrastruktur hatte der Stadtteil das Problem von der Stadtregierung abhängig zu sein, die hier in vielen Fällen ein Monopol hatte. Die gleichen Mechanismen, die Walled City vor Regulierung schützten, sorgten zumindest phasenweise dafür, dass die Anliegen des Stadtteils kein Gehör fanden. Andere Faktoren, die die schlechten Umweltbedingungen verursachten, lassen sich auf die extreme Bebauung zurückführen. Die extreme Bebauung machte aber nur Sinn, wenn die Räume für eine angemessene Miete genutzt werden konnten. Daran können wir ablesen, dass viele Menschen bereit sind die Qualität der Umwelt gegen mehr Wohlstand einzutauschen, wenn es ihnen nicht verboten wird. Das führt uns zum nächsten Punkt. In Kowloon Walled City wurde die Umverteilungswirkung von Regulierungen offensichtlich.

Menschen werden dazu gezwungen Güter zu höheren Preisen zu kaufen als sie eigentlich bereit waren. Dies geschieht z.B. dadurch, dass das Angebot durch den Lizenzzwang beschränkt wird oder an die Zulassung  von Produkten unnötig hohe Forderungen gestellt wird. Gerechtfertigt wird das über höhere Qualität und Risiken die der Einzelne nicht beurteilen könne. Allerdings ist zweifelhaft, ob der Gewinn an Qualität in einem annehmbaren Verhältnis zu den Preissteigerungen steht, die sich aus den Angebotsbeschränkungen ergeben. In Kowloon Walled City konnte man die Auswirkungen beobachten, die sich ergeben, wenn die Regulierungen wegfallen; man hatte eine durchwachsene Qualität neben deutlich niedrigen Preisen. Es waren zudem unternehmerische Aktivitäten möglich, die sich außerhalb nicht hätten tragen können. Vielen wurde so ein Einkommen ermöglicht, dass sie auf andere Weise nicht erzielen konnten. Da in Walled City verhältnismäßig viele Menschen lebten und niemand dazu gezwungen war dort zu verbleiben, kann man davon ausgehen das sich viele, insbesondere ärmere Menschen, besserstellen können, wenn Regulierungen wegfallen.

Stimmt der Libertarismus mit wissenschaftlichen Erkenntnissen überein?

März 11, 2009

Es ist die Meinung weit verbreitet, dass man einer Weltanschauung nicht von falsifizierbaren Argumenten anhängt, sondern wegen ihren Werturteilen. Das mag im Großen und Ganzen zutreffen, verdeckt aber die Tatsache, dass auch Weltanschauung eine große Anzahl falsifizierbarer Aussagen macht. Daher der Anspruch des Marxismus ein wissenschaftlicher Sozialismus zu sein. Allerdings kann der Marxismus diesen Anspruch nicht einlösen. So haben sich fast alle seine wesentlichen Aussagen als falsch herausgestellt. (Um nicht zu sagen alle wesentlichen Aussagen die mir bekannt sind.) Die Arbeitswertlehre ist falsch. Es gibt keinen Trent zur Verelendung und hat ihn wahrscheinlich auch niemals gegeben. Das Elend der industriellen Revolution war eine Folge der demographischen Umwälzung, nicht des Kapitalismus. Überakkumulation ist nicht dazu geeignet Wirtschaftskrisen zu erklären. Noch gibt es einen Trent zu Kapitalkonzentration. Soviel zum Marxismus, es stellt sich die Frage ob es um den Libertarismus tatsächlich besser steht.

Um diese Frage zu beantworten ist ein kurzer Überblick über die Grundaussagen des Libertarismus nötig. Die moralphilosophischen Aussagen blenden wir aus, denn das sind tatsächlich reine Werturteile. Die erste Grundaussage ist der Antikollektivismus oder auch methodische Individualismus: das Handeln von kollektiven Entitäten kann auf das Handeln von Einzelnen zurückgeführt werden. Zweitens die Triebfeder staatlichen Handelns ist nicht der Gesamtwille, sonder das Eigeninteresse der Verantwortlichen. Drittens staatliches Handeln tendiert dazu diejenigen auf Kosten von anderen zu bevorteilen, die Einfluss auf Staat ausüben können. Viertens staatliche Leistungen lassen sich ohne oder bis auf wenige Ausnahmen auch von privaten Institutionen erbringen. Es handelt sich hier um sehr allgemeine Aussagen, sodass eine eindeutige Antwort nur mit extremem Aufwand zutage treten dürfte, eine oberflächliche Überprüfung sollte jedoch eventuelle eklatante Widersprüche aufdecken können.

Solche Widersprüche können ausgeschlossen werden, wenn die genannten Aussagen mit Modellen übereinstimmen, die nicht falsifiziert wurden und die Erklärungskraft für empirische Befunde haben. Als wissenschaftliche Referenz ziehe ich Charles B. Blankarts „Öffentliche Finanzen in der Demokratie“, 7.Auflage,München 2008 heran. Es handelt sich hierbei um eine Einführung in die Finanzökonomie, der ökonomischen Theorie des Staates, wie sie in den letzten Jahren entwickelt wurde. Der theoretische Rahmen dieser Disziplin wird durch vier Grundannahmen definiert: 1. Der methodische Individualismus 2. Die Eigennutzannahme 3. Die Annahme gegebener Präferenzen und veränderter Beschränkungen (d.h. das man Verhaltensänderungen eher auf eine Veränderung der Situation zurückführt, als darauf das sich die Handelnden es sich anders überlegt haben, ändert sich die Situation wird der Einzelne auch über einen anderen Umfang an Ressourcen, seinen Beschränkungen, verfügen.) 4. Die Annahme der Existenz relevanter Alternativen (d.h. man geht davon aus, dass wenn sich die Beschränkungen ändern, Einzelne durch Verhaltensänderungen darauf reagieren können. Laut Blankart wird diese Annahme in Marxistischen Theorien verworfen, was zu Zusammenbrucherwartungen und determinierten Geschichtsbild führe.) Zumindest der Antikollektivismus scheint noch aktuell zu sein, wenn auch erwähnt werden muss, dass außerhalb der Finanzökonomie noch Ansätze verfolgt werden, die den methodischen Individualismus verwerfen.

Auch die zweite These ‚die Triebfeder staatlichen Handelns ist nicht der Gesamtwille, sonder das Eigeninteresse der Verantwortlichen‘ ist im Finanzökonomischen Modell enthalten. In späteren Kapiteln wird dieser Punkt weiter ausgeführt und etwa die Wirkung verschiedener Mehrheitsregeln auf die Entscheidungsfindung diskutiert. Interessant ist, dass der Finanzökonomie zufolge staatliches Handeln durch ein zweistufiges Prinzipal-Agent-Verhältnis bestimmt wird; der Prinzipal ist zunächst der Wähler der Politiker verhält sich ihm gegenüber als Agent. Der Politiker kann jedoch nicht selbst handeln, sondern gibt der Verwaltung Anweisungen. Geht man die Hierarchie der Verwaltung durch wird man auf weitere Prinzipal-Agent-Verhältnisse stoßen. Ein etwaiger Gesamtwille der Wähler würde in der konkreten Entscheidungsfindung und Ausgestaltung immer weiter verwässert werden.

Im Zusammenhang mit der dritten These ‚staatliches Handeln tendiert dazu diejenigen auf Kosten von anderen zu bevorteilen, die Einfluss auf Staat ausüben können‘ ist insbesondere das Wagnersche Gesetz zu erwähnen. Es sagt aus das der Staat im Vergleich zur gesamten Wirtschaftlichen Aktivität überproportional wächst. Aufgestellt wurde es bereits im 19. Jahrhundert noch bevor es zu dem massiven Anstieg des Staatsanteils von ungefähr 10% auf um die 50% im 20. Jahrhundert kam. Blankart geht anhand von Einkommens- und Preiselastizitäten der Frage nach ob dieser Anstieg den Wünschen der Bürger entsprechen kann, also die Nachfrage nach Gütern, die vom Staat monopolisiert wurden, im Vergleich zu anderen angestiegen ist und kommt zu dem Ergebnis das nur etwa die Hälfte des Staatswachstums darauf zurückzuführen sind, was der libertären Erwartung entspricht.

Eine Studie (Bjørnskov, Christian; Dreher, Axel; Fischer, Justina, ‘The bigger the better? Evidence of the effect of government size on life satisfaction around the world’, Public Choice, Volume 130, Numbers 3-4, March 2007 , pp. 267-292(26)) hat gezeigt, dass sich die Größe der Staatsausgaben negativ auf die Lebenszufriedenheit der Bürger auswirkt. Besonders stark ist der Effekt auf Männer und Personen mit niedrigen oder mittleren Einkommen, wenn die Regierung von der Linken gestellt wird. Auch das stützt die dritte These.

Die vierte These ‚ staatliche Leistungen lassen sich ohne oder bis auf wenige Ausnahmen auch von privaten Institutionen erbringen‘ wird von Blankart nicht unterstütz: Er führt an dass öffentliche Güter vom Staat bereit gestellt werden müssen. Er geht davon aus, dass die Verfassung Regeln enthält die von jedem als gerecht angesehen werden und vertritt die Meinung, dass Umverteilung die auf Basis dieser Regeln beschlossen wird gerecht sei. Allerdings zeigt er ebenso, dass Umweltprobleme durch das Zuteilen von Verschmutzungsrechten auch ohne Regulierung gelöst werden können. Die Argumente die Blankart zugunsten des Staates aufführt überzeugen mich jedoch nicht, ein ökonomisches Modell kann kaum alle Möglichkeiten abdecken, die Privatanbieter einfallen, um Trittbrettfahrerprobleme zu lösen. Möglicher Weise liegt auch eine ähnliche Situation vor, wie in der Banktheorie, dort geht man davon aus, dass dem Bankwesen immanente Instabilitäten zu eigen sind, ohne das es dafür ausreichende theoretische oder empirische Belege gebe.

Blankarts Buch behandelt eine Vielzahl weiterer interessanter Modell und Untersuchungen, die libertäre Ideen stützen oder mit denen sich Libertäre auseinander setzten sollten. Daher kann ich es allen die tief in die ökonomische Beschreibung des Staates einsteigen wollen nur empfehlen.

Krieg, die offene Flanke des Libertarismus

Januar 29, 2009

Die komplexeste Form der Gewalt ist der Krieg. Carl von Clausewitz definierte ihn als Kampf, um den eigenen Willen durchzusetzen. Gemeint ist der Willen von Staaten.Doch das eigentümlich des Kriegs ist, das er das Recht außer Kraft setzten zu scheint. Man denke an die durch Bombardierung unschuldig zu Tode Gekommenen, deren Schicksal keine Strafverfolgung der Verantwortlichen nach sich zieht. Der Trick, der das Töten Unschuldiger rechtfertigt, ist der Kollektivismus. Ein feindseliger Akt ist keine Handlung des Individuums A gegen B sondern des Volks Alpha gegen Volk Beta. Praktisch sieht dies so, aus das innerhalb von Alpha das von A begangene Unrecht nicht geahndet wird, wenn dieses dazu dient Gewaltakte (ungeachtet dessen ob sie recht- oder unrechtmäßig sind) aus Beta auf Menschen und ihr Eigentum in Alpha zu unterbinden. Das eine Handlung von A gegen B stattfand wird als irrelevant betrachtet, sie geht in den aggregierten Handlungen aus Alpha in Beta hinein unter, so dass man vereinfachend davon spricht, dass Alpha und Beta selbst die Handelnden und Leidende sind.

Aus libertärer Sicht ist es natürlich Unsinn sich Völker als Subjekte vorzustellen. Ereignisse müssen mittels des methodischen Individualismus analysiert und entsprechend beurteilt werden. Diese Vorstellung kommt dem intuitiven Rechtsempfinden der meisten Menschen entgegen, die eben nicht bereit sind hinzunehmen, dass Unschuldigen Schaden zugefügt wird. Das intuitive Rechtsempfinden lässt sich nicht einfach als romantische Vorstellung abtun. Denn es war wirkmächtig und hat z.B. die Entwicklung des humanistischen Völkerrechts weitergetrieben. Eine Entwicklung, die noch nicht abgeschlossen ist, wie die sinkende Toleranz gegenüber Kollateralschäden zeigt. Einen Abschluss wird sie wohl erst finden, wenn Krieg mit polizeilichen Mitteln geführt wird, wie es das libertäre Rechtsverständnis fordert. Doch spätestens hier geraten wir in einen Konflikt: Unter gleichstarken Parteien kann sich diejenige durchsetzen die schneller und rücksichtsloser agiert. Um es mit den Worten Clausewitz zu sagen:

Da der Gebrauch der physischen Gewalt in ihrem ganzen Umfange die Mitwirkung der Intelligenz auf keine Weise ausschließt, so muß der, welcher sich dieser Gewalt rücksichtslos, ohne Schonung des Blutes bedient, ein Übergewicht bekommen, wenn der Gegner es nicht tut. Dadurch gibt er dem anderen das Gesetz, und so steigern sich beide bis zum äußersten, ohne daß es andere Schranken gäbe als die der innewohnenden Gegengewichte.

Das Ziel schnell und rücksichtlos zu handeln, lässt sich nur verwirklichen, wenn wir die Komplexität unserer Wahrnehmung verringern. Der Methodischer Individualismus, auf dem unsere Rechtsauffassung beruht, steht dem entgegen. Wir sehen also dem Paradox gegenüber, dass es Situationen gibt, in denen die Verteidigung des Rechts nur gelingen kann, wenn man das Recht aufgibt.