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Was ist Soziale Gerechtigkeit?

Oktober 28, 2017

Der Beitrag „Du verdienst was du verdienst“ von Natascha ist polarisierend. Kein Wunder also, dass sich durch den Beitrag angestoßen eine größere Debatte entzündet hat. Um mehr Übersicht über die Debatte zu gewinnen rief Sebastian von hobbyinvestor.de zu einer Blogparade zu dem Thema soziale Gerechtigkeit auf. Hier also mein Beitrag zu dem.

Der Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ wird vor allem in der politischen Debatte verwendet. In der Regel impliziert die Absicht sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen, den Willen zu mehr Umverteilung. Oft wird soziale Gerechtigkeit mit sozialer Gleichheit gleichgesetzt. Eine saubere Bestimmung wann die soziale Gerechtigkeit verwirklicht sei bleiben uns ihre Befürworter meist schuldig, daher wird der Begriff meist in unklarer Weise gebraucht. In eine politische Debatte ist das günstig und in einen gewissen Rahmen auch legitim. Günstig ist es deswegen, weil jeder Adressat selbst ausmalen kann, was er unter sozialer Gerechtigkeit versteht. Legitim, weil in der politischen Debatte, die Dinge auch verkürzt dargestellt werden dürfen.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Begriff soziale Gerechtigkeit einen nur Schall und Rauch ist oder ob er einen harten Kern hat. Von den Philosophen die die soziale Gerechtigkeit in das Zentrum ihrer Überlegungen gestellt haben ist John Rawls vermutlich der bekannteste. Er definiert als Kriterium für Gerechtigkeit dass

„a) Jede Person hat den gleichen unabdingbaren Anspruch auf ein völlig adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit demselben System von Freiheiten für alle vereinbar ist. b) Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen erfüllen: erstens müssen sie mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die unter Bedingungen fairer Chancengleichheit allen offenstehen; und zweitens müssen sie den am wenigsten begünstigten Angehörigen der Gesellschaft den größten Vorteil bringen (Differenzprinzip).“ [John Rawls: Justice as Fairness. A Restatement.]

Nach Rawls ist ökonomische Ungleichheit also nur dann gerechtfertigt, wenn die am schlechtesten Gestellen durch die Ungleichheit profitieren. Unabhängig davon was man von diesem Grundsatz denkt, ist deutlich dass er die Maximalforderung nach Gleichheit darstellt. Von einer noch schärferen Forderung würde schließlich niemand mehr profitieren. Rawls zufolge ist eine Abweichung von dieser Maximalforderung unfair. Er begründet dies mit einem Gedankenexperiment, dem Schleier des Nichtwissens. Seine Argumentation beruht darauf, dass die Menschen ihre Gerechtigkeitsvorstellungen an ihre eigene Situation anpassen. Wenn jemand ein sehr hohes Einkommen hat, wird er Gerechtigkeit in einer Weise definieren, die hohe Einkommen zulässt. Jemand ärmeres wird Gleichheit stärker betonen. Die Entscheidung was als gerecht zu gelten hat, müsse also von jemanden gefällt werden, der seine Stellung in der Gesellschaft nicht kennt. Dies ist der „Schleier des Nichtwissens“.

Rawls geht davon aus das man sich unter dem Schleier des Nichtwissens auf die von ihm benannten Gerechtigkeitskriterien einigen würde. Er geht davon aus das man lieber auf der sicheren Seite sein will und daher nach dem Minimax-Prinzip entscheidet. Also seine Entscheidungen so tritt, dass man versucht  das Ergebnis, das man im schlechtesten Fall erhält, zu optimieren. Bezogen auf die Verteilung von Gesellschaftlichen Gütern ergibt sich daraus gerade das Differenzprinzip. Unter dem Schleier des Nichtwissens ist der schlechteste Fall gerade, dass man sein Angehöriger der am wenigsten begünstigtsten ist. Also wird das Ergebnis, dass im schlechtesten Fall eintritt, optimiert, wenn die gesellschaftlichen Regeln so ausgelegt werden, dass sie dem am wenigsten begünstigten den größten Vorteil bringen.

Der größte Schwachpunkt in Rawls Argumentation ist der Rückgriff auf das Minimax-Prinzip. Tatsächlich begründet er auch nicht weiter warum man unter dem Schleier des Nichtwissens nach dem Minimax-Prinzip entscheiden würde, er schreibt lediglich, dass er es für plausibel hält. In der Tat sind auch viele andere Entscheidungsmaximen denkbar. Die meisten Menschen würden es wohl bevorzugen, die Regeln so zu gestalten, dass der Durchschnitt (Median) optimiert wird, aber gleichzeitig ein Existenzminimum gewährt wird. Das  Minimax-Prinzip ist von allen denkbaren Entscheidungsmaximen dahingehend extrem das es die pessimistische und am stärksten risikovermeidende Entscheidungsregel ist. Sinn macht das Minimax-Prinzip in strategischen Situationen, d.h. wenn ich einen vernunftbegabten Gegenspieler habe, der versucht mir den größten Schaden zuzufügen. Ein solcher Gegenspieler würde sich an meine Entscheidungen derart anpassen, dass das für mich schlechteste Resultat eintritt. Es macht in strategischen Situationen also Sinn das schlechteste Resultat zu optimieren, weil ich mir sehr sicher sein kann, dass es das Resultat ist, das tatsächlich eintritt. Das Mimimax-Prinzip in einer Situation anzuwenden um der es um das persönliche Schicksal geht, macht nur für jemanden Sinn, der das Leben als Gegenspieler betrachtet. Es ist absolut denkbar, dass Rawls persönliche Schicksalschläge (seine Brüder starben noch in seiner Jugend) ihn zu einer äußerst pessimistischen Lebenshaltung gebracht haben.

Wie wir also gesehen haben, hängen die Entscheidungen, die man unter dem Schleier des Nichtwissens treffen würde, ganz entscheidend von seiner Risikoneigung ab. Es ist m.E. nicht einsichtig warum eine bestimmte Risikoneigung objektiver oder rationaler sein sollte als eine andere. Die persönliche Risikoneigung erklärt sich vor allem aus jemandes Biographie, etwas was man unter dem Schleier des Nichtwissens nicht besitzt. Das Problem beschränkt sich nicht nur auf die Risikoneigung, viele andere Charakterzüge, die für das Gerechtigkeitsempfinden maßgeblich sind, hängen von Lebenserfahrung und Lebenswelt ab. Ist das Gerechtigkeitsempfinden nicht etwas, was durch zunehmende Erfahrungen wächst und sich durch erworbene Einsichten verändert? Wenn wir Leistung oder Bedürftigkeit selbst erfahren ändert sich auch unser Blick auf die Gerechtigkeit. Damit ist meines Erachtens ist Rawls Programm, die Gerechtigkeit auf objektive Grundsätze zu stellen, zum Scheitern verurteilt; Gerechtigkeit ist grundsätzlich subjektiv.

Betrachtet man die Frage, ob es eine objektive Gerechtigkeit gibt, genauer, zeigt sich eine weitere Problematik. Warum ist es so wichtig die Gerechtigkeit auf objektive Grundätzte abzustellen? Letztlich geht es darum welche Grundsätze allgemeine Verbindlichkeit erhalten und im Zweifel durch die Staatsgewalt durchgesetzt werden. Rawls möchte jemanden sagen können: „Wir besteuern dich jetzt so hoch, dass gerade noch ein Anreiz zur Mehrleistung übrigbleibt und du hast das Ganze als fair zu empfinden. Denn du empfindest das nur aus deiner subjektiven Lage als unfair, wärst du objektiv würdest auch du erkennen, dass es nur gerecht ist, dich so hoch zu besteuern.“ Warum sollte man aber die Entscheidung eines fiktiven Wesens als verbindlich ansehen, wenn dessen Entscheidung in Konflikt mit dem eignen biographisch erworbenen Gerechtigkeitssinn steht? Rawls Absicht die Gerechtigkeitsgrundsätze ein für alle Mal fest zu legen, stehen letztlich auch quer zu einer pluralistischen Gesellschaft in der Regeln durch kontinuierliches Aushandeln entstehen.

Eine Gerechtigkeit, wie sie Rawls konzeptioniert hat, steht immer im Konflikt mit der persönlichen Freiheit. Rawls Ansatz liegt bereits die Annahme zu Grunde, dass die Güter, die verteilt werden können, der Gesellschaft als Ganzes gehören und nicht der Einzelne frei über sie verfügen kann. Die Güterverteilung wird in Rawls Denken von den gesellschaftlichen Regeln bestimmt, die aus den Gerechtigkeitsgrundsätzen deduziert werden sollten. Sie entsteht nicht daraus das die Einzelnen in gegenseitigen Austausch treten, wie das eigentlich der Fall ist. Je mehr Spielraum der Einzelne hat, über seine Resoucen frei zu entscheiden, desto eher entsteht eine Güterverteilung, die nicht mit Rawls Vorstellung konform geht. Der Verlust an Freiheit wiegt umso schwerer, wie unklar ist worin der Schaden besteht, wenn Rawls Gerechtigkeitsvorstellungen nicht durchgesetzt werden. Die meisten Menschen dürften viel mehr am absoluten Lebenstandard als am relativen interessiert sein. Wenn ich für mich genug habe, was interessiert es mich noch, ob der reichste Mann der Stadt das Zehnfache oder das Hundertfache von meinem Güterstand hat? Gut ein Reicher hat mehr Macht, darum möchte ich Regeln haben, die die Ausübung von Macht generell beschränken unabhängig davon ob Reichtum die Quelle der Macht ist oder ob sie auf einer anderen Quelle beruht.

Insgesamt stehen wir also vor der unbefriedigenden Situation, dass Soziale Gerechtigkeit nur schwer zu fassen ist. Zwar spielt der Begriff in der Politischen Debatte eine große Rolle, jedoch lässt sich gar nicht objektiv sagen wann sie verwirklicht ist. Damit bleibt sein Gebrauch immer problematisch.

Berufswahl und Oberflächlichkeit

Januar 18, 2013

Es gibt eine bestimmte linke Überzeugung mit der ich mich schon länger auseinandersetzten wollte, sie kommt in einer Überheblichkeit dem Normalen gegenüber zum Ausdruck. Eine gute Gelegenheit für eine Kritik hat mir der Gastbeitrag von Ariadne von Schirach Risiko Zombie oder warum es sich lohnt, das Leben zu wagen (1) auf dem Blicklog ergeben. Von Schirachs Argumente sind nicht gerade neu, aber sie haben immerhin den Vorteil besonders eloquent vorgetragen zu werden.

Von Schirach entwickelt ihre Argumentation anhand einer Charakterisierung eines 19-jährigen Abiturienten. Der Abiturient K. (mehr erfahren wir nicht über seinen Namen) hat vor Jura zu studieren,  gutes Geld zu verdienen und wenn sich die Möglichkeit ergibt berühmt zu werden. Es sind sicher keinen außergewöhnlichen Wünsche, sie sind weder überzogenen noch defätistisch. Und der Plan sie zu verwirklichen klingt vernünftig. Wie reagiert von Schirach auf sie?

„Der Weg zum Beruf ist nicht der Weg zu sich. Dass diese beiden Dinge sich so unheilig vermischen, ist der Marktwerdung des Menschen geschuldet, dessen Wert nur noch in seiner wirtschaftlichen Verwertbarkeit zu bestehen scheint.“

Soll man also nicht davon ausgehen, dass die Frage welchen Beruf man ergreifen will, die Frage ist, die einen Schulabgänger am meisten beschäftigt? Wäre es nicht gerade fahrlässig, wenn es anders wäre? Entweder von Schirach hat den Aufhänger ihres Essays besondere unachtsam ausgewählt oder ihr fehlt es an Empathie. Aber auch davon abgesehen liegt von Schirach falsch. Es gibt natürlich einen engen Zusammenhang von Berufswahl und Persönlichkeit. Welchen Beruf wir ergreifen ist ein Ausdruck unserer Selbstentfaltung. Die Erfahrungen, die wir während unserer Ausbildung machen, werden uns für immer prägen. Und nicht zuletzt ziehen bestimmte Berufe bestimmte Menschen an. Der Charakter von Juristen, Politologen oder Physikern ähnelt sich untereinander stärker als der von Studenten im Allgemeinen. Es stimmt zwar auch das unsere Persönlichkeit weitaus mehr umfasst als nur unseren Beruf, aber von Schirach sieht jede Art von Identifikation über den Beruf als „unheilig“ an.

Von Schirach scheint die Berufswahl allein unter dem materiellen Aspekt zu sehen. Dass sie für die meisten Menschen eine persönlichere Bedeutung hat übersieht sie entweder oder blendet es damit sich ein runderer Text ergibt. Aber damit führt auch der zweite Teil des zitierten Abschnitts in die Irre, die hohe Bedeutung der Berufswahl liegt weder an der „Marktwerdung des Menschen“ noch seiner „wirtschaftlichen Verwertbarkeit“. Man kann ihr bestenfalls soweit folgen, dass die Berufswahl nicht unter materiellen Aspekten gefällt werden sollten. Dazu unten mehr.

Weiter schildert von Schirach Ks Motive folgendermaßen: Er sei darauf fixiert seinen Marktwert zu bestimmen, möchte ein Winner werden, suche nach Sicherheit und Souveränität. Dabei sei ihm bewusst, dass „weder Geld noch Erfolg dieses Versprechen einlösen können das Versprechen nämlich, Herr seines Lebens zu sein, es zu meistern“

Für von Schirach stellen diese Motive eine Gleichzeitigkeit von „totalem Konformismus und ebenso totalem Glauben an die eigene Unbestechlichkeit“ dar, dies sei ihr zu Folge die moderne Form von Adornos Verblendungszusammenhang. Man kann nicht abstreiten, dass es einen Widerspruch zwischen K. Verhalten und seinen Verlautbarungen gibt. Wenn sein Handeln nicht seinem Ziel dient Sicherheit und Souveränität zu erlangen dient, warum handelt er dann in dieser Weise?

Ich denke nicht, dass der Mensch ein reines Verstandeswesen ist, er ist in viel höheren Maße ein Instinktwesen. Zu seinen Instinkten gehört auch nicht allzu sehr von der Masse abzuweichen. Allerdings hat dieser Instinkt auch sein Gutes. Auch wenn die Masse selten zu einem guten Ergebnis kommt, kommt sie doch aus selten zu einem katastrophal schlechten. Wer sich gegen die Masse stellt sollte sehr genau wissen was er tut. K. verhält sich so wie sich die meisten in seiner Situation verhalten und wählt ein Studium. Für die einen ist das ein Verblendungszusammenhang, für die anderen ein simples Abwägen zwischen Sicherheit und Chancen.

Von Schirach geht von einer überraschenden Passivität aus. Sie schreibt von einer „Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die sich irgendwann fast ohne eigenes Zutun ereignen wird“ oder von der Bereitschaft, sich dem Marktgeschehen zu überlassen. Hier kommt ihre Unfähigkeit zum Ausdruck, die Freiheit wo anderes zu entdecken als im kollektiven Handeln. Dies ist eine viel gefährlichere Lüge als alles was sie dem Kapitalismus andichtet. Es ist die Illusion im Hier und Jetzt keine Kontrolle über unser Leben zu haben, sondern diese Kontrolle einzig und allein durch einen kollektiven Akt der Auflehnung gegen das Bestehende erreichen zu können. Die Illusion keine Kontrolle über das eigene Leben zu haben mache ich dafür verantwortlich, dass viele ihre eigentlichen Chancen übersehen. Der Grund dafür, dass Linke überdurchschnittlich oft unter Depression oder Angstzuständen leiden, ist meines Erachtens das ihr Weltbild sie in diesem Irrglauben noch bestärkt.

Trotz aller antikapitalistischer Ressentiment schafft es von Schirach schließlich doch etwas sinnvolles zu schreiben: „Damit folgt er der allersimpelsten kapitalistischen Logik, einer Logik der „Kaufbarkeit“, die verspricht, einen inneren Zustand durch äußere Objekte zu ersetzen: Meine Bücherwand ist für mich gebildet, meine Kleidung hat für mich Geschmack, mein Wagen ist für mich sportlich. Diese fatale Verschiebung wird begleitet von der
Vorstellung, es sei jederzeit möglich, ein Schnäppchen zu machen, also etwas Kostbares für den Bruchteil seines Wertes zu bekommen. Souveränität nun, oder auch Charakter, Persönlichkeit, Eigenständigkeit gehören zum wertvollsten Besitz eines Menschen und müssen – wie alles von Wert – mühsam erworben werden. Dieser Erwerb ist innere, seelische Arbeit, ist ein Aussetzen
und Aushalten und Annehmen.“

Was so antikapitalistisch daherkommt hat mit Kapitalismus wenig zu tun, sondern ist eine Kritik an materialistischem Denken. Diese Kritik teile ich. Das von Schirach eigentlich den Materialismus kritisiert konnte man schon an vorhergehenden Textstellen ahnen: Den Wert des Menschen nur noch in seiner wirtschaftlichen Verwertbarkeit zu bemessen, ist nicht Kapitalismus sondern Materialismus. Im Etatismus werden Menschen noch sehr viel mehr auf ihren wirtschaftlichen Wert beschränkt, weil dort der Mensch sehr viel mehr angeblich höheren Zwecken (z.B. Vaterland und Rente) untergeordnet wird. Den Kapitalismus eine  Logik der „Kaufbarkeit“ zu unterstellen, heißt nichts anderes als eine Karikatur von ihm zu zeichnen.

Was von Schirach übersieht, ist das man nicht dem Materialismus verfallen sein muss, um vom Kapitalismus zu profitieren. Von Schirach glaubt offensichtlich, dass es die dominierenden Verhaltensweisen die Menschen um ihre Chancen beraubt. So schreibt sie von der ausgebeuteten Jugend oder „Es gibt keine Ausnahmen. Und nur der Glaube jedes Einzelnen, die Ausnahme zu sein, hält das System am laufen.“ Sie übersieht, dass der Markt die Realitäten mit denen wir zu leben haben nur abbildet, aber nicht selbst hervorbringt. Wir können nicht in allen Lebensbereichen gleichermaßen glänzen, dafür reichen unsere zeitlichen und mentalen Ressourcen nicht aus. Wir müssen also den Preis zahlen in bestimmten Bereichen zu versagen, um in anderen Erfolgen zu haben. Wenn wir uns dessen bewusst sind, ist der Misserfolg in einem Bereich nur der Preis für den Erfolg in einem anderen. Sein Leben auch im Hinblick auf die eigene Unvollkommenheit zu gestalten ist Freiheit. Dazu ist es nötig zwischen Alternativen wählen zu können und sich Alternativen sogar selbst schaffen zu können. Kapitalismus ist nichts anderes als die Möglichkeit der Wahl im wirtschaftlichen Bereich. Aber auf dem Markt wirken die Konsequenzen unserer Entscheidungen, ihre Kosten unmittelbar auf uns zurück. Gerade weil der Markt auf brutale Weise ehrlich ist, ermöglich er dem Einzelnen die Freiheit.

Was ist also die typisch linke Einstellung die ich in von Schirachs Artikel kritisiere? Es ist der Versuch die Verantwortung für sein Glück dem Einzelnen zu entreißen und sie dem Gesellschaftlichen zu überantworten. Diese Einstellung ist durchaus militant, denn sie geht mit einer Verachtung gegenüber allen einher, die es wagen ihr Glück in der Gestaltung des eigen Lebens zu suchen und sich damit der Vergesellschaftlichung widersetzen.

Naives Misstrauen

Dezember 19, 2012

In politischen Diskussionen wird man oft bemerken, dass es so gut wie nie zu einem Konsens kommt und trotzdem alle Beteiligen ihre Überzeugung für vernünftig halten. Der Grund dafür liegt seltener in unterschiedlichen Werturteilen, sondern darin das Tatsachen anhand unterschiedlicher Heuristiken eingeordnet werden. Eine Studie über die Wirkung von Derivaten auf die Lebensmittelpreise mag den einen überzeugen, der andere hält sie für ein Produkt von Lobbyismus und ignoriert sie einfach. Eine Heuristik, die ich für besonders schädlich halte ist die Angst, dass uns die Dinge, die wir nicht verstehen, zum Nachteil gereichen, das naive Misstrauen.

Prominente Beispiele für diese Art des Denkens findet man in Diskussionen über Gentechnik oder Spekulation. So wird die Gentechnik häufig mit dem Argument angegriffen, dass man die Wirkung von gentechnischen Eingriffen prinzipiell nicht vorhersehen kann. Hier wird unterstellt, dass das, was Laien nicht durchschauen können, mit hohen Risiken verbunden sein muss. Deutlicher tritt das naive Misstrauen beim Thema Spekulation hervor. Der Vorwurf ist hier, dass Spekulation keine Werte erzeugt und der Spekulant folgerichtig am Rest der Wirtschaft schmarotz. Die Lücken in diesem Bild werden mit Mutmaßungen aufgefüllt. Dem Spekulanten werden Fähigkeiten zugeschrieben, die nicht im Bereich des Möglichen liegen. Etwa das er fähig sei dauerhaft enorme Gewinne zu generieren.

Das naive Misstrauen zeichnet sich dadurch aus, dass diejenigen die diese Heuristik verwenden, nicht daran interessiert sind, ihren Kenntnisstand in der Streitfrage zu verbessern. Der Grund  liegt zum Teil darin, dass man die eigenen Mutmaßungen mit Wissen verwechselt, teils glaubt man nicht mehr daran, dass objektives Wissen möglich ist. Der Wissenschaft wird unterstellt, dass sie gekauft sei. Aufgrund seines beschränkten Kenntnisstandes ist der Naiv-Misstrauische nicht in der Lage den Nutzen einer bestimmten Handlungsweise zu erfassen. Aus dem Umstand, dass ihm kein Nutzen bekannt ist, schließt er, dass sie tatsächlich keinen Nutzen stiftet.

Saatgutunternehmen wird oft vorgeworfen, dass gentechnisch veränderte Hybridsaat, die nicht zur Wiederaussaat geeignet ist, Kleinbauern benachteiligen würde. Die Naivität des Misstrauens gegenüber Gentechnik wird hier besonders deutlich. Wer so argumentiert glaubt besser einschätzen zu können, was den Kleinbauern nütz als diese selbst. Ein Bauer wird die Saat verwenden, von der er sich den höchsten Nutzen verspricht. Er wird sich das sehr genau überlegen, weil buchstäblich seine Existenz davon abhängt. Die Wahl eines Bauern ist also ein sehr guter Indikator dafür, was die geeignetste Saat ist. Somit belegt die weltweite Verbreitung der Gentechnik, dass sie den Landwirten Vorteile bringt.

Eine Handlungsweise die scheinbar keinen Nutzen stiftet, aber von der manche dennoch profitieren, weckt natürlich die Angst übervorteilt zu werden. Wenn es keinen Nutzen gibt, muss der Vorteil zu Lasten anderer gehen. Die Furcht vor dem Unverstandenen hat noch eine andere Quelle: Die Angst davor, dass das Unverstandenen die eigene Lebensweise überwältigt. Im Fall der Spekulation äußert sich die Angst in der Befürchtung, dass sie die Wirtschaft destabilisiert. Wahrscheinlich hat auch Homophobie hier seine Ursache.

Das naive Misstrauen ist ein Rückfall hinter die Aufklärung. Naives Misstrauen lebt von der Ansicht, dass es nicht möglich ist den Dingen auf den Grund zu gehen. Entweder es bleibt bei oberflächlichen Mutmaßungen stehen und ahnt nicht, dass es noch ein tieferes Wissen gibt oder es unterstellt, dass uns aufgrund von Standpunkt und Interessen der Zugang zur Objektivität versperrt ist. Es verharrt damit in der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Es war der Anspruch der Aufklärung, dass die Gründe aufgrund deren etwas für wahr gehalten werden, durch jeden nachgeprüft werden können. Das naive Misstrauen verwirft, diesen Anspruch. Erkenntnis wird an Experten delegiert und deren Ergebnisse als willkürlich verworfen.

Dem naiven Misstrauen ist ein begründetest Vertrauen entgegenzusetzen, den Weg dahin zeigt die Aufklärung auf. Auch ein gebildeter Mensch kann nicht alle Streitfragen auf höchstem Niveau beurteilen. Bei der Meinungsbildung müssen wir zwangsläufig auf Heuristiken zurückgreifen. Daher lohnt es sich über diese besonders Intensiv zu reflektieren. Eine besser Heuristik als das naive Misstrauen ist etwa folgende: Wenn Menschen zur freiwilliger Interaktion bereit  sind, ist davon auszugehen, dass die Interaktion allen Beteiligten zum Nutzen gereicht, auch wenn dieser für uns schwer zu erkennen ist. Man kann diese Heuristik logisch erschließen. Andere haben einen besseren Einblick in ihre Lebensumstände und den Einflüssen, die darauf wirken. Ihren Entscheidungen ist also informierter als unsere Mutmaßung welche Entscheidung an ihrer Stelle richtig wäre. Das Vertrauen in diese Heuristik wächst, wenn sie sich empirisch bestätigt. Man kann dazu sein Wissen in bestimmten Bereichen vertiefen, um zu verstehen worin der Nutzen liegt der Außenstehenden verborgen bleibt.

 Um das naive Misstrauen zu überwinden ist noch eine zweite Heuristik nötig: Das Vertrauen in das, was uns Nutzen bringt. Die Angst vor dem Unverstandenen, ist oft die Angst davor, das zu verlieren was uns nutzt. Der Grund ist, dass wir das Nützliche oft für ein Produkt des Zufalls halten. Wer glaubt, dass Spekulanten die Preise hochtreiben können, glaubt dass die Preise eine rein willkürliche Übereinkunft sind. Wenn man die Einflussfaktoren begreift durch die ein Preis festgelegt wird, wird sehen, dass sich die Höhe eines Preises exakt durch diese bestimmt wird. Solch ein Wissen schafft Vertrauen. Die Zukunft ist nicht völlig unvorhersehbar, sondern verläuft im Rahmen dessen, was absehbar ist. Je besser wir unser Lebensumstände verstehen, umso besser können wir unterscheiden was wir fürchten müssen und welche Furcht unbegründet ist. Unterm Strich wird das Leben entspannter.

In der Höhle der Grünen

Dezember 14, 2012

Letze Woche hat es mich aus Interesse in eine „Informationsveranstaltung“ der örtlichen Naturschutzgruppe verschlagen. Der Referent Felix zu Löwenstein hielt einen durchaus spannenden und interessanten Vortrag zu dem Thema: „Welternährung in Zeiten von Klimawandel und globaler Ressourcenkrise“. Natürlich war ich in den meisten Punkten absolut anderer Ansicht als der Vortragende, aber dennoch konnte ich einige interessante Denkanstöße mitnehmen.

Zu Löwenstein erläuterte in seinem Vortrag drei Thesen: 1. Es bedarf keiner Produktivitätssteigerungen, um die Welternährung zu sichern. 2. Die konventionelle Landwirtschaft kann nicht weiter geführt werden. 3. Die ökologische Landwirtschaft kann die Weltbevölkerung ernähren.

Um die These zu stützen, dass es keiner Produktivitätssteigerung bedürfe führt Löwenstein an, dass 50% aller Lebensmittel verderben und es ausreiche, diesen Anteil zu reduzieren. Meiner Ansicht mag das stimmen, aber trotzdem könnten Produktivitätssteigerung ab einen bestimmten Punk billiger sein, als mit hohem Aufwand den Anteil der Lebensmittel die tatsächlich verzehrt werden zu steigern. Wenn  Produktivitätssteigerung möglich sind, warum darauf verzichten?

Die zweite These, die konventionelle Landwirtschaft könne nicht weiter geführt werden ist schon interessanter. Löwenstein führt verschiedene Argumente gegen die konventionelle Landwirtschaft ins Feld. Die erste ist der Ressourcenverbrauch, der mit der konventionellen Landwirtschaft einhergeht. Zur Herstellung von Kunstdünger ist viel Energie notwendig, was zum Beispiel am Haber-Bosch-Verfahren liegt. Da die fossilen Energieträger zu Neige gehen, sei ein Umdenken erforderlich. Diesem Punkt kann ich mich nicht anschließen, da durch neue Fördertechniken die Reichweite der fossilen Energieträger wieder steigt, im Fall der Kohle mehr als 100 Jahre beträgt und sie zur Not auch durch Kernenergie ersetz werden können. Wenn es hier also ein Problem gibt, keines dass sich in absehbarer Zukunft stellen wird.

 Eine weiter endliche Ressource sei Phosphor. Dieser reiche nach den Optimistischen Schätzungen nur noch 300 Jahre. Dies ist Löwenstein zu wenig und stellt dem die 500 Jahre entgegen, die sein Gut schon bewirtschaftet werden. Auch hier sehe ich kein Handlungsbedarf in 300 Jahren können sich leicht Phosphorquellen erschließen, an die heute noch keiner denkt. Rückgewinnung aus der Kanalisation, Abbau aus dem Weltraum oder die Erzeugung durch Kernfusion seien mal als Denkanstöße genannt.

Weiter argumentiert Löwenstein mit der Umweltbelastung durch die Landwirtschaft. Das halte ich tatsächlich für sein stärkstes Argument. So führt er zum Beispiel auf, dass in Niedersachen an vielen Orten, die Grundwasserbelastung mit Stickoxiden über den Grenzwerten liegen und dass durch den Nährstoffeintrag in die Meere sich Todeszonen am Meeresgrund gebildet haben. Hier hat er mich tatsächlich teilweise überzeugt. Ich denke, dass Mechanismen sinnvoll wären, mit dem die Emissionen aus der Landwirtschaft begrenzen lassen. Allerding hat pro Ertrag gerechnet die Ökologische Landwirtschaft oft negativere Auswirkung auf die Umwelt als die konventionelle.

Um die These zu stützen, dass die ökologische Landwirtschaft die Weltbevölkerung ernähren kann nennt Löwenstein einige wohl erfolgreiche Projekte, bei denen mit ökologischer Landwirtschaft, ähnliche Effekte erzielen lassen, wie in der konventionellen Landwirtschaft. Dem mag so sein, aber Einzelfälle ändern nichts am großen Bild, dass Ökolebensmittel so teuer sind dass sie sich nicht jeder leisten kann und die technischen Voraussetzungen fehlen um damit wirklich das Groß der Menschheit zu ernähren.

Löwensteins Vortrag war durchaus angenehm zu folgen und er war für einen Grünen erstaunlich differenziert. So sah er die Zukunft in einem Systemwettbewerb zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft und sah ein, dass es auch in der ökologischen Landwirtschaft Spezialisierung und Großbetriebe geben muss, um konkurrenzfähig zu sein.

Die entscheidende Lücke in der Argumentation war, dass aus ihr nicht hervor ging, warum nun ausgerechnet die Ökologische Landwirtschaft die Lösung sein sollte. Er hat bestenfalls gezeigt, dass eine Input-arme Landwirtschaft notwendig sein könnte. Die Ökologische Landwirtschaft aber umfasst einiges mehr zum Beispiel den Verzicht auf Gentechnik. Andererseits ist in der Ökologischen Landwirtschaft die Verwendung von Naturstoffen auch dann legitim, wenn sie die Umwelt belasten. Meines Erachtens erkennt man daran, dass es den Befürwortern der Ökologischen Landwirtschaft nicht um die aufgeworfenen Probleme geht, sondern dass sie vielmehr durch ein Unbehagen gegenüber der Technik motiviert werden. Erst wenn man dieses Motiv in Erwägung zieht, machen die Regeln der Ökologischen Landwirtschaft Sinn. Die vielen Lücken in Löwensteins Argumentation waren also eine Folge davon, dass er nach den Prinzip agierte, ich habe eine Lösung jetzt suche ich mir ein Problem, um die Menschen davon zu überzeugen.

Der Interessante Teil des Abends begann nach dem eigentlichen Vortrag, als das Publikum einige Fragen an den Vortragenden stellen konnte. Wie bei so einem Vortrag nicht anders zu erwarten, bestand das Publikum überwiegend, aus überzeugten Anhängern der ökologischen Landwirtschaft. Zwei Beiträge sind mir noch besonders in Erinnerung. Der erste warf die Frage auf, warum es immer noch Widerstand gegen die Ökologische Landwirtschaft gibt, wenn doch die Fakten eindeutig für sie sprächen. Die Vermutung ging schnell dahin, dass es Wirtschaftsinteressen seinen, die die Politik entsprechend steuern. (Das war nicht der einzige Redebeitrag der in diese Richtung ging.) Die Wortmeldung fand ich aus psychologischer Hinsicht interessant. Die dargelegten Fakten, waren alles andere als eindeutig, sonder ließen einen weiten Raum für unterschiedliche Interpretationen. Aber statt zu akzeptieren, dass man mit der eigenen Meinung in der Minderheit ist, wurde versucht finstere Mächte dafür verantwortlich zu machen. Dabei ist es viel wahrscheinlicher, dass die konventionelle Landwirtschaft dominiert, weil sie eher den Interessen der Konsumenten entspricht. Natürlich spielt Lobbyismus in vielen Fällen tatsächlich eine Rolle, er gibt aber nicht den Ausschlag. Interessant finde ich, wie Technologiefeindlichkeit und die Ansicht, dass die Welt von wenigen Großkonzernen gesteuert wird oft Hand in Hand geht und die eine Sichtweise als „Beweis“ für die andere herhalten muss.

Der zweite Wortbeitrag stammt von einer Schülerin, die berichtet, dass eines Tages ihre Mutter völlig aufgelöst zur ihr kam und entsetzt darüber war, dass bald eine gentechnisch veränderte Maissorte zugelassen werden würde und sie stellte die Frage, wie man eine Change gegen einen großen und mächtigen Konzern wie Monsanto haben könne. Aus meiner Sicht ist die Angst vor Gentechnik völlig irrational, noch nie wurde ein Schaden durch Gentechnik verursacht und das ist auch kein Wunder, weil technisch gesehen bei der Gentechnik nicht viel anderes passiert, als in der Natur oder in der Züchtung sowieso viele tausendmal so oft geschieht. Für mich war der Beitrag ein Beispiel dafür, dass technikfeindliche Propaganda Schäden verursacht, indem sie die Menschen in unbegründete Schrecken versetzt. Der zweite Teil des Beitrags, war ein gutes Beispiel dafür, wie leicht man die Menschen dazu bringen kann etwas zu hassen, wenn man sie dazu bringt Angst vor etwas zu haben. Es ist sicher kein Zufall, das Saatgutfirmen und ihre Mitarbeiter immer wieder Opfer von Verbrechen werden. Die versammelte Runde war sichtlich stolz Europa gentechnikfrei gehalten zu haben, aber man muss bedenken dass man es mit den selben Mitteln geschafft haben, mit denen Rechtsradikale Städte ausländerfrei halten.

Vom Reichtum einzelner profitieren alle!

Oktober 5, 2012

Mit der Veröffentlichung des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung mehren sich wieder einmal die Stimmen, die nach mehr Umverteilung und mehr Besteuerung verlangen. Meiner Meinung nach zeugen solche Forderungen von einem schiefen Wertesystem. Es ist leicht zu durchschauen, dass das Motiv hinter diesen Forderungen nicht ist, das es den Armen besser geht, sondern den Reichen schlechter. Das erkennt man daran, dass durch Umverteilung gar nicht die Mittel bereitgestellt werden können, die nötig wären, um den Lebensstandard der breiten Bevölkerung dauerhaft zu beeinflussen. Die Umverteilung als Mittel für das vorgegebene Ziel also völlig ungeeignet ist.

So liegt das Gesamtvermögen in Deutschland bei etwa 8 Billionen Euro, pro Deutschem rund 100000 Euro. Auf den ersten Blick recht viel, aber das relativiert sich, wenn man überlegt, was man damit anfangen würde. Sicher angelegt würden 10000 Euro ein passives Einkommen von weniger als 170 Euro im Monat bedeuten, würde man das Vermögen der Welt auf jeden Erdenbürger verteilen reicht es sogar nur für ein passives Einkommen von 30 Euro. 170 Euro ist nicht wenig, aber nicht genug um von einem anderen Lebensstandard sprechen zu können. (Dank an Zettel für dieses Argument)Also ist in letzter Konsequenz das Ziel der Umverteilungsdebatte den Reichtum zu zerstören.

Ein weitaus besseres Mittel um den Lebensstandard der Armen zu heben, dürfte es sein den Reichen ihren Reichtum zu lassen und produktiv einsetzten zu lassen. Denn hinter dem Vermögen der Reichen steht letzten Endes der Kapitalstock, der erst die hohen Arbeitseinkommen der entwickelten Welt ermöglichen. Allein durch Investitionen in leistungsfähige Arbeitsmittel, wie etwa Maschinen oder Transportmittel kann die hohe Produktivität erreicht werden,  die sich in hohen Löhnen niederschlägt. Wird der Kapitalstock zerstört, wird auch die Basis für den Wohlstand der breiten Masse vernichtet.

Selbst dann, wenn gar nicht versucht wird den Kapitalstock zu zerstören, sondern ihn durch politische anstatt durch marktwirtschafliche Mittel zu organisieren, ist das Ergebnis die Zerstörung des Kapitalstocks. In der reinsten Form mussten diese Erfahrung die Kommunisten machen. Der Grund ist, dass das Kapital sich nur dann erhalten kann, wenn es wirtschaftlich eingesetzt wird. Das ist nur dann sichergestellt, wenn diejenigen, die über den Einsatz des Kapitals entscheiden, auch von den Erträgen, die das Kapital abwirft profitieren, kann. Andernfalls werden die Entscheidungsträger ihre Entscheidungen nach anderen Kriterien treffen, etwa um ihnen nahestehende Personen zu protegieren oder um politische Vorteile zu gewinnen.

Neben den gesellschaftlichen Nutzen, spricht auch die Moral gegen Umverteilung. Ob jemand Vermögen erwirbt oder nicht hängt direkt von den Entscheidungen ab, die er trifft. Wenn jemand trotz gutem Einkommen, er dieses lieber verkonsumiert, dreimal im Jahr in den Urlaub fliegt und sich ein großes Haus gönnt und kein eben Vermögen bildet, kann derjenige schlecht Ansprüche gegen jemanden anmelden, der sparsam lebt und sein Erspartes klug investiert. Große Vermögen entstehen durch unternehmerisches Engagement. Wer sich nicht unternehmerisch engagiert, kann nicht erwarten ein großes Vermögen aufzubauen und auch nicht von denen, den ein großes Vermögen gelingt, Entschädigung dafür verlangen, dass ihm kein großes Vermögen gelingt.

Vermögen setzt letztlich unternehmerisches Geschick, Risiko und Glück voraus. Glück wird meines Erachtens überschätzt, denn nur der kann sein Glück nutzen, der fähig ist seine Chancen zu erkennen und der sein Kapital im Risiko stehen hat. Ein Vermögen ist oft die Kompensation für das Risiko das man eingegangen ist. In der Regel bedeutet unternehmerisches Risiko wieder bei null anfangen zu müssen, wenn das Geschäft scheitert. Man hat also nur sehr wenige Chancen im Leben, ein großes Vermögen zu machen. Wenn Leute bereit sind ein derartiges Risiko auf sich zu nehmen, um eine Change auf Reichtum zu erhalten, tut man ihnen Unrecht, wenn man versucht sie im Erfolgsfall um ihren Erfolg zu betrügen. Auch Unternehmerisches Geschick fällt niemanden in den Schoß. Man muss es mühsam erwerben und sich dabei mit eher unspannenden Themen, wie Buchhaltung und Wirtschaftsrecht auseinandersetzten. Die Zeit die man opfert um ein guter Unternehmer zu werden, hätte man auch nutzen können um seine Persönlichkeit auf anderen Gebieten weiter zu entwickeln. Der Aufbau eines großen Vermögens ist also immer mit erheblichen Mühen und Risiken verbunden, daher wird ein großes Vermögen immer etwas Seltenes bleiben. Wer die Mühen und Risiken scheut kann auch kein Recht erwerben, an den Vermögen anderer beteiligt zu werden, er erleidet keine Ungerechtigkeit, wenn ihm kein Vermögen zufällt.

Natürlich hat nicht jeder Reiche sein Reichtum auf rechtschaffende Art erworben. Subventionen und Schutz vor Wettbewerbern spielen oft eine große Rolle. Daraus jedoch eine Forderung an jeden aus der Gruppe der Wohlhabenden zu konstruieren, ist dumpfster Kollektivismus. Wichtiger als sich in Vorurteilen gegen Vermögen zu ergötzen ist es die Bedingungen zu bekämpfen unter denen auf unrechtsschaffende Art und Weise Vermögen entstehen kann. Das heißt vor allem den Einfluss der Politik auf die Wirtschaft zurück zu drängen. (Siehe Nutz Wettbewerb den Starken mehr als den Schwachen?)

Wir haben also gesehen, dass Umverteilung im Endeffekt niemanden nützt, außer denen, die durch sie politische Macht erlangen. Dass sie den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand bedroht, da mit zunehmender Umverteilung, die Kapitalbildung zurückgeht und das Kapital weniger effektiv eingesetzt wird. Schließlich dass das Vermögen des Einzelnen von seinen Lebensentscheidungen abhängt und die pauschale Verurteilung der Vermögenden, die man in der Reichtumsdebatte oft sieht, nicht gerechtfertigt ist. Rationaler als eine Umverteilung des Vermögens wäre eine Besteuerung der Intelligenz oder der sexuellen Attraktivität.

(Siehe auch Ars Libertatis zur Umverteilung)

Warum ich (k)ein Biologist bin

Dezember 8, 2010

In zwei meiner früheren Artikel argumentierte ich mit biologisch vorgegebenen Dispositionen. In „Männlichkeit als Bedrohung und Triebfeder“ beschrieb ich das ausgeprägte Konkurrenzstreben von Männern und die gesellschaftlichen Reaktionen auf dieses. In „Warum Geschlechtsdifferenz nicht gleich Diskriminierung ist“ wie der Umstand, dass das Konkurrenzstreben bei Frauen weniger stark ausgeprägt ist, zu Unterschieden in den Lebensentwürfen führen, die sich auch in der Lohn- und Gehaltstatistik niederschlagen.

Solche Argumente haben immer etwas Anrüchiges. Konfrontiert man etwa Feministen mit Argumente, die auf evolutionsbiologischen Überlegungen basieren, wird auf diese gar nicht erst eingegangen, sondern bestenfalls wird darauf verwiesen, dass die Überlegungen das Produkt der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse sind und somit keine Beweiskraft haben. Trifft man auf die üblere Sorte kann es einen passieren, das einem unterstellt wird, Frauen von Natur aus einen Platz zuzuweisen oder den Nazis das Wort zu reden. Argumente, die sich auf die biologischen Vorgaben beziehen, müssen also zwei Kritiken standhalten einer erkenntnis- theoretischen und ethischen.

Die Erkenntnistheoretische Sicht geht auf den Ideologiebegriff Karl Marx zurück. Dem zufolge dienen die jeweils vorherrschenden Ideen der herrschenden Klasse, indem sie die eigentlichen Machtverhältnisse verschleiern und rechtfertigen. Es wird in solchen Kritiken eine Petitio principii unterstellt, die Machtverhältnisse strukturieren die Erwartungen an den Forschungsgegenstand und diese Erwartungen führen zu Thesen, die die Machtverhältnisse rechtfertigen.

Das ist oberflächlich gesehen plausibel. Dass diese Kritik falsch ist, ergibt sich erst wenn man sich mit den Details der Forschung beschäftigt. So ist es leicht sich Ergebnisse für offene Fragestellungen zu überlegen, die mit den Erwartungen und verwendete Methoden vereinbar sind, aber die Machtverhältnisse nicht decken. Oder man betrachtet die Ergebnisse die die gesellschaftlichen Strukturen nicht decken, etwa dass die sexuellen Vorlieben der Menschen nur teilweise der Monogamie entsprechen. Zu guter Letzt ist es noch nicht mal überraschend, dass sich die bestehende Verhältnisse durch manche empirischen Befunde rechtfertigen lassen, denn die Verhältnisse müssen sich an die empirische Realität anpassen, um bestehen zu können.

Eine Erkenntnistheoretische Kritik von Argumenten müsste weit mehr leisten als der Verweis auf die Ideologiekritik. Sie müsste zeigen welche Vorstellungen der kritisierten These zugrunde liegen, wie diese zustande kommen und dass ohne sie die These nicht aufrechtzuerhalten ist. Gerade der letzte Punkt erfordert viel Sachkenntnis. Mit ist jedoch kein Fall bekannt, in dem eine derart detaillierte Kritik geleistet wurde. Die meisten Poststrukturalisten bleiben auf der Ebene der Allgemeinplätze stehen.

Kommen wir zur normativen Kritik des Biologismus. Der verbreiteteste Vorwurf ist das durch ihn die gesellschaftlichen Rollen fixiert werden. Es wird ihm die Position untergeschoben, dass Frauen und Männer ein bestimmtes Wesen hätten und Abweichungen von diesem zu bekämpfen seien. Das folgt natürlich nicht, aus dem Verweis auf biologisch vorgegebenen Dispositionen. Die empirisch-induktive Methode der Naturwissenschaften macht es unmöglich endgültige Aussagen über das Wesen einer Sache zu treffen. Wenn man einen Menschen trifft, der von dem abweicht, was man für das Wesen des Menschen hält, erfordert die wissenschaftliche Methode, dass man die Vorstellung vom Wesen des Menschen revidieren und nicht die Erscheinung des Abweichenden bekämpfen. Daher sind Versuche Wesens- zuschreibungen biologisch zu stützen pseudowissenschaftlich.

Solche Wesenszuschreibungen können auf zwei Arten verwendet werden. Zum einen können Unterschiede zwischen Populationen verwendet werden, um Diskriminierungen auf individueller Ebene zu rechtfertigen. Das ist natürlich Unsinn, da das Verhalten und die Eigenschaften der Einzelnen durch die Zugehörigkeit zu einer Population nicht vollständig determiniert sind. Es besteht immer die Möglichkeit von Abweichungen. Weil Grünäugige im Schnitt bessere vertrauenswürdiger sind als Blauäugige, kann man per se nicht alle Grünäugigen den Blauäugigen vorziehen, wenn es darum geht verantwortliche Positionen zu besetzten. Zum anderen können Unterschiede zwischen Populationen geleugnet werden. Hier wird eine Wesensgleichheit behauptet, die faktisch nicht vorhanden ist. Im Beispiel würde man aus dem zu erwartenden Umstand, dass Grünäugige häufiger in verantwortliche Positionen zu finden sind, schießen das Blauäugige diskriminiert werden und Maßnahmen fordern, die diesen Umstand beseitigen.

Die Kritik das gesellschaftliche Rollen fixiert werden, geht noch weiter. Wenn sich durch tatsächlich gegebene Fakten der Natur sozialer Unterschiede rechtfertigen lassen, wird es schon attackiert, diesen Umstand zu benennen. Anders als in der erkenntnistheoretischen Kritik geht es hier nicht mehr, um die Frage ob die gegebenen Fakten soziale Unterschiede tatsächlich rechtfertigen, sondern allein dass Unterschiede gerechtfertigt werden, ist Anlass genug, die entsprechende These zu verwerfen. Der Fehler liegt hier bereits in der Prämisse, dass alle sozialen Unterschiede zu bekämpfen wären. Soziale Unterschiede an sich müssen nicht Ausdruck von Ungerechtigkeit sein, erst wenn sie durch ungerechte Handlungen herbeigeführt wurden, sind sie das. Um zu zeigen, dass die bestehenden Unterschiede ungerecht sind, müsste gezeigt werden, dass systematisch ungerechte Handlungen begangen werden, die zu diesen Unterschieden führen. Meist wird jedoch in die Gegenrichtung argumentiert. Der Umstand das soziale Unterschiede bestehen zeige, dass ungerechte Handlungen bestehen müssen. Gerade dieser Schluss ist falsch.

Wir haben also gesehen, dass die Kritik am sogenannten Biologismus auf weltanschaulichen Prämissen beruht, die beim näheren Hinsehen in der Luft hängen. Das trifft sowohl auf die poststrukturellen auf die Erkenntnismöglichkeiten zielenden, als auch auf die normativen Kritiken zu. Sie machen nur dann Sinn wenn man sich ohnehin im linken Denken bewegt, können aber niemanden überzeugen, der die linke Gesinnung nicht teilt.

Werden Euro-Zweifler jetzt saraziniert?

November 30, 2010

Unter der Überschrift „Henkel gibt den Euro-Sarrazin“ meldete am Freitag Spiegel-Online:

Zurück zur D-Mark, Euro abschaffen? Hans Eichel, Guido Westerwelle und sogar Oskar Lafontaine versuchten bei Maybrit Illner, der Krisenpanik Einhalt zu gebieten. Schließlich riss Hans-Olaf Henkel die Show an sich: Er sehnt sich nach einer Art Groß-Preußen, das den Süden nicht länger durchfüttern muss.

Die Meldung bezieht sich auf eine Sendung von Maybrit Illner in der Hans-Olaf Henkel für eine Aufspaltung der Währungsunion in einen Starkwährungsraum und einen Schwachwährungsraum plädiert hatte. Der Vorschlag geht meines Erachtens nicht weit genug, weil fundamentale Probleme, wie die langfristigen Auswirkungen staatlicher Zinspolitik, nicht gelöst werden. Aber er stellt gegenüber dem Status Quo eine Verbesserung dar, denn zum einen fällt der schmerzhafte Konvergenzprozess innerhalb der Eurozone weg und zum anderen kann die Geldpolitik besser in den institutionellen Rahmen eines Staates eingefügt werden. Der Letzte Punkt ist auch das Argument mit dem Henkel argumentiert.

Den radikalen Eurobefürwortern gilt jedoch der Umstand, dass es Unterschiede in den institutionellen Rahmen gibt bereits als nationalistisch. Dass der griechische Staat auf eine effektive Besteuerung  verzichtet und versucht die Einnahmelücke mit Seigniorage zu kompensieren, wird als Wesenszug der Griechen aufgefasst. Das Sprechen über unterschiedliche institutionelle Rahmen wird als Denken in nationalen Kategorien tabuisiert.  So Spiegel-Online über Henkel:

Er schwadronierte von Völkern mit bestimmten Eigenschaften. Warum sollte sich das nicht auf die Finanzpolitik eines Landes übertragen lassen? Wer nicht nach unseren Regeln spielt, so bellte es den Talkshow-Zuschauern vor ein paar Wochen noch entgegen, gehört abgeschoben. Jetzt, fließender Übergang, sollen die Pleite-Griechen mindestens raus aus der Währungsunion.

Diese Art der Kritik ist perfide und irrleitend. Sie ist irrleitend, weil sie impliziert, dass man sich um die drängenden ökonomischen Fragen dieser Zeit drücken kann, wenn man rein moralisch argumentiert. Wenn das Gute gewollt ist, spielt es keine Rolle welche Folgen das Handeln hat und daher ist es unnötig sich mit Alternativen auseinander zu setzten. Eine solche Moral ist in ihrem Kern egoistisch, sie kreist um sich selbst und ist nicht bereit sich auf das fremde einzulassen. Aus Angst davor vom Konsens abzuweichen, versucht man die Fragen zu vermeiden, die ihn in Zweifel ziehen könnten und verzichtet darauf die Folgen des eignen Handelns zu evaluieren.

Die Kritik an Henkel ist perfide, weil ihm niedere Motive unterstellt werden, um die inhaltliche Auseinandersetzung mit ihm zu vermeiden. Die Tatsache, dass es unterschiedliche finanzpolitische Stile gibt, die im Rahmen des Euros mehr oder weniger gut funktionieren, wird ignoriert, stattdessen wird der Hinweis auf diese Tatsache moralisch verurteilt.

Zu dieser Unredlichkeit gesellt sich ein gehöriges Maß an Doppelmoral. Was Henkel angelastet wird, ist dass er die Finanzpolitik die in Deutschland betrieben wurde und die Werte, mit der man diese verknüpfen kann, für funktionaler hält, als diejenigen in Griechenland. Der Export der als neoliberal geltenden Finanzpolitik wird als Verdrängungskampf deutscher gegen griechische Wesenszüge wahrgenommen, sprich als Chauvinismus. Wäre aber eine Finanzpolitik betrieben worden, die den Kritikern eher zusagt, was lediglich darauf hinauslaufen würde alle bestehenden Verschuldungsspielräume auch zu nutzten, fiele ihnen im Traum nicht ein ihren Export mit Chauvinismus in Verbindung zu bringen.

Ähnliche Reflexe wie die Position Henkels löst der Unmut aus, den der Bail-out der Krisenstaaten hervorruft. Es gilt schon als nationalistisch gesinnt, wer der Meinung ist, dass die finanziellen Belastungen der Steuerzahler zugunsten von Griechenland nicht gerechtfertigt sind, da der griechische Staat die Verantwortung für seine Politik selbst tragen muss. Die Sorge um den eigenen Wohlstand, ist nach dieser Denkart kein legitimes Anliegen. Das Zweifeln an der europäischen Solidarität amoralisch.

Wer Solidarität so auffasst, dass die Interessen als Einzelne neben ihr keinen Platz haben, missbraucht diesen Begriff als Waffe, um die eigenen Vorstellungen anderen aufzuzwingen. Eine Moral, die einen nötigt die eigenen Interessen aufzugeben, pervertiert den Sinn einer Moral.

Erlernte Hilflosigkeit

Juni 9, 2010

Menschen sind in unterschiedlichem Ausmaß fähig ihren Alltag zu meistern und ihr eigenes Leben zu gestalten. Ansätze das zu erklären gibt es viele, einen der vielversprechendsten wurde vom Psychologen Martin Seligman erarbeitet und ist unter dem Namen erlernte Hilflosigkeit bekannt geworden. Das Konzept beruht auf der Fähigkeit vieler Lebewesen die verschiedenste Dinge zu erlernen. Sie lehren wie ihre Aktionen die Wahrscheinlichkeit beeinflusst, dass bestimmte Konsequenzen eintreten, aber auch dass das Unterlassen von Handlungen Konsequenzen hat. Die Theorie Seligmans war, dass auch erlernt werden kann, dass die Umwelt von den Handlungen unbeeinflusst bleibt, diese Erfahrung auf andere Handlungen verallgemeinert und so die Motivation überhaupt zu handeln zerstört wird.

In unterschiedlichen Versuchen an Tieren und Menschen wurde diese These geprüft, indem die Versuchslebewesen unkontrollierbaren Reizen (z.B. Stromstöße) ausgesetzt und dann ihre Fähigkeit kontrollierbare Reize zu vermeiden überprüft wurde. Versuchslebewesen, die den unkontrollierbaren Reizen ausgesetzt waren, lernten deutlich schlechter als andere kontrollierbare Reize zu vermeiden. Zum Teil verhielten sie sich ausgesprochen lethargisch und bewegten sich überhaupt nicht.

Natürlich gibt es Faktoren, die die Erfahrung der Hilflosigkeit begrenzen, denn ansonsten würden Ereignisse, die wir nicht kontrollieren können aber unseren Alltag bestimmen, uns in die Hilflosigkeit treiben. Seligman selbst nannte drei Faktoren, die der Hilflosigkeit entgegenwirken, inkompatible Erwartungen, diskriminative Kontrolle und die relative Bedeutung der Konsequenzen.

Inkompatible Erwartungen bilden sich, wenn man lernt, eine Situation kontrollieren zu können. Diese Erwartungen wird man auch dann aufrecht erhalten, wenn die Situation zwischenzeitlich unkontrollierbar geworden ist. Sie sind eine Art Immunisierung gegen Hilflosigkeit.

Diskriminative Kontrolle meint, dass die Art der Situation in der man sich befindet von anderen unterscheidet und die Erfahrung der Hilflosigkeit nur auf bestimmte Situationen bezogen wird. Seligman berichtet von einem Experiment, dass an Schulkindern ausgeführt wurde. Ein Lehrer stellte den Kindern erst unlösbare und dann lösbare Aufgaben, sie waren nicht fähig bei diesem Lehrer die lösbaren zu bewältigen. Stellte ein anderer Lehrer identische Aufgaben lösten die Kinder diese rasch.

Auch die relative Bedeutung der Konsequenzen spielt eine Rolle. Die Erfahrung von Hilflosigkeit in einer irrelevanten Situation  wird keinen Einfluss auf die Handlungsfähigkeit in subjektiv bedeutsamen haben. Umgekehrt jedoch wird die Erfahrung von Hilflosigkeit in bedeutsame Erfahrung auch in irrelevanten Situationen Hilflosigkeit hervorrufen.

Interessanter Weise tritt Hilflosigkeit auch dann ein, wenn die für einen relevante positive Ereignisse ohne eigenes Zutun eintreten. Das erklärt, warum der goldene Käfig die meisten ins Unglück stürzt. Es kann besser sein zu scheitern, als niemals die Möglichkeit zu scheitern gehabt zu haben.

Ich  halte das Konzept der erlernten Hilflosigkeit daher für interessant, weil es uns dazu zwingt, unser Menschenbild zu überdenken. Das Nachdenken über den Mensch war von der Vorstellung geprägt, dass wir unser Handeln an rationalen Überlegungen ausrichten. Die Schlüsse Seligmans zeigen hingegen, dass das Handeln eher das Resultat verallgemeinerter Erfahrung ist. Wir handeln intuitiv, nicht rational. Auch die experimentelle Ökonomie deutet in diese Richtung. Wenn wir unser Menschenbild überdenken, muss das natürlich auch Auswirkung auf unsere politischen Überzeugungen haben.

Der Liberalismus kann den mündigen Bürger nicht einfach voraussetzen. Mündigkeit ist ein Anspruch, keine Tatsache. Entzieht man den Menschen die Möglichkeiten über das für sie relevante zu bestimmen, wird sich Passivität und Lethargie breit machen.

Die Technokratie kann die Gesellschaft nur dann planen, wenn sie weiß wie sich die Menschen verhalten werden. Das Paradigma des auf Anreize rational reagierenden Nutzenmaximierers war ihr lange Zeit das Leitbild dazu. Nun zeigt sich, dass man nicht davon ausgehen kann, dass Menschen rational reagieren und dass technokratische Planungsphantasien nicht zuletzt daran scheitern müssen.

Am härtesten wird jedoch die Weltanschauung der Linken getroffen. Ihre Überzeugung war es, dass die Gesellschaft den unterschiedlichen Erfolg der Menschen ausgleichen soll. Was der Einzelne erreichen kann, soll nicht von seinen Fähigkeiten und Entscheidungen abhängen, sondern vom gesellschaftlichen Konsens. Ihr Konzept zielt darauf ab, den Menschen die Kontrolle über das allerrelevanteste zu entziehen, ihren Lebenswandel. (Auch Konservative tendieren dazu den Menschen einen bestimmten Lebenswandel zu oktroyieren.) Wird es umgesetzt werden die Menschen den Mut verlieren ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Betrachtet man diese Welt drängt sich einem die Frage auf, ob dieser Prozess nicht schon weit fortgeschritten ist.

Der Kindergarten strukturelle Gewalt

Mai 10, 2010

Nach den Morden in Athen frage ich mich immer wieder, warum Menschen, die vorgeblich für Solidarität eintreten, so enthemmt sein können, dass sie den Tod Unbeteiligter leichtfertig in Kauf nehmen. Auch diejenigen des linken Spektrums von den man erwarten kann die Morde an sich abzulehnen, scheinen sich mehr sorgen darum zu machen, dass er politische Gegner die Ereignisse instrumentalisieren könne, als das sie an einer Reflektion über sie bereit wären. (Siehe z.B. Indimedia.) Meines Erachtens spielt bei der Legitimation solcher Taten das Konstrukt strukturelle Gewalt eine entscheidende Rolle.

Linke bezeichnen etwas als strukturell, wenn es eigentlich nicht existiert, sondern erst durch intellektuelle  Taschenspielertricks konstruiert werden muss. Das meine ich nur halb so polemisch wie es klingt. Neben der strukturellen Gewalt, ist der strukturelle Antisemitismus eine nennenswerte Verwendung dieser Technik. Die Idee der strukturellen Gewalt geht auf Johan Galtung zurück, der versteht darunter die „vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse  oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist“ (zitiert nach Wikipedia). Eine solche Gewalt geht natürlich nicht von einzelnen Verantwortlichen aus, vielmehr seien es die gesellschaftlichen Systeme selbst aus der die strukturelle Gewalt hervorgehe. Dennoch gilt strukturelle Gewalt unter ihren Verfechtern als notwehrfähig.

Zwei Punkte halte ich für bemerkenswert. Einmal die Gefahr die von dem Konzept ausgeht, dann was es über die mentale Verfassung seiner Verfechter aussagt. Die Gefahr des Konzepts liegt auf der Hand: Es ist geeignet den Gewaltbegriff zu verwischen und echter Gewalt Vorschub zu leisten. Mehr noch das was die potentiell mögliche Bedürfnisbefriedigung ist und wie sie zu erreichen ist, ist gerade einer der zentralen Gegenstände der politischen Auseinandersetzung. Wenn man glaubt dass man bestimmen kann, was strukturelle Gewalt ist, muss man davon ausgehen, dass die eigenen Ansichten über die potentielle Bedürfnisbefriedigung mit Gewissheit richtig sind. Wer anderer Ansicht ist, vertritt nicht einfach nur eine andere Meinung, sondern trägt zur strukturellen Gewalt bei und daher ist gegen einen solchen  „Notwehr“ legitim. Gewalt wird so wieder zu Mittel des politischen Kampfes.

Um den zweiten Punkt zu erklären muss ich etwas weiter ausholen. Oberflächlich betrachtet haben die Befürworter der strukturellen Gewalt ein starkes Argument auf ihrer Seite. Das ist, dass insbesondere die dauerhafte Beeinträchtigung menschlicher Bedürfnisse zum Beispiel Diskriminierung oder latente Bedrohung einen Leidensdruck auslösen kann, der den einer tatsächlichen Gewalterfahrung übersteigt. Daraus könnte man dann ableiten, dass die Beeinträchtigung menschlicher Bedürfnisse eine ähnliche Qualität hat wie Gewalt. Die Schwäche des Arguments liegt darin, dass das Recht Gewaltverzicht einzufordern nicht aus dem Leidensdruck abgeleitet werden kann, sondern daraus das gewalttätiges Handeln nicht universalisierbar ist. Der Grund ist dass der Leidensdruck subjektiv ist und zum Teil vom Beeinträchtigten kontrolliert werden kann. Würde sich der Gewaltverzicht aus dem Leiden ableiten, könnte man durch taktisches Verhalten beliebige Forderungen  stellen. Das Konzept der strukturellen Gewalt verneint genau diesen Gedanken.

Wenn wir mit Beeinträchtigungen konfrontiert werden, ist die spontane Reaktion Wut. In der Regel unterdrücken wir dieses Gefühl, um die Situation klarer analysieren und zu einer Lösung kommen zu können. Das Konzept strukturelle Gewalt liefert für die Wut eine Rechtfertigung und verhindert so eine klare Analyse.  Die Folge ist, dass der Glaube an die strukturelle Gewalt dazu führt, auf Frustration mit Aggressivität zu reagieren. Statt nach Lösungen zu suchen, wie man Beeinträchtigungen selbst beheben kann oder mit ihnen zu leben wird versucht von Dritten ihre Beseitigung einzufordern. So verhalten sich Kinder. Das heißt natürlich nicht, dass zum Beispiel Diskriminierung kein ganz reales Problem sein kann, das außerhalb der Kontrolle der Betroffenen liegt. Aber das Konzept strukturelle Gewalt ist kein geeignetes Mittel, um gegen Diskriminierung vorzugehen, da sie Konflikte anheizt und Betroffenen ihre Handlungsperspektive nimmt.

Hunger in den USA

Dezember 6, 2009

Zur antikapitalistischen Agitation gehört es, die Marktwirtschaft für das Übel in der Welt verantwortlich zu machen. Beliebt ist unter anderem der Vorwürfe Kapitalismus verursache den weltweiten Hunger. Für diesen Vorwurf lässt sich festhalten, dass historisch sogar das Gegenteil zutrifft. Erst durch den Kapitalismus konnte eine Gesellschaft entstehen, die sich aus der malthusianischen Falle befreiten. Ironischer Weise wird dadurch das Argument der Antikapitalisten eher gestärkt, ihrer Meinung nach spricht es gegen eine Ordnung, wenn sie ein Übel bestehen lässt, das sich oberflächlich betrachtet leicht beheben lässt. Dass es immer noch Hungernde gibt, obwohl eigentlich ausreichend Nahrung bereitsteht, kann ihnen zufolge nur an dem Privateigentum liegen, durch das Nahrung anderen vorenthalten wird.

Um die antikapitalistische Agitation zu widerlegen muss man also zeigen, dass trotz Privateigentum niemanden Nahrung vorenthalten wird. Das scheint sich zumindest für Staaten behauten zu lassen, in denen sich die Kleptokratie in Grenzen hält; Amartya Sen hat die berühmte These aufgestellt, dass es in funktionierenden Demokratien nicht zu Hungersnöten kommt. Hungersnöte scheinen in der entwickelten Welt tatsächlich der Vergangenheit anzugehören. Wo es noch Hungersnöte gibt, ist die staatliche Willkür so groß, dass man nicht ansatzweise von Kapitalismus sprechen kann. Doch nun beharren die Agitatoren darauf, dass in „kapitalistischen“ Gesellschaften großes Elend herrscht und präsentieren uns eine Statistik, der zufolge in den USA 50 Millionen Menschen hungern. Liegt also Sen falsch und kommt auch in „modernen“ Staaten zu Hungersnöten?

Die Statistik, die gern zu Agitationszwecken herangezogen wird, stammt vom Amerikanischen Landwirtschaftsministerium USDA und wird regelmäßig herausgegeben. Der Bericht zum Jahr 2004 liegt mir vor, er dürfte repräsentativ für alle dieser Berichte sein, daher will ich auf ihn nun näher eingehen. Die Zahlen können sich im Lauf der Zeit verändert haben, ich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Situation eine neue Qualität gewonnen hat.

Was der Bericht erfasst wird nicht Hunger genannt, sondern Nahrungsmittelsicherheit (food security) und nicht das, womit wir gewohnt sind das Wort Hunger zu verbinden, Unterernährung. Nahrungsmittelsicherheit wird durch einen Katalog von Fragen definiert (siehe S. 3 des Berichts). Als von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen gilt, wer mindestens drei Fragen aus dem Katalog bejaht. Wenn man sich die einzelnen Fragen durchliest wird man feststellen, dass die meisten dieser Frage darauf abzielen, ob das Einkommen eines Haushalts ausreicht, um ausreichend Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Nahrungsmittelunsicherheit muss also nicht mit Hungergefühl oder Unterernährung verbunden sein.

Immerhin wurde auch nach dem Hungergefühl gefragt. Die Befragung hat ergeben, dass ein Drittel der nahrungsmittelunsicheren Menschen einige Tage im Jahr Hunger erlitten, weil sie sich keine Lebensmittel leisten konnten (S.5). An einem typischen Tag im November gibt es in 0,5 bis 0,8% aller Haushalte eine oder mehrere Personen, die hungrig sind, weil sich der Haushalt nicht genügend Nahrung leisten konnte. (Kinder sind seltener davon betroffen; in 0,1 bis 0,13 aller Haushalte mit Kindern gab es hungrige Kinder.) Ein lebensmittelunsicherer Haushalt, der während eines Jahres Hunger erlitt, befand sich im Durchschnitt neun Monate  und ein bis sieben Tage in jedem dieser Monate in dieser Lage (S.5).

Was die These, das kapitalistische Wirtschaftssystem sei schuld an den genannten Umständen, endgültig ad absurdum führt, ist die Existenz privater und öffentlicher Hilfsprogramme. Gut die Hälfte der Lebensmittelunsicheren Haushalte wurde von einem der drei größten dieser Programme, dem National School Lunch Program, dem Food Stamp Program oder dem WIC Program unterstützt (S.31). Tafeln (food pantry) spielten nur eine geringe Rolle; nur 20% der lebensmittelunsicheren und 29% der lebensmittelunsicheren Haushalte mit Hunger nahmen Angebote von Tafeln in Anspruch. Zum Teil lag das, daran dass keine Tafeln verfügbar waren oder nicht bekannt war, ob welcher verfügbar waren, aber auch von den Haushalten, die wussten, dass sie Tafeln nutzen konnten, nahmen sie nur 31% in Anspruch (S. 32).

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass in entwickelten Ländern die Hungerproblematik kein ökonomisches Problem ist. Denen, die sich nicht ausreichend Nahrung leisten können, wird sie in der Regel kostenlos angeboten. Wenn es eine Hungerproblematik gibt, dann deswegen weil diese Angebote nicht angenommen werden oder angenommen werden können. Also mit Problemen zusammenhängt, die tiefer gehen als die reine Verfügbarkeit von Nahrung und die auch dann weiter bestehen, wenn man das ökonomische System ändert. Antikapitalistische Agitprop verfehlt die gesamte Thematik.