Archive for Dezember 2009

Schäuble über die Freiheit

Dezember 27, 2009

In der FAS von heute wurde Wolfgang Schäuble zum Thema Staat und Steuern interviewt (S.29). Dabei kam er auch auf die Mentalität und den freien Waffenbesitz in den USA zu sprechen. Anhand dieses Themas gelang es ihm sein Verständnis von Freiheit und sicherlich auch dem vieler anderer Staazis Politiker zu verdeutlichen:

Der Waffenbesitz ist die Kehrseite des Ganzen [Anm: gemeint ist so zu sein wie die Amerikaner]: Ein freier Mann kümmert sich um seine Nachbarschaft. Aber er verteidigt sich auch. Dahinter steckt die Philosophie, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Ich möchte diesen Preis nicht zahlen, …

Zusammengefasst: Schäuble hat Angst vor den Bürgern und er möchte nicht, dass die Menschen für sich selbst verantwortlich sind. Was sie natürlich trotzdem sind, ohne dass der Staat etwas dagegen tun kann.

Hunger in den USA

Dezember 6, 2009

Zur antikapitalistischen Agitation gehört es, die Marktwirtschaft für das Übel in der Welt verantwortlich zu machen. Beliebt ist unter anderem der Vorwürfe Kapitalismus verursache den weltweiten Hunger. Für diesen Vorwurf lässt sich festhalten, dass historisch sogar das Gegenteil zutrifft. Erst durch den Kapitalismus konnte eine Gesellschaft entstehen, die sich aus der malthusianischen Falle befreiten. Ironischer Weise wird dadurch das Argument der Antikapitalisten eher gestärkt, ihrer Meinung nach spricht es gegen eine Ordnung, wenn sie ein Übel bestehen lässt, das sich oberflächlich betrachtet leicht beheben lässt. Dass es immer noch Hungernde gibt, obwohl eigentlich ausreichend Nahrung bereitsteht, kann ihnen zufolge nur an dem Privateigentum liegen, durch das Nahrung anderen vorenthalten wird.

Um die antikapitalistische Agitation zu widerlegen muss man also zeigen, dass trotz Privateigentum niemanden Nahrung vorenthalten wird. Das scheint sich zumindest für Staaten behauten zu lassen, in denen sich die Kleptokratie in Grenzen hält; Amartya Sen hat die berühmte These aufgestellt, dass es in funktionierenden Demokratien nicht zu Hungersnöten kommt. Hungersnöte scheinen in der entwickelten Welt tatsächlich der Vergangenheit anzugehören. Wo es noch Hungersnöte gibt, ist die staatliche Willkür so groß, dass man nicht ansatzweise von Kapitalismus sprechen kann. Doch nun beharren die Agitatoren darauf, dass in „kapitalistischen“ Gesellschaften großes Elend herrscht und präsentieren uns eine Statistik, der zufolge in den USA 50 Millionen Menschen hungern. Liegt also Sen falsch und kommt auch in „modernen“ Staaten zu Hungersnöten?

Die Statistik, die gern zu Agitationszwecken herangezogen wird, stammt vom Amerikanischen Landwirtschaftsministerium USDA und wird regelmäßig herausgegeben. Der Bericht zum Jahr 2004 liegt mir vor, er dürfte repräsentativ für alle dieser Berichte sein, daher will ich auf ihn nun näher eingehen. Die Zahlen können sich im Lauf der Zeit verändert haben, ich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Situation eine neue Qualität gewonnen hat.

Was der Bericht erfasst wird nicht Hunger genannt, sondern Nahrungsmittelsicherheit (food security) und nicht das, womit wir gewohnt sind das Wort Hunger zu verbinden, Unterernährung. Nahrungsmittelsicherheit wird durch einen Katalog von Fragen definiert (siehe S. 3 des Berichts). Als von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen gilt, wer mindestens drei Fragen aus dem Katalog bejaht. Wenn man sich die einzelnen Fragen durchliest wird man feststellen, dass die meisten dieser Frage darauf abzielen, ob das Einkommen eines Haushalts ausreicht, um ausreichend Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Nahrungsmittelunsicherheit muss also nicht mit Hungergefühl oder Unterernährung verbunden sein.

Immerhin wurde auch nach dem Hungergefühl gefragt. Die Befragung hat ergeben, dass ein Drittel der nahrungsmittelunsicheren Menschen einige Tage im Jahr Hunger erlitten, weil sie sich keine Lebensmittel leisten konnten (S.5). An einem typischen Tag im November gibt es in 0,5 bis 0,8% aller Haushalte eine oder mehrere Personen, die hungrig sind, weil sich der Haushalt nicht genügend Nahrung leisten konnte. (Kinder sind seltener davon betroffen; in 0,1 bis 0,13 aller Haushalte mit Kindern gab es hungrige Kinder.) Ein lebensmittelunsicherer Haushalt, der während eines Jahres Hunger erlitt, befand sich im Durchschnitt neun Monate  und ein bis sieben Tage in jedem dieser Monate in dieser Lage (S.5).

Was die These, das kapitalistische Wirtschaftssystem sei schuld an den genannten Umständen, endgültig ad absurdum führt, ist die Existenz privater und öffentlicher Hilfsprogramme. Gut die Hälfte der Lebensmittelunsicheren Haushalte wurde von einem der drei größten dieser Programme, dem National School Lunch Program, dem Food Stamp Program oder dem WIC Program unterstützt (S.31). Tafeln (food pantry) spielten nur eine geringe Rolle; nur 20% der lebensmittelunsicheren und 29% der lebensmittelunsicheren Haushalte mit Hunger nahmen Angebote von Tafeln in Anspruch. Zum Teil lag das, daran dass keine Tafeln verfügbar waren oder nicht bekannt war, ob welcher verfügbar waren, aber auch von den Haushalten, die wussten, dass sie Tafeln nutzen konnten, nahmen sie nur 31% in Anspruch (S. 32).

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass in entwickelten Ländern die Hungerproblematik kein ökonomisches Problem ist. Denen, die sich nicht ausreichend Nahrung leisten können, wird sie in der Regel kostenlos angeboten. Wenn es eine Hungerproblematik gibt, dann deswegen weil diese Angebote nicht angenommen werden oder angenommen werden können. Also mit Problemen zusammenhängt, die tiefer gehen als die reine Verfügbarkeit von Nahrung und die auch dann weiter bestehen, wenn man das ökonomische System ändert. Antikapitalistische Agitprop verfehlt die gesamte Thematik.

Bewahren was einen definiert

Dezember 2, 2009

Eine Streitfrage, an der die Unterschiede in der Denkweise zwischen den Anhängern verschiedener politischer Weltanschauungen deutlich werden, ist die Ehe zwischen Homosexuellen. Für Liberale ist nicht einzusehen, welches Rechtsgut geschädigt werden soll, wenn Männer Männer und Frauen Frauen heiraten dürfen. Der Begriff Ehe würde dann zwar weiter gefasst und insofern würde verändert was man unter Ehe versteht. Was Ehe zwischen Mann und Frau bedeutet würde jedoch keine Änderung erfahren und daher kann es Heterosexuellen egal sein, wie Homosexuelle das mit der Ehe halten. Abstrakter gesprochen: wenn sich ein Begriff ändert, weil er um neue Phänomenen erweitert wird oder sich ein Teil der Phänomenen ändert, die unter ihn gefasst sind, dann heißt das noch lange nicht, dass sich alle Phänomene ändern, die unter den Begriff fallen.

Konservative sehen das anders. Sie glauben, dass die Ehe ein bestimmtes Wesen hat, das darin besteht, dass sie zwischen Mann und Frau gestiftet wird, dazu dient Kinder zu bekommen und großzuziehen usw. Die Ehe ist ein Ideal und die Aufgabe jeder konkreten Erscheinung ist es diesem Ideal möglichst nahe zu kommen. Eine Abweichung von diesem Ideal bedeutet nicht, dass sich das Ideal ändert, sondern dass die Erscheinung in sich in der Unordnung und dem Strukturlosen verliert.

Eine ähnliche Auffassung findet sich im Nationalismus jede Nation habe ihren besonderen Nationalcharakter, ihr Wesen, in dem sich ein metaphysisches Konzept ausdrückt. Natürlich würde Migration dazu führen, dass sich der Charakter einer Nation ändert. Aber anstatt den Schluss zu ziehen, dass sich der Nationalcharakter im steten Wandel befindet, wird dieser Umstand zur intellektuellen Rechtfertigung für Ausländerfeindlichkeit.

Hinter Zwangsmaßnahmen steht oft die Bestrebung ein Konzept zu schützen, das in Auflösung begriffen ist. Solche Bestrebungen sind natürlich zum Scheitern verurteilt. Das Wesen einer Sache bestimmt sich aus ihren einzelnen Erscheinungen und ist daher im ständigen Wandel, auch wenn wir nicht fähig sind diesen Wandel wahrzunehmen. Mit wachsender Mobilität ging der Übergang von der Groß- zur Kleinfamilie einher, was wir unter Familie verstehen ist seitdem etwas anderes. Zwangsmaßnahmen, die das Wesen einer Sache schützen sollen können sogar kontraproduktiv sein. Sie verhindern, dass sich eine Institution neuen Begebenheiten anpassen kann. Ob eine Institution schützenswert ist, kann sich nur darin zeigen, dass sie in der Praxis funktioniert, dann braucht sie jedoch keinen Schutz mehr. Argumente, die mit „das Wesen von X ist blablabla“ beginnen, sind daher ungültig. Das muss ein Liberaler auch dann durchhalten, wenn es weh tut.

Was ist mit folgenden Idealbildern? „Das eigentliche Geld ist das Gold“ und „Die Würde des Menschen verbietet das Erzeugen von Tier-Mensch-Hybriden“. Auch wenn die Goldbugs es auf einen Test in der Realität ankommen lassen würden, ihre Rhetorik (und vermutlich auch Handeln) ist von einer Feindschaft gegen modernere Entwicklungen im Bankwesen geprägt, die sich auch gegen vernünftige Neuerungen richten kann. Der Frage was ein Rechtssubjekt kennzeichnet wurde bisher aus dem Weg gegangen. Es ist möglich, dass durch biotechnologische Experimente moralische und juristische Fragen aufgeworfen werden, die sich nur beantworten lassen, wenn man über einen objektiven Begriff eines Rechtssubjekts verfügt. Diese Entwicklung aufzuschieben, indem man entsprechende Experimente verbietet, ist keine tragfähige Lösung.