Archive for November 2009

Niedersächsische Jungsozialisten starten Lügenkampagne gegen Marco Kanne

November 27, 2009

Der Vorsitzende der niedersächsischen  Jungsozialisten Sören Klose unterstellt Marco Kanne einen „extremen Deutschnationalismus“ (Link: h**p://www.spdnds.de/aktuell/nachrichten/2009/112176.php). Ich lese schon recht lange Veröffentlichungen von Kanne und weiß daher, dass seine Überzeugung mit Nationalismus jeglicher Art absolut unvereinbar ist. Das unterstreicht er auch selbst in seiner Reaktion auf opponent.de.

Wie verzweifelt sind eigentlich die SPD-Anhänger,  dass sie versuchen, mit solch miesen Tricks Aufmerksamkeit zu erhaschen?

Edit: Marco Kannes erste Reaktion sollte natürlich nicht fehlen.

Es ist nicht möglich den Anarchokapitalismus in drei Minuten zu erklären

November 27, 2009

Zumindest war es mir nicht möglich gestern Abend einige wichtige Ideen des Anarchokapitalismus in dieser Zeit zu vermitteln. Der Hintergrund der Geschichte ist folgender: Seit einiger Zeit versuche ich meine rhetorischen Fertigkeiten in einem Debattierclub zu verbessern. Dort treten wöchentlich verschiedene Redner gegeneinander an, die versuchen die Juroren bzw. das Publikum von ihrer Position in der jeweiligen Fragestellung zu überzeugen. Die Debatten werden durch ein bestimmtes Format strukturiert, in erster Linie heißt das, dass die Redner in zugewiesenen Rollen debattieren. In unserem Fall ist das Format die offene Parlamentarische Debatte (OPD). OPD hat die Besonderheit, dass es neben der Pro- und Contrafraktion, also den Rednern die sich vor Beginn der Debatte festgelegt haben ob sie im Sinne der Fragestellung oder ihr entgegen argumentieren, auch freie Redner gibt. Freie Redner können sich im Laufe der Debatte entscheiden welche Seite sie unterstützen und sind nicht an die Fraktionsdisziplin gebunden, können also eine Argumentation vertreten, die von der der unterstützten Fraktion abweicht, müssen sich aber in der ersten Minute ihrer Rede positionieren. Fraktionsredner haben sieben Minuten Zeit für ihre Rede, frei Redner dreieinhalb.

Thema am gestrigen Abend war „Sollen Steuern durch Spenden ersetzt werden?“ Eine Fragestellung die sich hervorragend dazu geeignet hätte, auch anarchokapitalistischen Gedankengut einfließen zu lassen. Offenbar ist mir das gestern Abend misslungen. Meine Rolle war die eines freien Redners. Dazu hatte ich mich entschieden, weil ich noch dabei bin eine Erkältung auszukurieren und ich mir nicht zumuten wollte, sieben Minuten zu reden. Die Position war insofern günstig, dass sie mir erlaubt hat die Profraktion „rechts“ zu überholen und nicht nur die Legitimität von Steuern selbst, sondern aller staatlichen Zwangsmaßnahmen anzugreifen. Leider musste ich feststellen, dass 3 Minuten 30 zu knapp sind, um zumindest einen Grundgedanken zur Delegitimation zu vermitteln.

Mein Plan war es erst auf einer prinzipiellen Ebene den Staat als abstrakte Ordnung zu dekonstruieren und dann Beispiele für negative Folgen der Verwendung von Steuergeldern zu benennen, um so die Legitimation von Steuern zu untergraben. Außerdem hatte ich vor die die negativen Folgen anderer Finanzierungsmöglichkeiten, also Monopole (allen voran das Geldmonopol), Zölle und das Übertragen von Kosten auf Private wenigstens zu erwähnen, um so zu verdeutlichen inwiefern meine Position über die der Profraktion hinausgeht.

Um in die Rede einzusteigen griff ich Bilder auf, die in der Debatte bereits gefallen sind: „Steuern sind Enteignung“ und der Antrag versucht das Verhältnis von Bürger zu Staat zu verändern und habe zu diesen Momenten die Stellung bezogen, dass ich voll hinter diesen Prinzipen stehe, mir der Antrag jedoch nicht weitgenug gehe. Das Thema Verhältnis Bürger zu Staat diente mir dazu auf einen Angriff auf die Idee der Staat sei eine Juristische Person mit eigenen Rechten überzuleiten. Diese Juristische Person sei eine Illusion und vom Prinzip her damit zu vergleichen, dass eine Gruppe von Menschen sich zusammenschließt und von einem willkürlich ausgewählten Fremden, der zum Mitglied erhoben wird, Steuern verlangt. Abzulesen sei der Illusionscharakter daran, dass die Entscheidung des Staates nicht das Ergebnis eines volonté générale ist, sondern immer auf die Entscheidung einzelner zurückzuführen ist. Die Art der Entscheidungsfindung sei mit der Universalität des Rechts unvereinbar, da wir zwei Gruppen haben, eine die Steuern zahlt und eine die über die Verwendung der Steuermittel bestimmt, die ungleich behandelt werden.

Daran anschließend habe ich als negativen Folgen dieses Verhältnisses benannt, dass Menschen dazu gezwungen werden können, Maßnahmen zu unterstützen, die ihren Interessen diamental entgegenstehen. Diesen Gedanken vertiefte ich dann an den Beispielen von Landwirtschaftssubvention und ihren negativen Auswirkungen für die Entwicklung armer Gesellschaften sowie dem Krieg in Afghanistan. Nachdem ich diesen Aspekt abgehandelt hatte, war meine Zeit auch schon vorbei. Zu den Punkten bürokratische Ineffizienz und der Schädlichkeit anderer Finanzierungsmöglichkeiten bin ich leider nicht mehr gekommen.

Die ganze Argumentation war also recht straff und ich musste darauf verzichten die Struktur meiner Argumentation anzukündigen oder einige große Namen (Rothbard, tripple-H) fallen zu lassen, um wenigstens die Hauptlinie der Argumentation in der knappen Zeit unterzubringen. Etwa nach einem Drittel der Zeit kamen zwei Zwischenfragen, einmal auf welcher Seite ich nun stehe und die zweite inwiefern ich über die Position der Profraktion hinausgehe. Diese Zwischenfragen hätten mir schon anzeigen müssen, dass etwas nicht stimmt. Sie kamen jedoch zu einen Zeitpunkt an dem ich nichts mehr an meiner Rede ändern konnte, sonder das Konzept, das ich erarbeitet hatte durchziehen musste.

Zu meiner Überraschung wurde die Rede sehr schlecht bewertet. 36 Punkte, die nächst schlechtesten Reden lagen bei 40 und 41. Wirklich gute Reden fingen bei 45 Punkten an. Der Hauptkritikpunkt war, dass meine Zuhörer nicht ausmachen konnten, wo ich mich positioniert hatte und lediglich der Sinn der zuletzt genannten Punkte erkannt wurde, also dass Menschen dazu gezwungen werden können, Maßnahmen zu unterstützen, die ihren Interessen diamental entgegenstehen. Diese Kritik war nun wiederum für mich unverständlich, weil ich eigentlich dachte, mich wiederholt und deutlich positioniert zu haben.

Woran lag es, das Rede und Kritik auf so viel gegenseitiges Unverständnis stießen? Ich vermute, dass es daran lag, dass eine Basis von Begriffen gefehlt hat, die in gleicher Weise emotional besetzt werden. Um jemanden davon überzeugen, dass eine Maßnahme sinnvoll bzw. schädlich ist, muss man zeigen, dass die Maßnahme mit emotional besetzten Begriffen übereinstimmt bzw. ihnen widerspricht. Das wohl beliebteste Beispiel für  emotional besetzte Begriffe, die auf solche Weise verwendet werden, ist Solidarität. Wenn jemand der Meinung ist Xyz sei mit einer solidarischen Gesellschaft unvereinbar, fragt keiner mehr, ob die betreffende Person für oder gegen Xyz ist.

In meiner Rede hat die Universalität des Rechts diese Funktion eingenommen. Für mich und ich hoffe für die meisten anderen Liberalen auch ist die Universalität des Rechts ein extrem positiv besetzter Begriff. Das hat sicherlich durch die intensive Beschäftigung mit rechtsphilosophischen Fragen so entwickelt. Hayek setzt in „die Verfassung der Freiheit“ die Freiheit mit der Universalität des Rechts gleich. Alle Moralbegründungen beruhen auf vergleichbaren Universalitäts- bzw. Verallgemeinerungsprinzipen, siehe der kategorische Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde!“(Hervorhebung von mir) Die Sklaverei wurde abgeschafft, weil sich die Überzeugung herausgearbeitet hat, dass alle Menschen die gleichen Rechte zukommen. Ohne die Universalität des Rechts bleibt nur die Willkür.

Meine Zuhörer konnten diesen Zusammenhang offenbar nicht herstellen. Es war natürlich ein Fehler von mir davon auszugehen, dass sie die ähnliche Assoziationen haben, allerdings hätte ich mir an der entsprechenden Stelle doch eine Zwischenfrage gewünscht, denn entweder war unklar was die Universalität des Rechts bedeutet oder welche Implikationen ihre Verletzung mit sich bringt. Soviel Hohlschuld fordere ich ein. Die Lehre die ich aus der Debatte gezogen habe ist, dass wenn ich mich in der Argumentation auf zentrale liberale Themen stützte, erst einmal die notwendige Vorarbeit leiste in der ich die Wichtigkeit dieser Themen herausstelle.

Für den Liberalismus bedeutet der Mangel an positiv besetzten Begriffen, auf die die eigene Argumentation gestützt werden kann, einen enormen strategischen Nachteil. Entsprechend wichtig ist es dem abzuhelfen. Mehr Rechtsphilosophie in der öffentlichen Debatte!

Induktive Ethik

November 18, 2009

In einer Rede zum bayrischen Landestreffen der libertären Plattform hat Gérard Bökenkamp eine zentrale Frage der libertären Weltanschauung angesprochen. Die Frage, ob es sinnvoll sein kann, sich in der Politik zu engagieren oder ob man mit seinem Handeln dann nicht genau den Prinzipien widerspricht, die man zu fördern beabsichtigt. Seine Lösung bestand darin die Prinzipien des Libertarismus einem Idealbereich zuzuordnen, aus dem sie in der realen Welt nicht unmittelbar umgesetzt werden können. Für die Praktischen Konsequenzen dieser Überlegung kann ich mich durchaus erwärmen, aber die Konzepte auf den sie ruhen steht in Widerspruch zur Moral, wie ich sie denke. Bökenkamp auf dieser Ebene zu widersprechen ist ein Wagnis, denn die Konzepte, auf die er sich beruft, stehen in absoluten Einklang mit der neuzeitlichen Geistesgeschichte. Ich will es dennoch versuchen.

Seit Hume wird in der Philosophie streng das Seien, also die Beschreibung der Welt, vom Sollen, den moralischen Urteilen, getrennt. Wie das eine beschaffen ist, kann keine Auswirkungen auf die Beschaffenheit des anderen haben. Begründet hat Hume diese Barriere damit, dass um auf einen Satz zu schließen der „soll“ enthält, ein „soll“ in mindestens einer der Prämissen enthalten sein muss. Eine Schlussregel die ein „ist“ in ein „soll“ umformt gibt es nicht. Mit diesem Hintergrund ist es plausibel idealen ethischen Werten die reale Welt und ihre  Gesetzte gegenüberzustellen.

So weit muss ich mit der Tradition mitgehen. Dass es eine Wirkung von unserem Erfahrungsschatz (Seien) auf die moralischen Überzeugungen (Sollen) gibt, wird jedoch offensichtlich, wenn wir nicht von einem abstrakten Ich ausgehen, das auf das reine Denken beschränkt ist, sondern von lebendigen Menschen, die eine Entwicklung durchmachen. Die moralischen Überzeugungen eines Kindes sind andere als die eines Jugendlichen und dessen Überzeugungen sind wieder andere als die eines Erwachsenen.

Die Hintertür durch die das Sein in das Sollen eingeschmuggelt werden kann ist der Wille, um einen Moment bei Humes formal-logischen Überlegungen zu bleiben. Jedem Sollen liegt ein Willen zugrunde. Der Wille der Eltern, dem das Kind ausgeliefert ist, ist für das Kind das zu Befolgende. Verantwortung ergibt sich aus der gewollten Identifikation mit einer Sache. Im kategorischen Imperativ ist der Schluss vom Wollen aufs Sollen besonders transparent: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Daraus folgt, dass wenn sich das wünschenswerte ändert, sich auch die moralischen Überzeugungen ändern können.

Die ethischen Ideale und die reale Welt liegen in der so gewonnenen Perspektive nicht nebeneinander, vielmehr müssen sich auch moralische Kriterien dem Test an der Realität stellen. Nahliegende Fragen die sich an moralische Kriterien richten, sind ob sie in der Praxis konsistent sind oder sie Annahmen enthalten, die sich nicht aufrechterhalten lassen. Die Brisanz solcher Fragen liegt darin, dass unsere Handlungsfähigkeit von der Konsistenz unserer Handlungen abhängt. Man kann einen Realitätstest für moralische Kriterien auch so formulieren: Können sie zur eigenen Handlungsfähigkeit beitragen oder führen sie in Dilemmata, die dazu zwingen die moralischen Kriterien weiter auszudifferenzieren.

In einer Moral die sich auf die dargelegte Weise versteht gibt es keinen Widerspruch zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik. Ziehen Moralvorstellung Konsequenzen nach sich, die man nicht bereit ist in Kauf zu nehmen, ist das ein Anlass die Moralvorstellungen zu überdenken. Für das Dilemma, ob sich ein Anarchokapitalist an der Politik beteiligen soll, bedeutet das, dass man sich überlegen muss, ob durch die Beteiligung das NAP gefördert wird oder geschwächt. Zu keinem anderen Schluss ist auch Bökenkamp gekommen. Viel gravierender ist die Frage ob der Staat notwendig ist, denn dann ist der Anarchokapitalismus mit der hier skizierten Metamoral nicht vereinbar.

Vom Wirtschafttechnokraten zum Libertären

November 10, 2009

Wie in Beiträgen auf Freiheit und Optimismus bereits angedeutet glaube ich, dass Liberale einen anderen Zugang zur Welt haben als Linke oder Konservative. Den Konservativen und den dominierenden Varianten der Linken ordne ich ein Denken in Zweckkausalitäten zu, d.h. sie interessieren sich vor allem für die Ziele die im Politischen Kampf verfolgt werden und glauben, wie die Welt eingerichtet sei, entscheidet sich durch die Kräfte, die in diesem Kampf dominieren. Die politische Realität sei also eine Folge der Zwecke. Ein Beispiel für diese Denkweise ist z.B. der Kommentar der irgendwann einmal auf B.L.O.G. fiel, dass die technischen Berufe den Verlauf des Technischen Fortschritts bestimmen könnten.

Den Liberalen hingegen ordne ich ein Denken in Wirkungskausalitäten zu. Sie interessieren sich dafür wie etwas geschieht, also vor allem mit welchem Mitteln Ziele verfolgt werden. Diese Vorgehensweise haben sie mit ihrem politischen Gegenpol den Technokraten gemein.

Der Unterschied zwischen beiden Denkstilen kann an der Frage nach dem Mindestlohn verdeutlicht werden. Ein Konservativer oder Linker wird bei der Frage ob ein Mindestlohn eingeführt werden soll zunächst überlegen, ob sie das Ziel dieser Maßnahme unterstützen; ein Liberaler oder ein Technokrat fragen sich dagegen wie sich der Mindestlohn auswirkt.

Im Folgenden werde ich beschreiben wie sich das politische Denken entwickelt, wenn man von Angang seiner politischen Entwicklung an in Wirkungskausalitäten denkt. Diese Entwicklung ist eher die Ausnahme. Liberale beginnen meist als Anhänger einer anderen Weltanschauung, die wegen dem Scheitern ihrer Ideologie dazu übergehen auch Wirkzusammenhänge in ihr Denken miteinzubeziehen.

In einem naiven Entwicklungsstadium werden Liberale und Technokraten nicht viel darüber nachdenken nach welchen Gesichtspunkten sie eine Maßnahme bewerten. Entweder sie bedienen sich eines unreflektierten Utilitarismus oder übernehmen die gesellschaftliche Mode. Im Vordergrund steht der Versuch sich die Kenntnisse anzueignen, die man zur Bewertung politischer Maßnahmen braucht, d.h. vor allem Ökonomie. Typisch für dieses Entwicklungsstadium ist dass man Makroökonomie für die reine Wahrheit hält und Sätze, die mit „Es liegt kein optimales Gleichgewicht vor“ beginnen, mit „also muss der Staat eingreifen“ zu beenden. Linke und Konservative bezeichnen dieses Denken als neoliberal, wirtschaftstechnokratisch halte ich jedoch für sehr viel passender.

Einem Wirtschaftstechnokraten werden mit der Zeit zwei Dinge auffallen. Erstens dass er bei den meisten Fragen die zur Diskussion gestellt werden gegen ein Eingreifen des Staates plädiert. Das wird sooft passieren, dass ihm das fast zur Gewohnheit wird. Daher begreift er sich als Liberalen. Zweitens wird auffallen, dass sich die Politik nur sehr oberflächlich mit dem beschäftigt, was sie vorschlägt und beschließt.

Exkurs: Die Tatsache, dass man nach utilitaristischen Gesichtspunkten so ziemlich jeden Staatlichen Eingriff verwerfen müsste, ist eine recht interessante Beobachtung, auch dann wenn man über den Utilitarismus längst hinaus gewachsen ist. Zuerst bin ich bei Davids Friedmans Räderwerk der Freiheit darauf gestoßen. Rothbard geht in „Market and Power“ die gängigen Staateingriffe in die Wirtschaft durch und zeigt, dass keiner von ihnen das leisten kann, was er verspricht.

Verblüffender ist, dass diese Koinzidenz von libertären und utilitaristischen Kriterien auch dann gilt, wenn Fragen behandelt werden die man nicht mit Standardökonomie beantwortet werden kann, wie die Prohibition oder Bankfreiheit. Der Zusammenhang ist so ausgeprägt, dass es eine tiefere Ursache geben muss. Die Neoaustrians (Rothbard, HHH) haben sich an einer Begründung versucht, die ich jedoch für zu oberflächlich halte. Einige Ansätze Hayeks halte ich für vielversprechender. Exkurs Ende.

Im besten Fall beginnt ein Wirtschafttechnokrat eine Wertschätzung für liberale Prinzipien, Eigenverantwortung, Rechtssicherheit und individuelle Haftung, zu entwickeln. Er erkennt, dass diese Prinzipien gut dazu geeignet sind Konflikte auch im außerökonomischen Bereich zu lösen. Er geht vom wirtschaftstechnokratischen ins ganzheitliche-liberale Stadium über.

Im ganzheitliche-liberalen Stadium vertieft sich das Vertrauen in die liberalen Prinzipien und die Unzulänglichen der bisherigen Bewertungsmaßstäbe werden dem Liberalen zunehmend deutlich. Sie werden schließlich bewusst verworfen, die Übereinstimmung mit Freiheit, Recht und Eigentum wird zum alleinigen Kriterium zur Beantwortung politischer Fragen. (Bei mir hatte dieser Schritt einen Auslöser, das war als ich das erste Mal mit dem NAP konfrontiert wurde.)

Diese Entwicklung beschreibt recht gut meine eigene Entwicklung. Mich würde interessieren, wie sehr sich die Leser darin widerfinden können. Gibt es Menschen die den direkten Weg zum Liberalismus gefunden haben, die sich nie von den Verlockungen der Politik haben täuschen lassen, sondern direkt von ihren Alltagserfahrungen auf die Werte des Liberalismus schließen konnten?

Ein Jahr Freiheit und Optimismus

November 4, 2009

Heute vor einem Jahr habe ich meinen ersten Beitrag veröffentlicht (also am 3.11 nicht dem 4.). Leider hatte ich für das Jubiläum den 5. in meinem Terminkalender stehen, deswegen stehe ich jetzt auf dem Falschen Fuß erwischt da. Dem Motte von damals „weniger das Zeitgeschehen kommentieren, als generelle Gedanken zur Freiheit und unserem Verhältnis zu ihr entwickeln“ bin ich mit in diesem Jahr treu geblieben und das wird voraussichtlich auch so bleiben. Kritische Kommentare sind leider eher ausgeblieben, mein Denken hat sich in diesem Jahr dennoch weiter entwickelt. Die Zugriffszahlen hängen stark davon ab wie gut die Qualität meiner Beiträge ist und vor allem wie regelmäßig sie erscheinen. So schwankt die Zahl der Zugriffe pro Tag zwischen 15 wenn ich länger Zeit nichts geschrieben habe bis 160 wenn gerade ein Topbeitrag kurz zurückliegt. Klein aber fein. Ich würde diesen Blog auch dann weiter betreiben, wenn nur noch zehn Leser da wären. An dieser Stelle ist der richtige Punkt, all jenen zu danken die ihrer Aufmerksamkeit meinen Gedanken opfern und vor allem denen die mitgeholfen haben diesen Blog bekannter zu machen oder mir auf sonstige Weise weitergeholfen haben. Danke!

Manipulative Charaktere – fünf, Der Charismatiker

November 4, 2009

Der Charismatiker ist die Mutter aller manipulativen Persönlichkeiten. Eine Person hat Charisma, wenn sie durch ihre Ausstrahlung viele Menschen für sich gewinnt. Dies gelingt ihr und darin liegt das Manipulative, indem sie das Gefühl weckt ihr gehorchen zu müssen. Es gehört wohl zu unserem biologischen Erbe, dass zu der Bandbreite möglicher Empfindungen auch ein solches Gefühl gehört. Aus einer evolutionären Perspektive macht es durchaus Sinn, dass es einen Mechanismus gibt, der dafür sorgt, dass  wir in der Kindheit unseren Eltern gehorchen oder dass eine Gruppe von Menschen schnell handeln kann, weil klar ist wer das Sagen hat. Wahrscheinlich werden die meisten Leser diesen Impuls zu Gehorchen kennen.

Wenn es einen Impuls zu Gehorchen gibt, muss es auch etwas geben, das ihn auslöst. Dieses etwas ist die Persönlichkeit des Charismatikers oder besser die Art wie der Charismatiker auf andere wirkt. Meines Erachtens sind es folgende drei Eigenschaften die wenn sie zusammen auftreten den Impuls zu Gehorchen auslösen: Ein Charismatiker muss wohlwollend erscheinen, als kompetent wirken und autoritär sein. Als autoritär bezeichne ich jemanden, dessen Missfallen andere vermeiden wollen. Das erreicht der Charismatiker indem er jedes Mal, wenn jemand gegen seine Wünsche handelt, eine sofortige und starke Reaktion zeigt. In diesem Sinne sind Zicken autoritär. Anders als bei einer Zicke wird das autoritäre Verhalten des Charismatikers als positiv wahrgenommen, weil es von Wohlwollen und Kompetenz flankiert wird.

Es gibt eine Charakter in „Pulp Fiction“ der recht gut veranschaulicht, was ich mir unter einen Charismatiker vorstelle, Winson Wolf, der Cleaner der den Auftragsmördern Jules und Vincent dabei hilft, eine ungeplante Leiche (Marvin) zu beseitigen. Winson Wolf gelinkt es schnell eine klare Rolleneinteilung zu etablieren, er bestimmt und die anderen gehorchen.  Während Jules und sein Freund, dem das Haus gehört in dem die Scene spielt, sich Wolf freiwillig unterordnen, leistet Vincent zunächst Widerstand. Er besteht darauf, dass Wolf zu ihm bitte sagt und ist andernfalls nicht bereit ihm Folge zu leisten. Wolf kann nicht sofort Vincents Forderung nachkommen, da das seine Autorität untergraben würde. Er macht also erst viele Worte um darzustellen warum Vincents Bestehen auf ein „Bitte“ deplatziert ist, um ihm dann in leicht übertriebener Form nachzukommen. Diese nicht-aggressive Weise ist typisch dafür wie Charismatiker mit solchen Situationen umgehen.

Das Wesen eine Charismatikers bringt es mit sich einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Tatsächlich kann jedoch die Kombination von Charaktereigenschaften, die einem Charisma verleiht, eine gefährliche Mischung sein. Kompetent erscheinen heißt zunächst, keine Selbstzweifel zu haben; autoritär zu sein, keinen Willen neben sich zu dulden. Wer schon einmal mit einem Charismatiker zusammen arbeiten musste weiß, dass das ein zweifelhaftes Vergnügen ist. Einerseits kann ein Charismatiker tatsächlich viel bewegen, sie bringen viel Energie und Initiative mit, andererseits ist es extrem schwer solche Menschen dazu zu veranlassen Kurskorrekturen vorzunehmen.

Wenn sich ein Charismatiker und die ihm hörigen Personen von der Außenwelt isolieren kann das eine extrem gefährliche Dynamik auslösen. Dem Charismatiker fehlt die Korrektur durch einen Widerspruch und beginnt seinen Willen mit der Realität zu verwechseln. Schließlich versucht er sich zur ultimativen Autorität aufzuschwingen, dem Herr über Leben und Tod. Die Omu-Sekte trug das Bedürfnis Tode zu veranlassen nach außen, bei den Sonnentempler waren die eigenen Sektenmitglieder die Opfer.

Für die konservative Weltanschauung haben Charismatiker eine besondere Bedeutung. Zu der konservativen Überzeugung gehört der Glaube, dass gewöhnliche Menschen Ordnungen brauchen, um ihr Leben zu bewältigen, die sie selbst nicht schaffen können. Quellen für die Ordnungen sind zum einen die Tradition oder in manchen Spielarten des Konservativismus Führungspersönlichkeiten, die natürliche Elite und seltener die Stifter der Ordnungen. Es sei daran erinnert das der ideale Patriarch die Eigenschaften des Charismatikers verkörpert: Wohlwollen, Autorität und Kompetenz. Geht man über die konservative Anschauung hinaus trifft man auf den Standpunkt, dass die Unterordnung unter eine wohlwollende, autoritäre und kompetente Macht ein Ordnungsprinzip ist, das die gesamte Gesellschaft durchdringen soll. Am deutlichsten wird das wahrscheinlich bei der konservativen Revolution in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Gegen diese Vorstellung stehen einige Einwende: Erstens kann man erst dann beurteilen, ob eine Macht wirklich wohlwollend und kompetent ist, wenn man ihrer Führung nicht mehr bedarf. Auch die Mitglider der Omu-Sekte und der Sonnentempler wahren der Meinung, dass ihre Anführer wohlwollend und kompetent waren. Ein Charismatiker kann einem weder das eigene Denken noch eine eigene Entwicklung abnehmen. Dazu kommt das die Eigenschaften des Charismatikers entgegen dem Anschein nicht mit geistiger und moralischer Reife korrelieren müssen. Zweitens und bedeutender ist, dass das Führerprinzip auch in einer kleinen Gruppe eine Anmaßung von Wissen bedeutet. Was eine Führungspersönlichkeit als gut erkannt hat, muss für die Situation eines Hörigen nicht angemessen sein.

Wenn der Impuls zu Gehorchen in uns verankert ist, ist man dann einem Charismatiker nicht hilflos ausgeliefert? Zum Glück nicht, denn alle Instinkte des Menschen sind in einem Ausmaß verkümmert, das es erlaubt sich über solche Impulse hinweg zu setzten und sie mit geringem Aufwand zu verdrängen. Auch das ist aus evolutionärer Sicht plausibel, Männer mit den Eigenschaften eines Charismatikers sind für Frauen sexy (auf ihre besondere Weise auch Frauen für Männer). Daher ist es sinnvoll, dass man dem Impuls zu Gehorchen widerstehen kann, um selbst diese Eigenschaften auszubilden. Man kann wegen der Tatsache, dass Parteien mit Charismatikern an der Spitzte überproportional häufig von Frauen gewählt werden, spekulieren, dass solche Impulse bei Männern stärker verkümmert sind als bei Frauen. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, dass Männer als rationaler als Frauen gelten.

Noch ein Zweites hilft das die Gesellschaft nicht in von vereinzelten Charismatikern geführte Gruppen zerfällt, gute Umgangsformen. Höflichkeit und die mit ihr verbundenen Tugenden wie Bescheidenheit und das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse verhindert, dass sich die Eigenschaften des Charismatikers entfalten können und das mit bewundernswerter Präzision. Durch Höflichkeit wird vermieden, dass ein Charismatiker sein Missfallen gegenüber abweichendem Verhalten zum Ausdruckbringen kann. Ein Charismatiker kann demgemäß niemals höflich sein. Daher ist es im „Pulp Fiction“-Beispiel sehr treffend, dass sich Vincents Widerstand an der Bitte nach Höflichkeit festmacht. Damit der Mangel an Höflichkeit nicht zu negativen Reaktionen führt, ist es üblich das Charismatiker mit ihrem besonderen Stil oder durch das Erwecken von Sympathie den Mangel überspielen.

In einer Gesellschaft in der der Impuls zur Unterordnung nicht durch gute Umgangsformen gemildert wäre, wurde es unweigerlich zu Spannungen zwischen verschiedenen Charismatikern und ihren Anhängern kommen. Sollten die hier dargestellten Spekulationen zutreffen, dann ist Höflichkeit eine Spontane Ordnung um mit diesem Problem, das in unserem biologischem Erbe verankert ist, fertig zu werden. Die Höflichkeit ermöglicht dem Einzelnen ein größeres Maß an Unabhängigkeit,  ich halte sie daher für eine zutiefst liberale Tugend.