Archive for Dezember 2012

Naives Misstrauen

Dezember 19, 2012

In politischen Diskussionen wird man oft bemerken, dass es so gut wie nie zu einem Konsens kommt und trotzdem alle Beteiligen ihre Überzeugung für vernünftig halten. Der Grund dafür liegt seltener in unterschiedlichen Werturteilen, sondern darin das Tatsachen anhand unterschiedlicher Heuristiken eingeordnet werden. Eine Studie über die Wirkung von Derivaten auf die Lebensmittelpreise mag den einen überzeugen, der andere hält sie für ein Produkt von Lobbyismus und ignoriert sie einfach. Eine Heuristik, die ich für besonders schädlich halte ist die Angst, dass uns die Dinge, die wir nicht verstehen, zum Nachteil gereichen, das naive Misstrauen.

Prominente Beispiele für diese Art des Denkens findet man in Diskussionen über Gentechnik oder Spekulation. So wird die Gentechnik häufig mit dem Argument angegriffen, dass man die Wirkung von gentechnischen Eingriffen prinzipiell nicht vorhersehen kann. Hier wird unterstellt, dass das, was Laien nicht durchschauen können, mit hohen Risiken verbunden sein muss. Deutlicher tritt das naive Misstrauen beim Thema Spekulation hervor. Der Vorwurf ist hier, dass Spekulation keine Werte erzeugt und der Spekulant folgerichtig am Rest der Wirtschaft schmarotz. Die Lücken in diesem Bild werden mit Mutmaßungen aufgefüllt. Dem Spekulanten werden Fähigkeiten zugeschrieben, die nicht im Bereich des Möglichen liegen. Etwa das er fähig sei dauerhaft enorme Gewinne zu generieren.

Das naive Misstrauen zeichnet sich dadurch aus, dass diejenigen die diese Heuristik verwenden, nicht daran interessiert sind, ihren Kenntnisstand in der Streitfrage zu verbessern. Der Grund  liegt zum Teil darin, dass man die eigenen Mutmaßungen mit Wissen verwechselt, teils glaubt man nicht mehr daran, dass objektives Wissen möglich ist. Der Wissenschaft wird unterstellt, dass sie gekauft sei. Aufgrund seines beschränkten Kenntnisstandes ist der Naiv-Misstrauische nicht in der Lage den Nutzen einer bestimmten Handlungsweise zu erfassen. Aus dem Umstand, dass ihm kein Nutzen bekannt ist, schließt er, dass sie tatsächlich keinen Nutzen stiftet.

Saatgutunternehmen wird oft vorgeworfen, dass gentechnisch veränderte Hybridsaat, die nicht zur Wiederaussaat geeignet ist, Kleinbauern benachteiligen würde. Die Naivität des Misstrauens gegenüber Gentechnik wird hier besonders deutlich. Wer so argumentiert glaubt besser einschätzen zu können, was den Kleinbauern nütz als diese selbst. Ein Bauer wird die Saat verwenden, von der er sich den höchsten Nutzen verspricht. Er wird sich das sehr genau überlegen, weil buchstäblich seine Existenz davon abhängt. Die Wahl eines Bauern ist also ein sehr guter Indikator dafür, was die geeignetste Saat ist. Somit belegt die weltweite Verbreitung der Gentechnik, dass sie den Landwirten Vorteile bringt.

Eine Handlungsweise die scheinbar keinen Nutzen stiftet, aber von der manche dennoch profitieren, weckt natürlich die Angst übervorteilt zu werden. Wenn es keinen Nutzen gibt, muss der Vorteil zu Lasten anderer gehen. Die Furcht vor dem Unverstandenen hat noch eine andere Quelle: Die Angst davor, dass das Unverstandenen die eigene Lebensweise überwältigt. Im Fall der Spekulation äußert sich die Angst in der Befürchtung, dass sie die Wirtschaft destabilisiert. Wahrscheinlich hat auch Homophobie hier seine Ursache.

Das naive Misstrauen ist ein Rückfall hinter die Aufklärung. Naives Misstrauen lebt von der Ansicht, dass es nicht möglich ist den Dingen auf den Grund zu gehen. Entweder es bleibt bei oberflächlichen Mutmaßungen stehen und ahnt nicht, dass es noch ein tieferes Wissen gibt oder es unterstellt, dass uns aufgrund von Standpunkt und Interessen der Zugang zur Objektivität versperrt ist. Es verharrt damit in der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Es war der Anspruch der Aufklärung, dass die Gründe aufgrund deren etwas für wahr gehalten werden, durch jeden nachgeprüft werden können. Das naive Misstrauen verwirft, diesen Anspruch. Erkenntnis wird an Experten delegiert und deren Ergebnisse als willkürlich verworfen.

Dem naiven Misstrauen ist ein begründetest Vertrauen entgegenzusetzen, den Weg dahin zeigt die Aufklärung auf. Auch ein gebildeter Mensch kann nicht alle Streitfragen auf höchstem Niveau beurteilen. Bei der Meinungsbildung müssen wir zwangsläufig auf Heuristiken zurückgreifen. Daher lohnt es sich über diese besonders Intensiv zu reflektieren. Eine besser Heuristik als das naive Misstrauen ist etwa folgende: Wenn Menschen zur freiwilliger Interaktion bereit  sind, ist davon auszugehen, dass die Interaktion allen Beteiligten zum Nutzen gereicht, auch wenn dieser für uns schwer zu erkennen ist. Man kann diese Heuristik logisch erschließen. Andere haben einen besseren Einblick in ihre Lebensumstände und den Einflüssen, die darauf wirken. Ihren Entscheidungen ist also informierter als unsere Mutmaßung welche Entscheidung an ihrer Stelle richtig wäre. Das Vertrauen in diese Heuristik wächst, wenn sie sich empirisch bestätigt. Man kann dazu sein Wissen in bestimmten Bereichen vertiefen, um zu verstehen worin der Nutzen liegt der Außenstehenden verborgen bleibt.

 Um das naive Misstrauen zu überwinden ist noch eine zweite Heuristik nötig: Das Vertrauen in das, was uns Nutzen bringt. Die Angst vor dem Unverstandenen, ist oft die Angst davor, das zu verlieren was uns nutzt. Der Grund ist, dass wir das Nützliche oft für ein Produkt des Zufalls halten. Wer glaubt, dass Spekulanten die Preise hochtreiben können, glaubt dass die Preise eine rein willkürliche Übereinkunft sind. Wenn man die Einflussfaktoren begreift durch die ein Preis festgelegt wird, wird sehen, dass sich die Höhe eines Preises exakt durch diese bestimmt wird. Solch ein Wissen schafft Vertrauen. Die Zukunft ist nicht völlig unvorhersehbar, sondern verläuft im Rahmen dessen, was absehbar ist. Je besser wir unser Lebensumstände verstehen, umso besser können wir unterscheiden was wir fürchten müssen und welche Furcht unbegründet ist. Unterm Strich wird das Leben entspannter.

In der Höhle der Grünen

Dezember 14, 2012

Letze Woche hat es mich aus Interesse in eine „Informationsveranstaltung“ der örtlichen Naturschutzgruppe verschlagen. Der Referent Felix zu Löwenstein hielt einen durchaus spannenden und interessanten Vortrag zu dem Thema: „Welternährung in Zeiten von Klimawandel und globaler Ressourcenkrise“. Natürlich war ich in den meisten Punkten absolut anderer Ansicht als der Vortragende, aber dennoch konnte ich einige interessante Denkanstöße mitnehmen.

Zu Löwenstein erläuterte in seinem Vortrag drei Thesen: 1. Es bedarf keiner Produktivitätssteigerungen, um die Welternährung zu sichern. 2. Die konventionelle Landwirtschaft kann nicht weiter geführt werden. 3. Die ökologische Landwirtschaft kann die Weltbevölkerung ernähren.

Um die These zu stützen, dass es keiner Produktivitätssteigerung bedürfe führt Löwenstein an, dass 50% aller Lebensmittel verderben und es ausreiche, diesen Anteil zu reduzieren. Meiner Ansicht mag das stimmen, aber trotzdem könnten Produktivitätssteigerung ab einen bestimmten Punk billiger sein, als mit hohem Aufwand den Anteil der Lebensmittel die tatsächlich verzehrt werden zu steigern. Wenn  Produktivitätssteigerung möglich sind, warum darauf verzichten?

Die zweite These, die konventionelle Landwirtschaft könne nicht weiter geführt werden ist schon interessanter. Löwenstein führt verschiedene Argumente gegen die konventionelle Landwirtschaft ins Feld. Die erste ist der Ressourcenverbrauch, der mit der konventionellen Landwirtschaft einhergeht. Zur Herstellung von Kunstdünger ist viel Energie notwendig, was zum Beispiel am Haber-Bosch-Verfahren liegt. Da die fossilen Energieträger zu Neige gehen, sei ein Umdenken erforderlich. Diesem Punkt kann ich mich nicht anschließen, da durch neue Fördertechniken die Reichweite der fossilen Energieträger wieder steigt, im Fall der Kohle mehr als 100 Jahre beträgt und sie zur Not auch durch Kernenergie ersetz werden können. Wenn es hier also ein Problem gibt, keines dass sich in absehbarer Zukunft stellen wird.

 Eine weiter endliche Ressource sei Phosphor. Dieser reiche nach den Optimistischen Schätzungen nur noch 300 Jahre. Dies ist Löwenstein zu wenig und stellt dem die 500 Jahre entgegen, die sein Gut schon bewirtschaftet werden. Auch hier sehe ich kein Handlungsbedarf in 300 Jahren können sich leicht Phosphorquellen erschließen, an die heute noch keiner denkt. Rückgewinnung aus der Kanalisation, Abbau aus dem Weltraum oder die Erzeugung durch Kernfusion seien mal als Denkanstöße genannt.

Weiter argumentiert Löwenstein mit der Umweltbelastung durch die Landwirtschaft. Das halte ich tatsächlich für sein stärkstes Argument. So führt er zum Beispiel auf, dass in Niedersachen an vielen Orten, die Grundwasserbelastung mit Stickoxiden über den Grenzwerten liegen und dass durch den Nährstoffeintrag in die Meere sich Todeszonen am Meeresgrund gebildet haben. Hier hat er mich tatsächlich teilweise überzeugt. Ich denke, dass Mechanismen sinnvoll wären, mit dem die Emissionen aus der Landwirtschaft begrenzen lassen. Allerding hat pro Ertrag gerechnet die Ökologische Landwirtschaft oft negativere Auswirkung auf die Umwelt als die konventionelle.

Um die These zu stützen, dass die ökologische Landwirtschaft die Weltbevölkerung ernähren kann nennt Löwenstein einige wohl erfolgreiche Projekte, bei denen mit ökologischer Landwirtschaft, ähnliche Effekte erzielen lassen, wie in der konventionellen Landwirtschaft. Dem mag so sein, aber Einzelfälle ändern nichts am großen Bild, dass Ökolebensmittel so teuer sind dass sie sich nicht jeder leisten kann und die technischen Voraussetzungen fehlen um damit wirklich das Groß der Menschheit zu ernähren.

Löwensteins Vortrag war durchaus angenehm zu folgen und er war für einen Grünen erstaunlich differenziert. So sah er die Zukunft in einem Systemwettbewerb zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft und sah ein, dass es auch in der ökologischen Landwirtschaft Spezialisierung und Großbetriebe geben muss, um konkurrenzfähig zu sein.

Die entscheidende Lücke in der Argumentation war, dass aus ihr nicht hervor ging, warum nun ausgerechnet die Ökologische Landwirtschaft die Lösung sein sollte. Er hat bestenfalls gezeigt, dass eine Input-arme Landwirtschaft notwendig sein könnte. Die Ökologische Landwirtschaft aber umfasst einiges mehr zum Beispiel den Verzicht auf Gentechnik. Andererseits ist in der Ökologischen Landwirtschaft die Verwendung von Naturstoffen auch dann legitim, wenn sie die Umwelt belasten. Meines Erachtens erkennt man daran, dass es den Befürwortern der Ökologischen Landwirtschaft nicht um die aufgeworfenen Probleme geht, sondern dass sie vielmehr durch ein Unbehagen gegenüber der Technik motiviert werden. Erst wenn man dieses Motiv in Erwägung zieht, machen die Regeln der Ökologischen Landwirtschaft Sinn. Die vielen Lücken in Löwensteins Argumentation waren also eine Folge davon, dass er nach den Prinzip agierte, ich habe eine Lösung jetzt suche ich mir ein Problem, um die Menschen davon zu überzeugen.

Der Interessante Teil des Abends begann nach dem eigentlichen Vortrag, als das Publikum einige Fragen an den Vortragenden stellen konnte. Wie bei so einem Vortrag nicht anders zu erwarten, bestand das Publikum überwiegend, aus überzeugten Anhängern der ökologischen Landwirtschaft. Zwei Beiträge sind mir noch besonders in Erinnerung. Der erste warf die Frage auf, warum es immer noch Widerstand gegen die Ökologische Landwirtschaft gibt, wenn doch die Fakten eindeutig für sie sprächen. Die Vermutung ging schnell dahin, dass es Wirtschaftsinteressen seinen, die die Politik entsprechend steuern. (Das war nicht der einzige Redebeitrag der in diese Richtung ging.) Die Wortmeldung fand ich aus psychologischer Hinsicht interessant. Die dargelegten Fakten, waren alles andere als eindeutig, sonder ließen einen weiten Raum für unterschiedliche Interpretationen. Aber statt zu akzeptieren, dass man mit der eigenen Meinung in der Minderheit ist, wurde versucht finstere Mächte dafür verantwortlich zu machen. Dabei ist es viel wahrscheinlicher, dass die konventionelle Landwirtschaft dominiert, weil sie eher den Interessen der Konsumenten entspricht. Natürlich spielt Lobbyismus in vielen Fällen tatsächlich eine Rolle, er gibt aber nicht den Ausschlag. Interessant finde ich, wie Technologiefeindlichkeit und die Ansicht, dass die Welt von wenigen Großkonzernen gesteuert wird oft Hand in Hand geht und die eine Sichtweise als „Beweis“ für die andere herhalten muss.

Der zweite Wortbeitrag stammt von einer Schülerin, die berichtet, dass eines Tages ihre Mutter völlig aufgelöst zur ihr kam und entsetzt darüber war, dass bald eine gentechnisch veränderte Maissorte zugelassen werden würde und sie stellte die Frage, wie man eine Change gegen einen großen und mächtigen Konzern wie Monsanto haben könne. Aus meiner Sicht ist die Angst vor Gentechnik völlig irrational, noch nie wurde ein Schaden durch Gentechnik verursacht und das ist auch kein Wunder, weil technisch gesehen bei der Gentechnik nicht viel anderes passiert, als in der Natur oder in der Züchtung sowieso viele tausendmal so oft geschieht. Für mich war der Beitrag ein Beispiel dafür, dass technikfeindliche Propaganda Schäden verursacht, indem sie die Menschen in unbegründete Schrecken versetzt. Der zweite Teil des Beitrags, war ein gutes Beispiel dafür, wie leicht man die Menschen dazu bringen kann etwas zu hassen, wenn man sie dazu bringt Angst vor etwas zu haben. Es ist sicher kein Zufall, das Saatgutfirmen und ihre Mitarbeiter immer wieder Opfer von Verbrechen werden. Die versammelte Runde war sichtlich stolz Europa gentechnikfrei gehalten zu haben, aber man muss bedenken dass man es mit den selben Mitteln geschafft haben, mit denen Rechtsradikale Städte ausländerfrei halten.

Unwort Überbevölkerung

Dezember 3, 2012

Das Wort Überbevölkerung ist an sich wertend und entspringt einer zynischen Denkweise. Denn welche Situationen werden als „Überbevölkerung“ beschrieben? Die in denen die Bedürfnisse der Menschen nicht mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen gedeckt werden können. Man müsste also neutral von Ressourcenmangel sprechen. Aber was sind die Ursachen für Ressourcenmangel? Unzureichendes Kapital oder unzureichende technischen Fähigkeiten, die wiederum durch dysfunktionale Intuitionen bedingt werden. Mit anderen Worten Unterentwicklung. Überbevölkerung ist also nicht anderes als Unterentwicklung.

Wenn man von Überbevölkerung spricht legt man nahe, dass nicht schlechte Intuitionen, ein Mangel an Kapital oder fehlende technische Fähigkeiten das Problem sind, sondern die Menschen. Man legt nahe, dass man die Lösung nicht darin sieht Entwicklungschancen zu eröffnen, sondern die Zahl der Menschen zu verringern. Eine solche Sichtweise ist nicht nur inhuman, sie widerspricht auch den Fakten. Die Menschen werden es erst dann anstreben ihre Umwelt zu schonen, wenn ihre grundlegenden Bedürfnisse gestillt. Daher sollten klar denkende Menschen „Überbevölkerung“ aus ihrem Wortschatz verbannen.