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Vom Wirtschafttechnokraten zum Libertären

November 10, 2009

Wie in Beiträgen auf Freiheit und Optimismus bereits angedeutet glaube ich, dass Liberale einen anderen Zugang zur Welt haben als Linke oder Konservative. Den Konservativen und den dominierenden Varianten der Linken ordne ich ein Denken in Zweckkausalitäten zu, d.h. sie interessieren sich vor allem für die Ziele die im Politischen Kampf verfolgt werden und glauben, wie die Welt eingerichtet sei, entscheidet sich durch die Kräfte, die in diesem Kampf dominieren. Die politische Realität sei also eine Folge der Zwecke. Ein Beispiel für diese Denkweise ist z.B. der Kommentar der irgendwann einmal auf B.L.O.G. fiel, dass die technischen Berufe den Verlauf des Technischen Fortschritts bestimmen könnten.

Den Liberalen hingegen ordne ich ein Denken in Wirkungskausalitäten zu. Sie interessieren sich dafür wie etwas geschieht, also vor allem mit welchem Mitteln Ziele verfolgt werden. Diese Vorgehensweise haben sie mit ihrem politischen Gegenpol den Technokraten gemein.

Der Unterschied zwischen beiden Denkstilen kann an der Frage nach dem Mindestlohn verdeutlicht werden. Ein Konservativer oder Linker wird bei der Frage ob ein Mindestlohn eingeführt werden soll zunächst überlegen, ob sie das Ziel dieser Maßnahme unterstützen; ein Liberaler oder ein Technokrat fragen sich dagegen wie sich der Mindestlohn auswirkt.

Im Folgenden werde ich beschreiben wie sich das politische Denken entwickelt, wenn man von Angang seiner politischen Entwicklung an in Wirkungskausalitäten denkt. Diese Entwicklung ist eher die Ausnahme. Liberale beginnen meist als Anhänger einer anderen Weltanschauung, die wegen dem Scheitern ihrer Ideologie dazu übergehen auch Wirkzusammenhänge in ihr Denken miteinzubeziehen.

In einem naiven Entwicklungsstadium werden Liberale und Technokraten nicht viel darüber nachdenken nach welchen Gesichtspunkten sie eine Maßnahme bewerten. Entweder sie bedienen sich eines unreflektierten Utilitarismus oder übernehmen die gesellschaftliche Mode. Im Vordergrund steht der Versuch sich die Kenntnisse anzueignen, die man zur Bewertung politischer Maßnahmen braucht, d.h. vor allem Ökonomie. Typisch für dieses Entwicklungsstadium ist dass man Makroökonomie für die reine Wahrheit hält und Sätze, die mit „Es liegt kein optimales Gleichgewicht vor“ beginnen, mit „also muss der Staat eingreifen“ zu beenden. Linke und Konservative bezeichnen dieses Denken als neoliberal, wirtschaftstechnokratisch halte ich jedoch für sehr viel passender.

Einem Wirtschaftstechnokraten werden mit der Zeit zwei Dinge auffallen. Erstens dass er bei den meisten Fragen die zur Diskussion gestellt werden gegen ein Eingreifen des Staates plädiert. Das wird sooft passieren, dass ihm das fast zur Gewohnheit wird. Daher begreift er sich als Liberalen. Zweitens wird auffallen, dass sich die Politik nur sehr oberflächlich mit dem beschäftigt, was sie vorschlägt und beschließt.

Exkurs: Die Tatsache, dass man nach utilitaristischen Gesichtspunkten so ziemlich jeden Staatlichen Eingriff verwerfen müsste, ist eine recht interessante Beobachtung, auch dann wenn man über den Utilitarismus längst hinaus gewachsen ist. Zuerst bin ich bei Davids Friedmans Räderwerk der Freiheit darauf gestoßen. Rothbard geht in „Market and Power“ die gängigen Staateingriffe in die Wirtschaft durch und zeigt, dass keiner von ihnen das leisten kann, was er verspricht.

Verblüffender ist, dass diese Koinzidenz von libertären und utilitaristischen Kriterien auch dann gilt, wenn Fragen behandelt werden die man nicht mit Standardökonomie beantwortet werden kann, wie die Prohibition oder Bankfreiheit. Der Zusammenhang ist so ausgeprägt, dass es eine tiefere Ursache geben muss. Die Neoaustrians (Rothbard, HHH) haben sich an einer Begründung versucht, die ich jedoch für zu oberflächlich halte. Einige Ansätze Hayeks halte ich für vielversprechender. Exkurs Ende.

Im besten Fall beginnt ein Wirtschafttechnokrat eine Wertschätzung für liberale Prinzipien, Eigenverantwortung, Rechtssicherheit und individuelle Haftung, zu entwickeln. Er erkennt, dass diese Prinzipien gut dazu geeignet sind Konflikte auch im außerökonomischen Bereich zu lösen. Er geht vom wirtschaftstechnokratischen ins ganzheitliche-liberale Stadium über.

Im ganzheitliche-liberalen Stadium vertieft sich das Vertrauen in die liberalen Prinzipien und die Unzulänglichen der bisherigen Bewertungsmaßstäbe werden dem Liberalen zunehmend deutlich. Sie werden schließlich bewusst verworfen, die Übereinstimmung mit Freiheit, Recht und Eigentum wird zum alleinigen Kriterium zur Beantwortung politischer Fragen. (Bei mir hatte dieser Schritt einen Auslöser, das war als ich das erste Mal mit dem NAP konfrontiert wurde.)

Diese Entwicklung beschreibt recht gut meine eigene Entwicklung. Mich würde interessieren, wie sehr sich die Leser darin widerfinden können. Gibt es Menschen die den direkten Weg zum Liberalismus gefunden haben, die sich nie von den Verlockungen der Politik haben täuschen lassen, sondern direkt von ihren Alltagserfahrungen auf die Werte des Liberalismus schließen konnten?

Die vergessenen Weltanschauungen

August 4, 2009

Wenn ich Weltanschauungen vergleiche beschränke ich mich in der Regel auf Liberalismus, Konservativismus und die Linke. Der Grund dafür ist, dass diese in der öffentlichen Diskussion den größten Raum einnehmen und ich mit diesen Weltanschauungen am besten vertraut bin. Bei einem solchen Vorgehen stellt sich natürlich die Frage was ich eigentlich übergehe. Natürlich sind da die verschiedenen Schattierungen des linken Spektrums von den Grünen bis zum Marxismus zu nennen sowie die nichtkonservativen  rechten Positionen  wie die der Nationalisten und Reaktionäre.  Auch ließe sich das liberale Lager genauer analysieren und schärfere Kritik an Weichspülliberalen verüben. Solche Feinheiten würden jedoch den Rahmen meiner Beiträge völlig sprengen und sollen auch nicht hier behandelt werden. Heute will ich mich den politischen Faktoren widmen, die meist übersehen werden, aber dennoch sehr enormen Einfluss haben: Zentrismus, Technokratie und Standardetatismus.

Als Zentristen sind diejenigen politisch interessierten Menschen zu verstehen, die es ablehnen sich den politischen Hauptströmungen anzuschließen und einen Kompromiss zwischen ihnen anstreben. Im eindimensionalen Links-Rechtsspektrum wurden der Zentrismus und dem Liberalismus praktisch gleich gesetzt. Möglicherweise hat das zur Aufweichung liberaler Standpunkte beigetragen.

Üblicher Weise finden Zentristen einzelne Argumente der Hauptrichtungen überzeugend, sie werden jedoch von den notwendigen Härten abgestoßen, die das Umsetzen einer reinen Lehre mit sich bringen würde. Eine eigenständige zentristische politische Theorie ist mir nicht bekannt, wohl gibt es jedoch Parteien die sich explizit dem Zentrum und nicht dem Liberalismus zuordnen etwa die Mouvement démocrate.

Der Zentrismus spielt in einigen Modellen der neuen politischen Ökonomie, etwa den Medianwählermodell eine große Rolle. Der Medianwähler ist die Person, die eine politische Position vertritt, zu der sich gleichviele Menschen als linker und rechter verstehen würden. Die Definition lässt sich auch auf mehrdimensionale Politische Spektren verallgemeinern. Der politischen Ökonomie zufolge müssen sich die Parteien dem Medianwähler annähern, um ihre Stimmenzahl zu maximieren. Man geht daher davon aus, dass der Zentrismus die politische Kraft ist, die sich am häufigsten durchsetzt.

Technokratie ist die Weltanschauung, die wissenschaftliche Erkenntnisse verwenden will, um effizientes kollektives Handeln zu ermöglichen und läuft auf eine Herrschaft von Experten hinaus. Die Technokratie stellt den Gegenpol des Liberalismus dar, so wie sich Konservativismus und die Linke Gegenpole sind. Das wird beispielsweise in der Kritik des Sozialismus durch die österreichische Schule deutlich, die eigentlich eine Kritik der Technokratie ist. Kritisiert werden die Mittel, durch die die Ziele des Sozialismus ermöglicht werden, nicht die Ziele an sich. Besonders will ich Hayeks ‚Der Weg zur Knechtschaft‘ hervorheben. Der Grundgedanke des Buchs ist, dass eine Bedingung für planvolles kollektives Handeln ist, dass die Herrschaft des Rechts aufgehoben wurde.

Eine Skizze einer funktionierenden technokratischen Gesellschaft stellt Aldous Huxley Brave new World dar. Alle Lebensprobleme der Menschen werden einen vom Staat abgenommen, der die optimale Lösung bereits kennt. Der Preis ist das niemand mehr persönliche Verantwortung und geistige Reife erreicht. Mit Brave new World konnte Huxley den Gedanken literarisch verarbeiten, dass Technokratie, nicht nur wegen ihres praktischen Scheiterns sondern auch aus moralischen Gründen zu verwerfen ist.

Technokratische Ideen kann man schon bei Platon finden, dessen Herrschaft der Philosophenkönigen recht exakte der durch wissenschaftliche Eliten entspricht. Mit der Wissenschaftlichen Methode und der Industrialisierung gewann technokratisches Denken an Plausibilität, Denker wie Henri de Saint-Simon und Auguste Comte traten auf. Den Höhepunkt dürfte die Technokratie nach der Weltwirtschaftskrise erreicht haben, als das Laissez-faire diskreditiert wurde. Umgesetzt wurde das technokratische Programm zu dieser Zeit nicht in Reinform, sondern indem es von Sozialismus und Faschismus aufgenommen wurde. In dieser Phase wurden aber zugleich die Unzulänglichkeiten technokratischer Ansätze sichtbar.  Heute wird keine Technokratische Theorie mehr vertreten, der Liberalismus konnte einen nahezu vollständigen Sieg erringen. Freilich nur auf Ebene der Theorie.

Eine Oberflächliche Plausibilität schützt technokratische Ideen davor in der Geschichte zu versinken. Technokratie wendet die Methode, ‚identifiziere ein Problem, konstruiere eine Lösung und implementiere diese‘, die im Alltag gute Dienste leistet, auf Situationen an in der sie versagen muss. Das Programm der Technokratie ist also: identifiziere ein Gesellschaftliches Problem, setze eine Institution ein, die Lösungen erarbeitet, statte diese mit der Macht aus diese auch durchzusetzen. Das Programm ist auf dem ersten Blick so überzeugend, dass es sich auch heute, nachdem die Technokratie schon tausendmal gescheitert ist, eignet, um Politikern populistischen Stimmenfang zu ermöglichen.

Es lange Zeit große Schnittmengen zwischen den Verfechtern von Technokratie und Sozialismus und es ist vermutlich viel Wahres an der These der Österreicher, dass Sozialismus oder linke Ziele im Allgemeinen ausschließlich durch ein technokratisches Programm durchzusetzen seien. (Siehe Hayek über den Wunsch durch die Macht der Regierung eine gleichmäßiger Verteilung zu sichern: „Sofern dies bedeutet, daß die Zwangsgewalt der Regierung dazu gebraucht werden soll, zu sichern, daß bestimmte Leute bestimme Dinge bekommen erfordert es eine Unterscheidung und ungleiche Behandlung verschiedener Menschen, die mit einer freien Gesellschaft unvereinbar ist.“ Die Verfassung der Freiheit, S.330 f., dass Hayeks Kritik hier Technokratie feststellt, wird daran ersichtlich, dass für Hayek eine frei Gesellschaft eine ist, in der jede Entscheidung einer Behörden vorhersehbar ist.) Interessanterweise gab es innerhalb der Linken selbst technokratiekritische Ansätze, etwa die Kritischen Theorie.  Freilich leiden viele diese Ansätze an einer Übergeneralisierung, so attackiert die Kritische Theorie nicht die Technokratie an sich, sondern die Instrumentelle Vernunft im Allgemeinen. Auch werden Kapitalismus und Technokratie in unzulässiger Weise gleich gesetzt. Da Linke Programme technokratische Elemente enthalten müssen, nahm sich die Linke selbst einen Teil ihrer Politikfähigkeit, was zur undogmatischen Linken und ähnlichen Entwicklungen führte. Die die Linke jedoch nicht ungefährlich machen.

Unter Standardetatismus verstehe ich die Politischen Bestrebungen die von staatlichen Institutionen ausgeht, ohne dass sie mit einer bestimmten Weltanschauung begleitet sind, also alles was durch das Eigeninteressen im Staatsapparat angetrieben wird. Solche Prozesse werden seit jüngerer Zeit von der Public Choise untersucht. Politisch denkende Menschen versuchen meist das politische Geschehen als das Wirken einer dominanten Weltanschauung zu erklären. Konservative und Liberale sehen die Linke an der Macht, Linke den „Neoliberalismus“. Meines Erachtens kommt man zu besseren Erklärungen, wenn man nicht Ideologien sondern die Interessen, der gesetzgebenden Institutionen, für maßgeblich hält. Es macht mehr Sinn die innenpolitische Entwicklung – das Verschieben der Gewichte von Sicherheit und persönlicher Freiheit zu Gunsten der Sicherheit ­– durch das Wirken der Sicherheitsbehörden, die ihre Kompetenzen auszuweiten versuchen, zu erklären, als eine antidemokratische Verschwörung am Werk zu sehen.  Gesetzgeber ist eben nicht das Parlament, sondern die Ministerialbürokratien, die die Gesetzentwürfe ausarbeiten, sind es. Klassische Liberale müssten in dieser Praxis ein folgeschweres Durchbrechen der Gewaltenteilung sehen, allerdings lässt sich die Komplexität der heutigen Regulierungsvorhaben anders nicht mehr bewältigen. Das spricht gegen die Regulierungsvorhaben, nicht gegen die praxisfernen Liberalen.

Da die Resultate des Standartetatismus kaum als erfreulich gelten können, macht es sehr viel Sinn zu versuchen, sie dem politischen Gegner in die Schuhe zu schieben. Diese politische Schwarzer Peter stärkt den Staat jedoch mehrfach. Nicht nur wird die eigentliche Verantwortung verwischt, es entsteht auch eine Gestaltungsillusion. Der Politik wird eine Detailsteuerung unterstellt, die schon daran scheitern muss, dass die Wirkung von Regulierungen nicht im dazu nötigen Ausmaß bekannt ist. Ja die Politik hat sogar nur selten Interesse für die Resultate ihrer Projekte, solange sich die Projekte gut verkaufen.