Woran erkennt man, dass ein Politiker lügt?
Seine Lippen bewegen sich.
Lebensweisheit
Wenn wir sagen, dass etwas das Gegenteil einer Sache ist, kann Gegenteil verschiedene Bedeutungen haben. Gegenteil kann zum einen heißen, dass in einer Polarität (z.B. Schwarz – Weis) der jeweils anderer Pol gemeint ist oder das Gegenteil kann logisch-exakt gebraucht werden, dann wäre das Gegenteil gleichsam die Verneinung, also das Gegenteil von Schwarz die Gesamtheit aller Farben bis auf Schwarz. Hier will ich einen Typ von Gegenteil vorstellen, den ich als Politisches Gegenteil bezeichne.
Das politische Gegenteil ist dann anzutreffen, wenn wir aus einer Aussage eines Politikers schließen können, dass die Verneinung der Aussage zutrifft. Beispielsweise kann man, wenn ein hoher Politiker sagt „niemand stellt den Führungsanspruch unseres geliebten Vorsitzenden in Frage“, damit rechnen, in wenigen Wochen den besagten Politiker als neuen Vorsitzenden begrüßen zu dürfen. Die berühmteste Verwendung des politischen Gegenteils dürfte der Ausspruch von Walter Ulbricht sein „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“.
Von einem politischen Gegenteil zu sprechen, mag zunächst wie eine ironische Zuspitzung erscheinen, sein Gebrauch macht im politischen Alltag jedoch absolut Sinn, wenn man folgendes bedenkt. Politiker sind in ein System von Loyalitäten eingebunden. Ihre gesamte Macht beruht auf diesem System und das System beruht auf das Vertrauen auf die Macht des Politikers. Ein Politiker ist mächtig, weil andere an seine Macht glauben. Geht der Glaube an die Macht verloren, dann auch die Macht selbst. Indem ein anderer bekundet keinen Respekt vor einem Politiker oder einer politischen Instanz zu haben, führt er einen Angriff auf die Macht des Politikers selbst aus. Daher ist es in der Politik unmöglich Tatsachen offenauszusprechen, die den Einfluss eines Verbündeten oder Partners in Frage stellen.
Auch ein abgesetzter Vorsitzender ist eine wichtige Persönlichkeit in einer Partei und hat Anhänger mit denen es man sich nicht verscherzen möchte, daher ist sein Nachfolger der letzte der ihn öffentlich angreifen kann. Andere, die den Sturz einer Spitze betreiben, schieben die Umstände vor und entziehen sich so ihrer Verantwortung. Auch verfeindete Staaten sind in gewisser Hinsicht Partner, nämlich wenn es darum geht den Status quo aufrecht zu erhalten. Es wird vermieden unnötige Spannungen aufzubauen und daher tat auch Ulbricht gut daran, die Alliierten nicht vor den Kopf zu stoßen und den Bau der Mauer zunächst geheim zu halten.
Das politische Gegenteil wäre natürlich nutzlos, wenn es keine Methode gäbe mit der man es sicher erkennen kann. Allerdings auch nicht zu sicher, sonst könnte man es sich gleich sparen. Eine solche Methode gibt es, sie besteht darin zu prüfen, ob ein Politiker einen Sachverhalt überhaupt ansprechen würde, wenn er wahr wäre. Ist das nicht der Fall spricht er das politische Gegenteil aus. Wenn ein Vorsitzender fest im Sattel sitzt, macht es keinen Sinn über seinen Führungsanspruch zu diskutieren. Spricht man dennoch darüber, dann ist die Botschaft nicht, dass der Führungsanspruch akzeptiert wird, sondern ganz im Gegenteil man macht deutlich dass dieser Führungsanspruch keine Selbstverständlichkeit ist.
Es muss auch Möglichkeiten geben das politische Gegenteil zu vermeiden. Auch die bestehen. Zum einen kann man die ursprüngliche Aussage verteidigen indem man sie bis ins unrealistische steigert. Einem Politiker, der die Bedeutung und Unverzichtbarkeit des Vorsitzenden in den höchsten Tönen lobt, nimmt man tatsächlich ab hinter diesem zu stehen. Zum anderen besteht theoretisch die Möglichkeit seine Position so präzise und differenziert zu erläutern, dass kein Raum für Interpretationen bleibt.
Gab es in letzter Zeit eine Rede in der das politische Gegenteil verwendet wurde? Die gab es tatsächlich, es handelt sich um die Rede der Bundespräsidenten Wulff. Genauer die Passage
Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.
Der Satz das der Islam zu Deutschland gehöre, ist entweder trivial oder schlicht falsch, je nachdem was man unter Deutschland versteht. Wäre der Islam tatsächlich ein Teil Deutschland gäb es keinen Grund ihn zu erwähnen, so wie Wulff andere Minderheiten die tatsächlich zu Deutschland gehören nicht erwähnt. Der Umstand, dass Wulff den Islam dennoch erwähnt, zeigt dass er das Verhältnis von Muslimen und anderen Bewohnern Deutschlands für angespannt hält. Für so angespannt, dass es zu einem Problem der Politik geworden ist.
Zum Wesen des politischen Gegenteils gehört, dass es unklar bleibt; seine genaue Bedeutung erschließt sich erst im Licht der kommenden Ereignisse. Wir wissen nicht was Wulf bezwecken wollte, ob er seinen rechten Pateifreunden Gelegenheit geben wollte sich zu positionieren oder den Linken die Deutungshoheit zu gewinnen.