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Was die Förderung der Elektromobilität über unsere politischen Eliten aussagt – Teil 2

Oktober 27, 2016

Im ersten Teil dieser Serie haben wir gesehen, dass es unwahrscheinlich ist das sich Elektroautos auf lange Sicht durchsetzen. Zwar werden sie für den Endanwender möglicher Weise ähnlich wirtschaftlich wie Verbrenner, aber es ist absehbar dass sie ihren Zweck nur in eingeschränkter Weise erfüllen. Wenn also kein technologisches Wunder geschieht, werden sich die Elektroautos nur dann durchsetzen, wenn sie vom Staat massiv begünstig werden. Leider sieht es tatsächlich so aus, als würden unsere politischen Eliten gerade dies beabsichtigen. In diesem Teil werde ich daher der Frage nachgehen welche gesellschaftlichen Auswirkungen die Förderung der Elektromobilität nach sich ziehen wird.

Die Auswirkungen die ich für wahrscheinlichsten halte lassen sich mit den Schlagworten weniger Mobilität für die Masse, steigende Gesamtwirtschaftliche Kosten und veränderte Wertschöpfungsketten zusammenfassen.

Nimmt man den Vorschlag des Bundesrats beim Wort, läuft er darauf hinaus, Verbrenner prohibitiv hoch zu besteuern, so dass die Autofahrer vor der Wahl stehen entweder gar kein Auto oder ein Elektroauto anzuschaffen. Die Tauglichkeit eines Elektroautos hängt jedoch sehr viel stärker von seinem Preis ab, als es bei Verbrennern der Fall ist. Während Verbrenner im Wesentlichen gleich tauglich sind und man sich in den höheren Preisklassen in erster Linie mehr Komfort erkauft, steigt bei Elektroautos in den höheren Preisklassen Reichweite und sinkt dank höherer Ladeströme die Ladezeit. Wählt die Regierung also den vom Bundesrat angedachten Weg wird das Groß der Bevölkerung dazu gezwungen weniger Mobilität zu höheren Kosten zu erwerben.

Hinzukommen Einschränkungen in der Handhabung. Ein Elektroauto ist nur dann einigermaßen Praktikabel, wenn man die Möglichkeit hat es im eignen Heim aufzuladen. Für viele Mieter ohne festen Stellplatz gibt es diese Möglichkeit nicht, ein Zwang zur Elektromobilität wäre für sie mit zusätzlichen Ärgernissen verbunden. Sie müssten alle zwei bis drei Tag eine öffentliche Ladestation aufsuchen und sehen wie sie die Stunden verbringen, die das Auto für den Ladevorgang braucht. Wer freut sich nicht darauf abends nach Feierabend irgendwo in der Stadt rumzusitzen? Das Elektroauto scheint speziell für einen bestimmten grünbügerlichen Lebensstil konzipiert zu sein.

Selbst wenn sich das Elektroauto für den Einzelnen rechnet, ist abzusehen dass es mit höheren gesamtwirtschaftlichen Kosten verbunden ist. Der Grund dafür ist, dass das Elektroauto nur daher billiger ist, weil Benzin viel höher besteuert wird als Strom. Gesamtwirtschaftlich gesehen wäre der Verbrenner immer noch günstiger. Die Kosten für den Umstieg auf ein Elektroauto werden jedoch nicht vom Einzelnen allein getragen sondern belasten auch die Staatkasse. Wenn immer mehr Fahrer auf das Elektroauto umsteigen geht dem Staat Energiesteuer verloren. Den Wegfall dieser Einnahmen wird er auf lange Sicht wieder zu Lasten der Untertanen kompensieren.

Die höheren gesamtwirtschaftlichen Kosten erklären sich durch die komplexere Energiebereitstellung im Fall der Elektroautos. Elektroautos und Verbrenner benötigen fast die gleiche mechanische Energie. In Teil eins haben wir gesehen, dass Elektroautos etwa 20 kWh / 100 km benötigen; bei einem Wirkungsgrad von 95% werden davon 19 kWh in Bewegung umgesetzt. Bei Verbrennern sieht das ähnlich aus 6l auf 100 km entsprechen einem Heizwert von etwa 52 kWh; bei einem Wirkungsgrad von 30% werden davon etwa 15,7 kWh in Bewegung umgesetzt. Der niedrigere Wert für Verbrennern ergibt sich daraus, dass bei einem vergleichbaren Elektroauto wegen dem Gewicht der Batterien mehr Masse bewegt werden muss.

Nun ist jedoch die Bereitstellung von elektrischer Energie mit einem höheren wirtschaftlichen Aufwand verbunden als der von Kraftstoff. Zwar ist der Well-To-Wheel-Wirkungsgrad, also das Verhältnis von aufgewendeter Primärenergie zu in Bewegung umgesetzter Energie, von Elektroautos besser als der von Verbrennern. Jedoch ist die kWh Kraftstoff mit etwa 12 cent deutlich günstiger als die kWh elektrischer Energie. Elektrischer Energie ist die technisch wertvollste Form von Energie und entsprechend lohnt sich für ihre Erzeugung ein höherer Aufwand. In die Kosten für den Sekundärenergieträger geht eben nicht nur der Primärenergieverbrauch ein, sondern auch Personal- und Kapitalkosten, sowie Abschreibungen. Diese Fallen im Fall der elektrischen Energie offensichtlich deutlich höher aus als für die Herstellung von Kraftstoff.

Mit den Umstieg von Verbrennern auf Elektroautos verändern sich auch die Wertschöpfungsketten. Trivialer Weise müssen an Stelle von Otto- und Dieselmotoren Elektromotors und Akkumulatoren gefertigt werden. Das hat weitreichende Auswirkungen. Produktions- und Produktwissen im Bereich der Verbrennungsmotoren wird entwertet während es im Bereich Elektromotoren und Akkumulatoren erst aufgebaut werden muss. Da die Wettbewerbsvorteile deutscher Automobilhersteller zu wesentlichen Teilen auf diesem Wissen beruht, ist mit dem Umstieg ein hohes Risiko für die Wettbewerbsposition dieser Unternehmen verbunden. Die Auswirkungen setzen sich weiter in der Wertschöpfungskette fort. Da im Elektroauto der mechanische Antriebstrang wegfällt, fällt auch ein weites Betätigungsfeld für Werkzeugmaschinen weg. Was entsprechende Auswirkungen im Maschinenbau nach sich zieht.

Diese Veränderungen wird auch in der Nachfrage nach Arbeitskräften wiederspiegeln, während der Bedarf nach Beschäftigten in der Metallverarbeitung sinkt, steigt möglicher Weise der Bedarf für Lithiumverarbeitung. Dies hat zur Folge das bestimmte Qualifikationen an Wert verlieren während andere stark begehrt sein werden. Das Einkommen und die Sicherheit der Arbeitsplätze von vielen werden entsprechend belastet.

Zwar sind Veränderungen in den Wertschöpfungsketten schon immer eine Folge des technischen Fortschritts gewesen. Die mit den Umstellungen verbundenen Kosten und Risiken sind jedoch nur daher gerechtfertigt, weil sie mit einem höheren Kundennutzen einhergehen. Wenn die Umstellungen jedoch politisch verordnet werden, haben wir es mit Belastungen zu tun den kein adäquater Mehrwert gegenübersteht.

Wir haben also gesehen, dass ein erzwungener Umstieg auf Elektromobilität mit zahlreichen Belastungen für die breite Bevölkerung verbunden wäre. Das fängt bei Ärgernissen in der alltäglichen Handhabung an, geht über die Belastung mit höheren Kosten hin zu erhöhten Risiken für die Beschäftigung. Angesichts dieser Nachteile stellt sich die Frage, warum die Politik immer noch so fixiert auf Elektromobilität ist. Antworten darauf versuche ich im dritten Teil dieser Serie zu finden.

Nachtrag: Inzwischen hat sich VW meiner Kritik angeschlossen, dass die Umstellung auf Elektroautos die Beschäftigung in der Automobilindustrie negativ beeinflusst.

Wikileaks und die Konflikte von Morgen

Dezember 18, 2010

Es ist wohl keine Übertreibung zu sagen, dass in die Ereignisse der vergangenen Wochen die Zukunft ihre Schatten vorauswarf. Plattformen wie Wikileaks und vor allem der Umgang mit ihnen werden das Zeitgeschehen prägen, wie wenige Begebenheiten zuvor. Wir werden Zeuge davon, wie sich die gängigen Methoden gesellschaftliche Konflikte zu regulieren auflösen. Im alten Paradigma wurden Konflikte zentral gelöst. Der Staat war die Instanz, die als Ordnung setzende Macht, entschied wie mit Streitfragen umzugehen sei. Diese Funktion wird durch drei Entwicklungen Infrage gestellt, die sich in den vergangenen Ereignissen herauskristallisieren. Das sind die wachsende Komplexität der Gesellschaft, die nicht-Territorialität des Internets und die durch das Internet entstandene Möglichkeit der Viele-zu-Viele-Kommunikation.

Man konnte schon an der Vergangenheit sehen, dass die staatlich-zentrale Gesetzgebung nicht mehr mit der wachsenden Komplexität der Gesellschaft mithält. Eine erfolgreiche zentrale Gesetzgebung setzt voraus, dass der Staat in der Lage ist die Kompetenzen zu mobilisieren, die nötig sind, um in einer Streitfrage eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Der Punkt an dem sich die Parlamentarier selbst die nötigen Kompetenzen aneignen konnten, ist schon längst überschritten. Das erforderliche Detailwissen ist zu umfangreich. Davon zeugen die wachsende Spezialisierung der Abgeordneten und die Kompetenzverlagerung auf externe Berater und Kommissionen. Schon dieses Vorgehen war problematisch, weil es den Gesetzgebungsprozess durch Lobbygruppen beeinflussbar gemacht hat.

Dass das inzwischen nicht mehr ausreichend ist sieht man beispielsweise an der Novelle des Jugendmedienstaatsschutzvertrags. Hier griff die Politik offenbar auf Berater aus der Wirtschaft genauer den Produzenten sogenannter jugendgefährdender Inhalte zurück. Diese schafften es auch einen Vorschlag vorzulegen, der einer bestimmten Interessensabwägung gerecht wird. Der zwischen den Medien, die sogenannter jugendgefährdender Inhalte verbreiten möchten und den Eltern, die ebendiese Inhalte von ihren Kindern verbergen wollen. Der Vorschlag ließ jedoch die Anliegen von Gruppen außeracht, die nicht an der Beratung beteiligt waren, insbesondere derjenigen die auf privater Basis Inhalte ins Netz stellen. So kam es, dass fast ein Vorschlag umgesetzt wurde, der den einfachen Blogger mit erheblichen Risiken belastet hätte.

Der Vorgang zeigt, dass es der Politik nicht mehr gelingt die wesentlichen Interessenskonflikte, die sich aus einer Neuregelung ergeben, zu identifizieren und daher notwendigerweise Regeln beschließt, die massiv in die berechtigten Interessen bestimmter Gruppen eingreift. Je komplexer die Gesellschaft wird, desto komplexer werden die Konflikte und desto schlechter gelingt Politik. Wir haben es hier mit dem Problem des verteilten Wissens zu tun. Ähnlich wie ökonomische Probleme nicht durch zentrale Planung gelöst werden können, da das erforderliche Wissen über alle Wirtschaftssubjekte verteilt ist, können Interessenskonflikte nicht zentral gelöst werden. Der Ausweg besteht darin, den Anspruch, diese Probleme zentral zu verwalten, aufzugeben und stärker darauf zu vertrauen, dass sich durch dezentrale Vermittlung spontan tragfähige Regeln herausbilden.

Die zweite Entwicklung, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, ist der Umstand, dass das Territorialprinzip nicht auf das Internet angewendet werden kann. In der offline-Welt wird ein Streitfall nach den Gesetzen des Staates entschieden, auf dessen Territorium er aufgetreten ist. Im Internet kann man nicht ohne weiteres entscheiden, wo ein Streitfall auftritt. Der Status Quo ist, dass auf jeden Inhalt, der im Netz steht, die Gesetze jedes Staates angewendet werden können, in denen er verfügbar ist. Es ist möglich, dass einem Brasilianer, der auf Servern in den USA rechtradikale Propaganda betreibt, in Deutschland der Prozess gemacht wird. Auf einem anderen Blatt steht, ob ein Staat sein Recht auch international durchsetzen kann. Jemand, der sich durch seine Veröffentlichung im Internet strafbar gemacht hat, kann einer Strafe entgehen indem er die Staaten meidet, in denen er verfolgt wird. Die Folge ist Staaten das Mittel der Strafverfolgung nicht mehr zur Verfügung steht, um unliebsame Inhalte aus seinem Territorium fern zu halten.

Der Kampf gegen Inhalte aus dem Internet wird also mit unorthodoxen Methoden geführt. Ein Beispiel wie so ein Kampf aussehen kann bietet uns Wikileaks. Hier sehen wir, dass nicht mehr allein bei den Urhebern der unerwünschten Inhalte angesetzt wird, sondern zunehmend die Ressourcen angegriffen werden, die dazu dienen die Inhalte zu verbreiten. Im Fall von Wikileaks waren das zum einen die Serverkapazitäten, die durch DoS-Attacken und der Verweigerung von Dienstleistern, eingeschränkt wurden, zum anderen die Finanzströme. Die Attacken auf Wikileaks konnten zum Teil durch eine Solidarisierungswelle abgewehrt werden. Es wurde Druck auf Unternehmen ausgeübt, ihre Dienste weiterhin auch Wikileaks anzubieten und es wurden Mirrors für die Wikileaks eingerichtet.

An den Kämpfen um Wikileaks sehen wir, das sich die Austragung der Konflikte von staatlichen Institutionen auf die Zivilgesellschaft zurück verlagert. Der Kampf darum, welche Inhalte im Netz stehen können, wird nicht mehr vor Gericht ausgetragen, er entscheidet sich dadurch welche Seite mehr Anhänger mobilisieren kann. Von Hayek stammte die Deutung, dass die Demokratie das Ergebnis eines Bürgerkriegs vorwegnimmt, da die Seite die sich im Parlament durchsetzt auch die sei, die sich in einer gewaltsamen Auseinandersetzung durchsetzen würde. Da die Regelsetzung der Parlamente nicht mehr greift, kehren im Internet bürgerkriegsähnliche Verhältnisse wieder. Das muss nicht das letzte Wort sein. Es ist denkbar, das sich aus den bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen eine Ordnung herausbildet durch die Konflikte dezentral reguliert werden können. Eine Reihe ungeschriebener Gesetze durch die die Anwendung destruktiver Methoden sanktioniert wird.

Zuletzt wenden wir uns der Möglichkeit der Viele-zu-Viele-Kommunikation zu. Durch das Internet ist es dem Einzelnen möglich geworden mit überschaubarem Aufwand ein Massenpublikum zu erreichen. Nur wenigen gelingt das tatsächlich, aber die Möglichkeit ist prinzipiell da. Damit verändert sich auch das Verhalten der Konsumenten von Information. Griff er in der Vergangenheit auf einige wenige Informationsquellen mit hohem Bekanntheitsgrad zurück, stehen ihm heute zusätzlich Quellen mit mittlerem Bekanntheitsgrad zur Verfügung. Die Funktion der alten Medien den gesellschaftlichen Diskurs zu fokussieren geht damit verloren. Neben dem Hauptdiskurs werden zahlreiche Nischen- und Nebendiskurse geführt. Nachrichten und Ideen die früher aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrängt werden konnten, können heute ungehindert verbreitet werden. Als Beispiel sei der Maskulismus genannt, der sich ohne Internet nicht hätte entwickeln können.

Durch das Internet besteht also die Möglichkeit, dass sich auch die Diskursführung dezentralisiert. Der einzelne rezeptiert nicht mehr nur den Hauptdiskurs sondern konzentriert sich auf die Diskussionen, die für ihn tatsächlich relevant sind und kann prinzpiell auch zu ihnen beitragen. Ebenso verändert sich die journalistische Sorgfalt, konnten die Medien früher auf ihrer Autorität vertrauen, wird im Internet erwartet, dass sich die Hauptaussagen durch Verlinken der Hauptquellen auch belegen lassen.

Wir haben also gesehen, dass wegen verschiedenen Entwicklungen, die sich vor allem in Internet abspielen, sich die Konfliktregulierung von staatlich-zentraler Ebene auf die zivilgesellschaftlich-dezentrale Ebene verlagert. Das betrifft sowohl, die Art wie Lösungen von Konflikten gefunden werden als auch wie diese durchgesetzt werden. Viele werden darin ein Bedrohung sehen, angetrieben von der Angst die Anarchie des Internets wird zu einer Anomie führen. Aber vielmehr besteht die Hoffnung, dass sich im Internet die Ordnungsstrukturen herausbilden, die erforderlich sind, um die Konflikte einer komplexer werdenden Welt zu bewältigen. Wer weiß vielleicht werden diese Ordnungsstrukturen, sollten sie sich als erfolgreich erweisen, als Vorbild für die Neugestaltung der Offline-Welt dienen.