Fake oder der nächste Großskandal?

März 9, 2010

Die Libertäre Plattform hat sehr interessante Post erhalten: Finanzinformationen über deutsche Politiker. Wie mit den Daten zu verfahren ist wird noch beraten. Auch ist unklar ob die Daten echt sind oder es sich nur um einen gut gemachten Fake handelt. Für aktuelle Informationen wurde eine eigene Seite eingerichtet. Eventuell Betroffenen wird hingegen ans Herz gelegt:

Da der weitere Umgang mit den Daten der Klärung bedarf, wird betroffenen Politikern und Beamten geraten, in der Zwischenzeit die Möglichkeit zur Selbstanzeige zu nutzen, um einem möglichen Strafverfahren zuvorzukommen.

Wie lange bleibe ich eigentlich Ich?

Februar 10, 2010

Viele unsere Vorstellung über Recht, Wirtschaft und weiteren Wissenschaften setzen voraus, dass man das Selbst als Einheit auffassen kann. Aber ruht diese Ansicht überhaupt auf einem festen Fundament oder müssen wir sie nicht zugunsten eines differenzierteren Bildes verwerfen? In diesem Beitrag stelle ich unsere Auffassung vom Selbst in Frage und komme zu weitreichenden Konsequenzen.

Zweifel an der Einheit des Selbst wurden vor allem vom Buddhismus angemeldet. Der Doktrin Anatta (Nichtselbst) zufolge gibt es so etwas wie das Selbst nicht, das heißt eine Person ist nicht mit der identisch, die sie vor wenigen Augenblicken noch war. Dieser Gedanke lässt sich durch den Vergleich mit einem Feuer verdeutlichen: Wenn nach einer bestimmten Zeit das Feuer allen Brennstoff verbraucht hat und der durch neuen ersetzt wurde, hat es nichts mehr mit seiner vorhergehenden Erscheinungsform gemeinsam. Daher macht es auch keinen Sinn davon zusprechen, es sei mit der seiner vorhergehenden Erscheinungsform identisch. Dem Buddhismus zufolge verhält es sich mit dem Selbst ähnlich, hier werden alle Empfindungen und Bewusstseinsinhalte (Skandhas) in kurzer Zeit ausgetauscht.

Dem lässt sich wenig entgegenhalten. Weitere Zweifel an der Einheit des Selbst kommen einem, wenn man sich fragt, welche Interessen ein Selbst hat. Diese leiten sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse ab, die sich zum Teil widersprechen. Die Interessen des Selbst werden also erst durch eine willkürliche Auswahl aus diesen Bedürfnissen gebildet. Aber auch nach der Auswahl bleiben Bedürfnisse, die zu den ausgewählten Interessen im Widerspruch stehen, bestehen. Von einer Einheit kann also keine Rede sein.

Die Vorstellung, dass das Selbst keine Einheit darstellt, wirkt sich darauf aus, was unter Recht zu verstehen ist. Aus ihr ergibt sich, dass der Einzelne nicht vollständig über seine späteren Willensäußerungen verfügen kann. Damit verbietet es sich beispielsweise sich selbst in die Sklaverei zu verkaufen oder in den meisten Fällen sein Leben zu beenden. Auch Handlungen die einen in Abhängigkeit oder zu späteren Gesundheitsrisiken führen sind problematisch. Auf einem anderen Blatt steht in wie fern diese Unrechtshandlungen zu Sanktionen führen können. Bei Sklavereiverträgen ist der Fall eindeutig, hier führt die fehlende Einheit des Selbst dazu, dass die Verträge unwirksam werden. Anders sieht es bei Abhängigkeit und Selbstmord aus, streng genommen hat das Spätere Selbst, das unter Abhängigkeit oder Nichtexistenz zu leiden hat, Ansprüche gegen das Frühere, das diesen Zustand herbeigeführt hat.  Allerdings haben diese Ansprüche keine Auswirkungen, weil alle Güter, aus denen sie erfüllt werden können, ohnehin in das Eigentum des Späteren Selbst übergegangen sind.

Dass das Selbst keine Einheit ist erklärt, wie es zu einer Zeitpräferenz kommt. Wenn ich nicht mit meinem Späteren Selbst identisch bin, haben die Interessen des Späteren Selbst nicht die gleiche Priorität wie die Interessen, die ich hier und jetzt erfüllen kann. Im Extremfall bei einer unendlich hohen Zeitpräferenzrate haben sie gar kein Gewicht, wie beim Pro-Gamer der es zulässt körperlich zu zerfallen, um nicht von seiner Spielsucht ablassen zu müssen. Indes muss man sich fragen, ob nicht Mutter Natur uns Mechanismen in die Wiege gelegt hat die eine unendlich hohe Zeitpräferenzrate verhindern. Wären wir in der Prähistorie zu faul gewesen, um auf die Jagd zu gehen, wir hätten nicht überlebt und unser Erbgut auf die heutige Zeit übertragen.

Ein solcher Mechanismus könnte ein Arbeitsgedächtnis sein, das bewusste Entscheidungen aufnimmt, damit sie später unwillkürlich ausgeführt werden, um so die zeitliche Koordination des Handelns zu erleichtern. Oder die Imagination eines zeitlich unveränderlichen Selbst. Ist also unsere Auffassung über die Zeit hinweg zu überdauern Selbst ein Trick der Biologie der unser Überleben ermöglicht oder steckt doch etwas Tieferes dahinter?

Ernsthafte Zweifel an der buddhistischen Konzeption des Nicht-Selbst kamen mir in der Zeit in der ich Vordiplom machte. Damals musste ich mit großer Intensivität meine Tätigkeiten über einen Zeitraum von mehreren Monaten planen. In der Folge waren meine Handlungen tatsächlich Teil eines übergreifenden Ganzen und nicht Ergebnis einer Kette aufeinander folgender, aber isolierter Bewusstseinszustände. Es ist also möglich durch zeitlich koordiniertes Handeln eine Einheit herzustellen. Nicht so sehr eine Einheit des Selbst, sondern eine Einheit der Persönlichkeit.

Aber ist ein Streben nach der Einheit der Persönlichkeit nicht etwas völlig natürliches? Wie oben bereits angesprochen hat der Einzelne Bedürfnisse die miteinander im Widerspruch stehen, um handlungsfähig zu bleiben muss eine Auswahlgetroffen werden. Müsste diese Auswahl jedes Mal aufs Neue getroffen werden, würde man einen ungeheuren Aufwand treiben. In der Natur kann dieser Aufwand tödlich sein. Effizienter wäre es Regeln festzulegen, nach denen die Interessen ausgewählt werden. Diese Regeln sind es die eine Persönlichkeit ausmachen. Natürlich können auch solche Regeln in Widerspruch stehen. Daher wird je weiter sich eine Persönlichkeit entwickelt, sie  desto mehr nach höher stehenden Prinzipien suchen, nach denen sie ihr Handeln ausrichtet. Die Verwirklichung eines einheitlichen Lebensentwurfs verleiht eine tiefere Befriedigung als das Erfüllen kurzfristiger Bedürfnisse.

Die letzten, moralischen Gedanken tun den rechtlichen Konsequenzen des Nichtselbst keinen Abbruch. Persönlichkeit ist immer nur Möglichkeit, die nicht vorausgesetzt werden kann und eine Persönlichkeit muss in jedem Augenblick das Recht haben mit sich selbst zu brechen.

Kowloon Walled City – das gewesene Ankapistan?

Januar 29, 2010

Ein großer Manko bei der Diskussion anarchokapitalistischer Gesellschaftsvorstellung ist das weitestgehend fehlen empirischer Vorbilder. Gegner glauben eine anarchokapitalistische Ordnung währe inhärent instabil, während Befürworter diesen Spekulationen auch nur ihre eigenen Spekulationen entgegensetzten können. An der Gewalt von kriminellen Vereinigungen zerbrochenen Staaten können nicht als Beispiel dienen, denn diese Gegenden waren bereits instabil bevor die Staaten verschwunden sind. Es gab jedoch einen Ort, der vor staatlichen Einflüssen weitestgehend frei blieb, einen Stadtteil Hongkongs, mit dem Namen Kowloon Walled City. Konkurrierende Ansprüche auf das Gebiet führten dazu, dass sich die Administration aus den Belangen der Bürger weitestgehend heraushielt. Da es in geringen Umfang staatliche Aktivitäten gab ist die Bezeichnung Ankapistan sicher übertrieben, aber einige Aussagen der libertären Theorie lassen sich dort sehr wohl überprüfen.

Die beste Quelle die ich zu dem Thema ausmachen konnte ich ein Buch von Greg Girad und Ian Lambot „City of Darkness“. Das Buch besteht aus kommentierten Fotographien und Interviews mit ehemaligen Bewohnern des Stadtteils. Ergänzt wird das durch mehrseitige Texte über den historischen und politischen Hintergrund. Man findet auch einiges im Internet, allerding widersprechen sich viele Darstellungen. Mit City of Darkness lösen sich die meisten diese Widersprüche auf, daher stammen die Informationen in diesem Artikel fast ausschließlich aus dem Buch.

Kowloon Walled City geht auf ein Fort zurück, das schon während der Sung Dynastie (960 – 1297) errichtet wurde.  Nachdem 1841 die Hong Kong Island von Britannien besetzt wurde, wurde das Fort stark ausgebaut. 1898 unterzeichneten China und Britannien einen Vertrag, dem zufolge die britische Kontrolle über Hongkong ausgedehnt wurde. Für Walled City sah der Vertrag vor, dass chinesische Beamte die Hoheitsrechte ausübten, solange dies nicht mit den militärischen Erfordernissen Hong Kong zu verteidigen in Konflikt geriet. Die Übergabe der neuen Gebiete verlief jedoch nicht reibungslos und Kowloon Walled City wurde  im folgenden Jahr von Britischen Truppen besetzt.

In der sich daran anschließenden Zeit wurde Walled City kaum weiterentwickelt und verfiel langsam. Ab wurden 1933 die noch bestehenden Gebäude nach und nach abgerissen. Der Stadtteil wurde in dieser Zeit zu einem Anziehungspunkt für Hausbesetzter. 1947 versuchte die Regierung die Hausbesetzter zu vertreiben. Dabei kam es zu Unruhen die bis nach Shanghai und Canton ausstrahlten und die Beziehung zu China verschlechterten. Um die Beziehungen nicht noch weiter zu verschlechtern begann von da an die Regierung sich aus Kowloon Walled City weitestgehend herauszuhalten.

In welchem Ausmaß die verschiedenen Behörden in das Schicksal des Stadtteils eingriffen war von nun an sehr unterschiedlich. Mit der Zeit wuchs jedoch das Ausmaß der Regulierungen und öffentlichen Leistungen an. Der Postdienst war von Beginn an in Kowloon Walled City aktiv. Polizeistreifen gab es seit 1961, obwohl dies sogar vielen Bewohnern unbekannt war. Nicht verborgen geblieben sind die zahlreichen Razzien, die vor allem dazu dienten die Drogenhöhlen unter Kontrolle zu bringen. 1959 entschied das oberste Gericht in einem kontroversen Fall, dass die Gerichtsbarkeit Hongkongs auch in Kowloon Walled City galt. Elektrizität wurde zunächst gestohlen, erst nach einem größeren Feuer in den 70er Jahren, wurde Walled City von den Stadtwerken elektrifiziert. Die von der Stadt zur Verfügungen gestellten öffentlichen Frischwasserleitungen waren bei weitem unzureichend. Wasser wurde zum Teil aus Brunnen unter der Stadt gefördert oder ebenfalls gestohlen. Erst in den 1970er Jahren wurde eine Kanalisation installiert, zuvor flossen Abwässer über die Straßen in den Untergrund ab. Es gab keine Inspektionen für Hygienevorschriften, allerdings welche für Arbeitssicherheit.

Mit der Sino-British Joint Declaration von 1984 wurden die Streitigkeiten zwischen China und Großbritannien ausgeräumt, Kowloon Walled City genoss nun keinen besonderen Schutz mehr. 1986 einigten sich beide Staaten den Stadtteil zu räumen, im folgenden Jahr wurde die Entscheidung der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Dazu wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein Zensus durchgeführt, der dazu diente zu klären, wer für Entschädigungen in Frage kam. Erst nach dieser Aktion erführen die Bewohner von der geplanten Räumung. Diesmal wurde die Räumung akzeptiert, was nicht zuletzt an den Entschädigungen lag. Die Bewohner mussten bis 1992 den Stadtteil verlassen, der Abriss der Gebäude und die Umwandlung des Geländes in einen Park dauerte noch bis 1995.

Die auffälligsten Auswirkungen, die die besondere Situation Kowloon Walled City nach sich zog, war die Verschiebung der Aktivität, die vom Staat nicht geduldet wurden, in den Stadtteil. Das waren vor allem illegale Gewerbe wie Glücksspiel, Drogenhandel und Hundefleischverkauf, aber auch kriminelle Tätigkeiten wie Hehlerei. In den 70er Jahren wurden diese offenen Aktivitäten durch tausende von Razzien unterbunden. Auch illegale Einwanderer kamen hier in größerer Zahl unter, sie machten etwa ein Zehntel der Bevölkerung aus. Interessanterweise war laut Polizeistatistiken die allgemeine Kriminalität in den 80er Jahren nicht höher als in anderen Stadtteilen.

Da es so gut wie keine Bauvorschriften gab, wurde sehr dicht und ungeplant gebaut. Der Stadtteil war für Autos unzugänglich und es gab nur an wenigen Stellen natürliches Licht, was Walled City den Beinahmen Hak Nam, Stadt der Dunkelheit, einbrachte. Wie bereits geschildert war darüber hinaus die Versorgung mit Wasser und Elektrizität schwierig und zahlreiche Lebensmittelmanufakturen führten zu einem Ungezieferproblem. Nahliegender Weise waren die Mieten in Walled City günstig. Die dichte Bebauung führte zu einer extrem hohen Bevölkerungsdichte, der Zensus von 1986 ergab das der Stadtteil 33.000 Einwohner hatte. Da das Gebiet nur eine Fläche von 0,025 Quadratkilometer hat ergab sich eine Bevölkerungsdichte von 1,3 Millionen Einwohner pro Quadratkilometer, das ist bei weitem die dichteste Bevölkerung die jemals irgendwo festgestellt wurde.

Weil man in Kowloon Walled City Steuern und Lizenzen nur zahlen musste, wenn man sich dafür registrierte (was sinnvoll sein konnte, um z.B. Zugang zu Krediten zu bekommen) und die meisten Regulierungen nicht eingehalten werden mussten, war die Produktion dort deutlich billiger als andernorts in der Stadt. Es gab etwa 700 Manufakturen, darunter viele für die Lebensmittel- oder Plastikverarbeitung. Einige Lebensmittelmanufakturen orientierten sich an den staatlichen Standards, um den Qualitätsforderungen des Markts nachzukommen, es gab allerdings auch unprofessionell agierende Unternehmen, die ihre Produktion nicht darauf prüften, ob Standards eingehalten wurden. Viele Ärzte, die sich keine Lizenz leisten konnten, haben in Walled City eine Praxis eröffnet. Dadurch war die Medizinische Versorgung sehr günstig. In dem Stadtteil wuchs auch eine zweite Generation von Ärzten heran, Assistenten der ersten Generation, die ihre eigene Praxis eröffneten. Allerdings war das fachliche Können dieser Generation nur gering.

Um die Situation der Bewohner zu verbessern, gründeten einige von ihnen 1963 die Kai Fong, die auf freiwilliger Basis Gemeinschaftsleistungen, wie Feuerprävention oder Beleuchtung, organisierte. Sie ging aus den Widerständen gegen die Regierung hervor, nachdem diese erfolglos versuchte Teile von Kowloon Walled City zu räumen. Sie entwickelte sich schnell zu einer Art Sprachrohr für die Bewohner. Anfangs war sie noch sehr pro-Chinesisch eingestellt, arbeite später jedoch kooperativ mit der Regierung Hongkongs zusammen.

Welche Erkenntnisse lassen sich aus Kowloon Walled City ziehen? Die Frage ob Rechtsdurchsetzung auch ohne Staat möglich ist, lässt sich wohl nicht beantworten, da Hong Kongs Polizei dort aktiv geblieben ist. Es bleibt also zu evaluieren welche Auswirkungen das weitgehende Fehlen von Regulierung hatte. Zunächst stellt sich die Frage, wie die schlechten Umweltbedingungen, also fehlende Kanalisation, fehlendes Tageslicht usw. zu bewerten sind. M.E sind diese Defizite nicht dem Ordnungsrahmen anzulasten. Bei der Versorgung mit Infrastruktur hatte der Stadtteil das Problem von der Stadtregierung abhängig zu sein, die hier in vielen Fällen ein Monopol hatte. Die gleichen Mechanismen, die Walled City vor Regulierung schützten, sorgten zumindest phasenweise dafür, dass die Anliegen des Stadtteils kein Gehör fanden. Andere Faktoren, die die schlechten Umweltbedingungen verursachten, lassen sich auf die extreme Bebauung zurückführen. Die extreme Bebauung machte aber nur Sinn, wenn die Räume für eine angemessene Miete genutzt werden konnten. Daran können wir ablesen, dass viele Menschen bereit sind die Qualität der Umwelt gegen mehr Wohlstand einzutauschen, wenn es ihnen nicht verboten wird. Das führt uns zum nächsten Punkt. In Kowloon Walled City wurde die Umverteilungswirkung von Regulierungen offensichtlich.

Menschen werden dazu gezwungen Güter zu höheren Preisen zu kaufen als sie eigentlich bereit waren. Dies geschieht z.B. dadurch, dass das Angebot durch den Lizenzzwang beschränkt wird oder an die Zulassung  von Produkten unnötig hohe Forderungen gestellt wird. Gerechtfertigt wird das über höhere Qualität und Risiken die der Einzelne nicht beurteilen könne. Allerdings ist zweifelhaft, ob der Gewinn an Qualität in einem annehmbaren Verhältnis zu den Preissteigerungen steht, die sich aus den Angebotsbeschränkungen ergeben. In Kowloon Walled City konnte man die Auswirkungen beobachten, die sich ergeben, wenn die Regulierungen wegfallen; man hatte eine durchwachsene Qualität neben deutlich niedrigen Preisen. Es waren zudem unternehmerische Aktivitäten möglich, die sich außerhalb nicht hätten tragen können. Vielen wurde so ein Einkommen ermöglicht, dass sie auf andere Weise nicht erzielen konnten. Da in Walled City verhältnismäßig viele Menschen lebten und niemand dazu gezwungen war dort zu verbleiben, kann man davon ausgehen das sich viele, insbesondere ärmere Menschen, besserstellen können, wenn Regulierungen wegfallen.

Schäuble über die Freiheit

Dezember 27, 2009

In der FAS von heute wurde Wolfgang Schäuble zum Thema Staat und Steuern interviewt (S.29). Dabei kam er auch auf die Mentalität und den freien Waffenbesitz in den USA zu sprechen. Anhand dieses Themas gelang es ihm sein Verständnis von Freiheit und sicherlich auch dem vieler anderer Staazis Politiker zu verdeutlichen:

Der Waffenbesitz ist die Kehrseite des Ganzen [Anm: gemeint ist so zu sein wie die Amerikaner]: Ein freier Mann kümmert sich um seine Nachbarschaft. Aber er verteidigt sich auch. Dahinter steckt die Philosophie, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Ich möchte diesen Preis nicht zahlen, …

Zusammengefasst: Schäuble hat Angst vor den Bürgern und er möchte nicht, dass die Menschen für sich selbst verantwortlich sind. Was sie natürlich trotzdem sind, ohne dass der Staat etwas dagegen tun kann.

Hunger in den USA

Dezember 6, 2009

Zur antikapitalistischen Agitation gehört es, die Marktwirtschaft für das Übel in der Welt verantwortlich zu machen. Beliebt ist unter anderem der Vorwürfe Kapitalismus verursache den weltweiten Hunger. Für diesen Vorwurf lässt sich festhalten, dass historisch sogar das Gegenteil zutrifft. Erst durch den Kapitalismus konnte eine Gesellschaft entstehen, die sich aus der malthusianischen Falle befreiten. Ironischer Weise wird dadurch das Argument der Antikapitalisten eher gestärkt, ihrer Meinung nach spricht es gegen eine Ordnung, wenn sie ein Übel bestehen lässt, das sich oberflächlich betrachtet leicht beheben lässt. Dass es immer noch Hungernde gibt, obwohl eigentlich ausreichend Nahrung bereitsteht, kann ihnen zufolge nur an dem Privateigentum liegen, durch das Nahrung anderen vorenthalten wird.

Um die antikapitalistische Agitation zu widerlegen muss man also zeigen, dass trotz Privateigentum niemanden Nahrung vorenthalten wird. Das scheint sich zumindest für Staaten behauten zu lassen, in denen sich die Kleptokratie in Grenzen hält; Amartya Sen hat die berühmte These aufgestellt, dass es in funktionierenden Demokratien nicht zu Hungersnöten kommt. Hungersnöte scheinen in der entwickelten Welt tatsächlich der Vergangenheit anzugehören. Wo es noch Hungersnöte gibt, ist die staatliche Willkür so groß, dass man nicht ansatzweise von Kapitalismus sprechen kann. Doch nun beharren die Agitatoren darauf, dass in „kapitalistischen“ Gesellschaften großes Elend herrscht und präsentieren uns eine Statistik, der zufolge in den USA 50 Millionen Menschen hungern. Liegt also Sen falsch und kommt auch in „modernen“ Staaten zu Hungersnöten?

Die Statistik, die gern zu Agitationszwecken herangezogen wird, stammt vom Amerikanischen Landwirtschaftsministerium USDA und wird regelmäßig herausgegeben. Der Bericht zum Jahr 2004 liegt mir vor, er dürfte repräsentativ für alle dieser Berichte sein, daher will ich auf ihn nun näher eingehen. Die Zahlen können sich im Lauf der Zeit verändert haben, ich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Situation eine neue Qualität gewonnen hat.

Was der Bericht erfasst wird nicht Hunger genannt, sondern Nahrungsmittelsicherheit (food security) und nicht das, womit wir gewohnt sind das Wort Hunger zu verbinden, Unterernährung. Nahrungsmittelsicherheit wird durch einen Katalog von Fragen definiert (siehe S. 3 des Berichts). Als von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen gilt, wer mindestens drei Fragen aus dem Katalog bejaht. Wenn man sich die einzelnen Fragen durchliest wird man feststellen, dass die meisten dieser Frage darauf abzielen, ob das Einkommen eines Haushalts ausreicht, um ausreichend Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Nahrungsmittelunsicherheit muss also nicht mit Hungergefühl oder Unterernährung verbunden sein.

Immerhin wurde auch nach dem Hungergefühl gefragt. Die Befragung hat ergeben, dass ein Drittel der nahrungsmittelunsicheren Menschen einige Tage im Jahr Hunger erlitten, weil sie sich keine Lebensmittel leisten konnten (S.5). An einem typischen Tag im November gibt es in 0,5 bis 0,8% aller Haushalte eine oder mehrere Personen, die hungrig sind, weil sich der Haushalt nicht genügend Nahrung leisten konnte. (Kinder sind seltener davon betroffen; in 0,1 bis 0,13 aller Haushalte mit Kindern gab es hungrige Kinder.) Ein lebensmittelunsicherer Haushalt, der während eines Jahres Hunger erlitt, befand sich im Durchschnitt neun Monate  und ein bis sieben Tage in jedem dieser Monate in dieser Lage (S.5).

Was die These, das kapitalistische Wirtschaftssystem sei schuld an den genannten Umständen, endgültig ad absurdum führt, ist die Existenz privater und öffentlicher Hilfsprogramme. Gut die Hälfte der Lebensmittelunsicheren Haushalte wurde von einem der drei größten dieser Programme, dem National School Lunch Program, dem Food Stamp Program oder dem WIC Program unterstützt (S.31). Tafeln (food pantry) spielten nur eine geringe Rolle; nur 20% der lebensmittelunsicheren und 29% der lebensmittelunsicheren Haushalte mit Hunger nahmen Angebote von Tafeln in Anspruch. Zum Teil lag das, daran dass keine Tafeln verfügbar waren oder nicht bekannt war, ob welcher verfügbar waren, aber auch von den Haushalten, die wussten, dass sie Tafeln nutzen konnten, nahmen sie nur 31% in Anspruch (S. 32).

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass in entwickelten Ländern die Hungerproblematik kein ökonomisches Problem ist. Denen, die sich nicht ausreichend Nahrung leisten können, wird sie in der Regel kostenlos angeboten. Wenn es eine Hungerproblematik gibt, dann deswegen weil diese Angebote nicht angenommen werden oder angenommen werden können. Also mit Problemen zusammenhängt, die tiefer gehen als die reine Verfügbarkeit von Nahrung und die auch dann weiter bestehen, wenn man das ökonomische System ändert. Antikapitalistische Agitprop verfehlt die gesamte Thematik.

Bewahren was einen definiert

Dezember 2, 2009

Eine Streitfrage, an der die Unterschiede in der Denkweise zwischen den Anhängern verschiedener politischer Weltanschauungen deutlich werden, ist die Ehe zwischen Homosexuellen. Für Liberale ist nicht einzusehen, welches Rechtsgut geschädigt werden soll, wenn Männer Männer und Frauen Frauen heiraten dürfen. Der Begriff Ehe würde dann zwar weiter gefasst und insofern würde verändert was man unter Ehe versteht. Was Ehe zwischen Mann und Frau bedeutet würde jedoch keine Änderung erfahren und daher kann es Heterosexuellen egal sein, wie Homosexuelle das mit der Ehe halten. Abstrakter gesprochen: wenn sich ein Begriff ändert, weil er um neue Phänomenen erweitert wird oder sich ein Teil der Phänomenen ändert, die unter ihn gefasst sind, dann heißt das noch lange nicht, dass sich alle Phänomene ändern, die unter den Begriff fallen.

Konservative sehen das anders. Sie glauben, dass die Ehe ein bestimmtes Wesen hat, das darin besteht, dass sie zwischen Mann und Frau gestiftet wird, dazu dient Kinder zu bekommen und großzuziehen usw. Die Ehe ist ein Ideal und die Aufgabe jeder konkreten Erscheinung ist es diesem Ideal möglichst nahe zu kommen. Eine Abweichung von diesem Ideal bedeutet nicht, dass sich das Ideal ändert, sondern dass die Erscheinung in sich in der Unordnung und dem Strukturlosen verliert.

Eine ähnliche Auffassung findet sich im Nationalismus jede Nation habe ihren besonderen Nationalcharakter, ihr Wesen, in dem sich ein metaphysisches Konzept ausdrückt. Natürlich würde Migration dazu führen, dass sich der Charakter einer Nation ändert. Aber anstatt den Schluss zu ziehen, dass sich der Nationalcharakter im steten Wandel befindet, wird dieser Umstand zur intellektuellen Rechtfertigung für Ausländerfeindlichkeit.

Hinter Zwangsmaßnahmen steht oft die Bestrebung ein Konzept zu schützen, das in Auflösung begriffen ist. Solche Bestrebungen sind natürlich zum Scheitern verurteilt. Das Wesen einer Sache bestimmt sich aus ihren einzelnen Erscheinungen und ist daher im ständigen Wandel, auch wenn wir nicht fähig sind diesen Wandel wahrzunehmen. Mit wachsender Mobilität ging der Übergang von der Groß- zur Kleinfamilie einher, was wir unter Familie verstehen ist seitdem etwas anderes. Zwangsmaßnahmen, die das Wesen einer Sache schützen sollen können sogar kontraproduktiv sein. Sie verhindern, dass sich eine Institution neuen Begebenheiten anpassen kann. Ob eine Institution schützenswert ist, kann sich nur darin zeigen, dass sie in der Praxis funktioniert, dann braucht sie jedoch keinen Schutz mehr. Argumente, die mit „das Wesen von X ist blablabla“ beginnen, sind daher ungültig. Das muss ein Liberaler auch dann durchhalten, wenn es weh tut.

Was ist mit folgenden Idealbildern? „Das eigentliche Geld ist das Gold“ und „Die Würde des Menschen verbietet das Erzeugen von Tier-Mensch-Hybriden“. Auch wenn die Goldbugs es auf einen Test in der Realität ankommen lassen würden, ihre Rhetorik (und vermutlich auch Handeln) ist von einer Feindschaft gegen modernere Entwicklungen im Bankwesen geprägt, die sich auch gegen vernünftige Neuerungen richten kann. Der Frage was ein Rechtssubjekt kennzeichnet wurde bisher aus dem Weg gegangen. Es ist möglich, dass durch biotechnologische Experimente moralische und juristische Fragen aufgeworfen werden, die sich nur beantworten lassen, wenn man über einen objektiven Begriff eines Rechtssubjekts verfügt. Diese Entwicklung aufzuschieben, indem man entsprechende Experimente verbietet, ist keine tragfähige Lösung.

Niedersächsische Jungsozialisten starten Lügenkampagne gegen Marco Kanne

November 27, 2009

Der Vorsitzende der niedersächsischen  Jungsozialisten Sören Klose unterstellt Marco Kanne einen „extremen Deutschnationalismus“ (Link: h**p://www.spdnds.de/aktuell/nachrichten/2009/112176.php). Ich lese schon recht lange Veröffentlichungen von Kanne und weiß daher, dass seine Überzeugung mit Nationalismus jeglicher Art absolut unvereinbar ist. Das unterstreicht er auch selbst in seiner Reaktion auf opponent.de.

Wie verzweifelt sind eigentlich die SPD-Anhänger,  dass sie versuchen, mit solch miesen Tricks Aufmerksamkeit zu erhaschen?

Edit: Marco Kannes erste Reaktion sollte natürlich nicht fehlen.

Es ist nicht möglich den Anarchokapitalismus in drei Minuten zu erklären

November 27, 2009

Zumindest war es mir nicht möglich gestern Abend einige wichtige Ideen des Anarchokapitalismus in dieser Zeit zu vermitteln. Der Hintergrund der Geschichte ist folgender: Seit einiger Zeit versuche ich meine rhetorischen Fertigkeiten in einem Debattierclub zu verbessern. Dort treten wöchentlich verschiedene Redner gegeneinander an, die versuchen die Juroren bzw. das Publikum von ihrer Position in der jeweiligen Fragestellung zu überzeugen. Die Debatten werden durch ein bestimmtes Format strukturiert, in erster Linie heißt das, dass die Redner in zugewiesenen Rollen debattieren. In unserem Fall ist das Format die offene Parlamentarische Debatte (OPD). OPD hat die Besonderheit, dass es neben der Pro- und Contrafraktion, also den Rednern die sich vor Beginn der Debatte festgelegt haben ob sie im Sinne der Fragestellung oder ihr entgegen argumentieren, auch freie Redner gibt. Freie Redner können sich im Laufe der Debatte entscheiden welche Seite sie unterstützen und sind nicht an die Fraktionsdisziplin gebunden, können also eine Argumentation vertreten, die von der der unterstützten Fraktion abweicht, müssen sich aber in der ersten Minute ihrer Rede positionieren. Fraktionsredner haben sieben Minuten Zeit für ihre Rede, frei Redner dreieinhalb.

Thema am gestrigen Abend war „Sollen Steuern durch Spenden ersetzt werden?“ Eine Fragestellung die sich hervorragend dazu geeignet hätte, auch anarchokapitalistischen Gedankengut einfließen zu lassen. Offenbar ist mir das gestern Abend misslungen. Meine Rolle war die eines freien Redners. Dazu hatte ich mich entschieden, weil ich noch dabei bin eine Erkältung auszukurieren und ich mir nicht zumuten wollte, sieben Minuten zu reden. Die Position war insofern günstig, dass sie mir erlaubt hat die Profraktion „rechts“ zu überholen und nicht nur die Legitimität von Steuern selbst, sondern aller staatlichen Zwangsmaßnahmen anzugreifen. Leider musste ich feststellen, dass 3 Minuten 30 zu knapp sind, um zumindest einen Grundgedanken zur Delegitimation zu vermitteln.

Mein Plan war es erst auf einer prinzipiellen Ebene den Staat als abstrakte Ordnung zu dekonstruieren und dann Beispiele für negative Folgen der Verwendung von Steuergeldern zu benennen, um so die Legitimation von Steuern zu untergraben. Außerdem hatte ich vor die die negativen Folgen anderer Finanzierungsmöglichkeiten, also Monopole (allen voran das Geldmonopol), Zölle und das Übertragen von Kosten auf Private wenigstens zu erwähnen, um so zu verdeutlichen inwiefern meine Position über die der Profraktion hinausgeht.

Um in die Rede einzusteigen griff ich Bilder auf, die in der Debatte bereits gefallen sind: „Steuern sind Enteignung“ und der Antrag versucht das Verhältnis von Bürger zu Staat zu verändern und habe zu diesen Momenten die Stellung bezogen, dass ich voll hinter diesen Prinzipen stehe, mir der Antrag jedoch nicht weitgenug gehe. Das Thema Verhältnis Bürger zu Staat diente mir dazu auf einen Angriff auf die Idee der Staat sei eine Juristische Person mit eigenen Rechten überzuleiten. Diese Juristische Person sei eine Illusion und vom Prinzip her damit zu vergleichen, dass eine Gruppe von Menschen sich zusammenschließt und von einem willkürlich ausgewählten Fremden, der zum Mitglied erhoben wird, Steuern verlangt. Abzulesen sei der Illusionscharakter daran, dass die Entscheidung des Staates nicht das Ergebnis eines volonté générale ist, sondern immer auf die Entscheidung einzelner zurückzuführen ist. Die Art der Entscheidungsfindung sei mit der Universalität des Rechts unvereinbar, da wir zwei Gruppen haben, eine die Steuern zahlt und eine die über die Verwendung der Steuermittel bestimmt, die ungleich behandelt werden.

Daran anschließend habe ich als negativen Folgen dieses Verhältnisses benannt, dass Menschen dazu gezwungen werden können, Maßnahmen zu unterstützen, die ihren Interessen diamental entgegenstehen. Diesen Gedanken vertiefte ich dann an den Beispielen von Landwirtschaftssubvention und ihren negativen Auswirkungen für die Entwicklung armer Gesellschaften sowie dem Krieg in Afghanistan. Nachdem ich diesen Aspekt abgehandelt hatte, war meine Zeit auch schon vorbei. Zu den Punkten bürokratische Ineffizienz und der Schädlichkeit anderer Finanzierungsmöglichkeiten bin ich leider nicht mehr gekommen.

Die ganze Argumentation war also recht straff und ich musste darauf verzichten die Struktur meiner Argumentation anzukündigen oder einige große Namen (Rothbard, tripple-H) fallen zu lassen, um wenigstens die Hauptlinie der Argumentation in der knappen Zeit unterzubringen. Etwa nach einem Drittel der Zeit kamen zwei Zwischenfragen, einmal auf welcher Seite ich nun stehe und die zweite inwiefern ich über die Position der Profraktion hinausgehe. Diese Zwischenfragen hätten mir schon anzeigen müssen, dass etwas nicht stimmt. Sie kamen jedoch zu einen Zeitpunkt an dem ich nichts mehr an meiner Rede ändern konnte, sonder das Konzept, das ich erarbeitet hatte durchziehen musste.

Zu meiner Überraschung wurde die Rede sehr schlecht bewertet. 36 Punkte, die nächst schlechtesten Reden lagen bei 40 und 41. Wirklich gute Reden fingen bei 45 Punkten an. Der Hauptkritikpunkt war, dass meine Zuhörer nicht ausmachen konnten, wo ich mich positioniert hatte und lediglich der Sinn der zuletzt genannten Punkte erkannt wurde, also dass Menschen dazu gezwungen werden können, Maßnahmen zu unterstützen, die ihren Interessen diamental entgegenstehen. Diese Kritik war nun wiederum für mich unverständlich, weil ich eigentlich dachte, mich wiederholt und deutlich positioniert zu haben.

Woran lag es, das Rede und Kritik auf so viel gegenseitiges Unverständnis stießen? Ich vermute, dass es daran lag, dass eine Basis von Begriffen gefehlt hat, die in gleicher Weise emotional besetzt werden. Um jemanden davon überzeugen, dass eine Maßnahme sinnvoll bzw. schädlich ist, muss man zeigen, dass die Maßnahme mit emotional besetzten Begriffen übereinstimmt bzw. ihnen widerspricht. Das wohl beliebteste Beispiel für  emotional besetzte Begriffe, die auf solche Weise verwendet werden, ist Solidarität. Wenn jemand der Meinung ist Xyz sei mit einer solidarischen Gesellschaft unvereinbar, fragt keiner mehr, ob die betreffende Person für oder gegen Xyz ist.

In meiner Rede hat die Universalität des Rechts diese Funktion eingenommen. Für mich und ich hoffe für die meisten anderen Liberalen auch ist die Universalität des Rechts ein extrem positiv besetzter Begriff. Das hat sicherlich durch die intensive Beschäftigung mit rechtsphilosophischen Fragen so entwickelt. Hayek setzt in „die Verfassung der Freiheit“ die Freiheit mit der Universalität des Rechts gleich. Alle Moralbegründungen beruhen auf vergleichbaren Universalitäts- bzw. Verallgemeinerungsprinzipen, siehe der kategorische Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde!“(Hervorhebung von mir) Die Sklaverei wurde abgeschafft, weil sich die Überzeugung herausgearbeitet hat, dass alle Menschen die gleichen Rechte zukommen. Ohne die Universalität des Rechts bleibt nur die Willkür.

Meine Zuhörer konnten diesen Zusammenhang offenbar nicht herstellen. Es war natürlich ein Fehler von mir davon auszugehen, dass sie die ähnliche Assoziationen haben, allerdings hätte ich mir an der entsprechenden Stelle doch eine Zwischenfrage gewünscht, denn entweder war unklar was die Universalität des Rechts bedeutet oder welche Implikationen ihre Verletzung mit sich bringt. Soviel Hohlschuld fordere ich ein. Die Lehre die ich aus der Debatte gezogen habe ist, dass wenn ich mich in der Argumentation auf zentrale liberale Themen stützte, erst einmal die notwendige Vorarbeit leiste in der ich die Wichtigkeit dieser Themen herausstelle.

Für den Liberalismus bedeutet der Mangel an positiv besetzten Begriffen, auf die die eigene Argumentation gestützt werden kann, einen enormen strategischen Nachteil. Entsprechend wichtig ist es dem abzuhelfen. Mehr Rechtsphilosophie in der öffentlichen Debatte!

Induktive Ethik

November 18, 2009

In einer Rede zum bayrischen Landestreffen der libertären Plattform hat Gérard Bökenkamp eine zentrale Frage der libertären Weltanschauung angesprochen. Die Frage, ob es sinnvoll sein kann, sich in der Politik zu engagieren oder ob man mit seinem Handeln dann nicht genau den Prinzipien widerspricht, die man zu fördern beabsichtigt. Seine Lösung bestand darin die Prinzipien des Libertarismus einem Idealbereich zuzuordnen, aus dem sie in der realen Welt nicht unmittelbar umgesetzt werden können. Für die Praktischen Konsequenzen dieser Überlegung kann ich mich durchaus erwärmen, aber die Konzepte auf den sie ruhen steht in Widerspruch zur Moral, wie ich sie denke. Bökenkamp auf dieser Ebene zu widersprechen ist ein Wagnis, denn die Konzepte, auf die er sich beruft, stehen in absoluten Einklang mit der neuzeitlichen Geistesgeschichte. Ich will es dennoch versuchen.

Seit Hume wird in der Philosophie streng das Seien, also die Beschreibung der Welt, vom Sollen, den moralischen Urteilen, getrennt. Wie das eine beschaffen ist, kann keine Auswirkungen auf die Beschaffenheit des anderen haben. Begründet hat Hume diese Barriere damit, dass um auf einen Satz zu schließen der „soll“ enthält, ein „soll“ in mindestens einer der Prämissen enthalten sein muss. Eine Schlussregel die ein „ist“ in ein „soll“ umformt gibt es nicht. Mit diesem Hintergrund ist es plausibel idealen ethischen Werten die reale Welt und ihre  Gesetzte gegenüberzustellen.

So weit muss ich mit der Tradition mitgehen. Dass es eine Wirkung von unserem Erfahrungsschatz (Seien) auf die moralischen Überzeugungen (Sollen) gibt, wird jedoch offensichtlich, wenn wir nicht von einem abstrakten Ich ausgehen, das auf das reine Denken beschränkt ist, sondern von lebendigen Menschen, die eine Entwicklung durchmachen. Die moralischen Überzeugungen eines Kindes sind andere als die eines Jugendlichen und dessen Überzeugungen sind wieder andere als die eines Erwachsenen.

Die Hintertür durch die das Sein in das Sollen eingeschmuggelt werden kann ist der Wille, um einen Moment bei Humes formal-logischen Überlegungen zu bleiben. Jedem Sollen liegt ein Willen zugrunde. Der Wille der Eltern, dem das Kind ausgeliefert ist, ist für das Kind das zu Befolgende. Verantwortung ergibt sich aus der gewollten Identifikation mit einer Sache. Im kategorischen Imperativ ist der Schluss vom Wollen aufs Sollen besonders transparent: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Daraus folgt, dass wenn sich das wünschenswerte ändert, sich auch die moralischen Überzeugungen ändern können.

Die ethischen Ideale und die reale Welt liegen in der so gewonnenen Perspektive nicht nebeneinander, vielmehr müssen sich auch moralische Kriterien dem Test an der Realität stellen. Nahliegende Fragen die sich an moralische Kriterien richten, sind ob sie in der Praxis konsistent sind oder sie Annahmen enthalten, die sich nicht aufrechterhalten lassen. Die Brisanz solcher Fragen liegt darin, dass unsere Handlungsfähigkeit von der Konsistenz unserer Handlungen abhängt. Man kann einen Realitätstest für moralische Kriterien auch so formulieren: Können sie zur eigenen Handlungsfähigkeit beitragen oder führen sie in Dilemmata, die dazu zwingen die moralischen Kriterien weiter auszudifferenzieren.

In einer Moral die sich auf die dargelegte Weise versteht gibt es keinen Widerspruch zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik. Ziehen Moralvorstellung Konsequenzen nach sich, die man nicht bereit ist in Kauf zu nehmen, ist das ein Anlass die Moralvorstellungen zu überdenken. Für das Dilemma, ob sich ein Anarchokapitalist an der Politik beteiligen soll, bedeutet das, dass man sich überlegen muss, ob durch die Beteiligung das NAP gefördert wird oder geschwächt. Zu keinem anderen Schluss ist auch Bökenkamp gekommen. Viel gravierender ist die Frage ob der Staat notwendig ist, denn dann ist der Anarchokapitalismus mit der hier skizierten Metamoral nicht vereinbar.

Vom Wirtschafttechnokraten zum Libertären

November 10, 2009

Wie in Beiträgen auf Freiheit und Optimismus bereits angedeutet glaube ich, dass Liberale einen anderen Zugang zur Welt haben als Linke oder Konservative. Den Konservativen und den dominierenden Varianten der Linken ordne ich ein Denken in Zweckkausalitäten zu, d.h. sie interessieren sich vor allem für die Ziele die im Politischen Kampf verfolgt werden und glauben, wie die Welt eingerichtet sei, entscheidet sich durch die Kräfte, die in diesem Kampf dominieren. Die politische Realität sei also eine Folge der Zwecke. Ein Beispiel für diese Denkweise ist z.B. der Kommentar der irgendwann einmal auf B.L.O.G. fiel, dass die technischen Berufe den Verlauf des Technischen Fortschritts bestimmen könnten.

Den Liberalen hingegen ordne ich ein Denken in Wirkungskausalitäten zu. Sie interessieren sich dafür wie etwas geschieht, also vor allem mit welchem Mitteln Ziele verfolgt werden. Diese Vorgehensweise haben sie mit ihrem politischen Gegenpol den Technokraten gemein.

Der Unterschied zwischen beiden Denkstilen kann an der Frage nach dem Mindestlohn verdeutlicht werden. Ein Konservativer oder Linker wird bei der Frage ob ein Mindestlohn eingeführt werden soll zunächst überlegen, ob sie das Ziel dieser Maßnahme unterstützen; ein Liberaler oder ein Technokrat fragen sich dagegen wie sich der Mindestlohn auswirkt.

Im Folgenden werde ich beschreiben wie sich das politische Denken entwickelt, wenn man von Angang seiner politischen Entwicklung an in Wirkungskausalitäten denkt. Diese Entwicklung ist eher die Ausnahme. Liberale beginnen meist als Anhänger einer anderen Weltanschauung, die wegen dem Scheitern ihrer Ideologie dazu übergehen auch Wirkzusammenhänge in ihr Denken miteinzubeziehen.

In einem naiven Entwicklungsstadium werden Liberale und Technokraten nicht viel darüber nachdenken nach welchen Gesichtspunkten sie eine Maßnahme bewerten. Entweder sie bedienen sich eines unreflektierten Utilitarismus oder übernehmen die gesellschaftliche Mode. Im Vordergrund steht der Versuch sich die Kenntnisse anzueignen, die man zur Bewertung politischer Maßnahmen braucht, d.h. vor allem Ökonomie. Typisch für dieses Entwicklungsstadium ist dass man Makroökonomie für die reine Wahrheit hält und Sätze, die mit „Es liegt kein optimales Gleichgewicht vor“ beginnen, mit „also muss der Staat eingreifen“ zu beenden. Linke und Konservative bezeichnen dieses Denken als neoliberal, wirtschaftstechnokratisch halte ich jedoch für sehr viel passender.

Einem Wirtschaftstechnokraten werden mit der Zeit zwei Dinge auffallen. Erstens dass er bei den meisten Fragen die zur Diskussion gestellt werden gegen ein Eingreifen des Staates plädiert. Das wird sooft passieren, dass ihm das fast zur Gewohnheit wird. Daher begreift er sich als Liberalen. Zweitens wird auffallen, dass sich die Politik nur sehr oberflächlich mit dem beschäftigt, was sie vorschlägt und beschließt.

Exkurs: Die Tatsache, dass man nach utilitaristischen Gesichtspunkten so ziemlich jeden Staatlichen Eingriff verwerfen müsste, ist eine recht interessante Beobachtung, auch dann wenn man über den Utilitarismus längst hinaus gewachsen ist. Zuerst bin ich bei Davids Friedmans Räderwerk der Freiheit darauf gestoßen. Rothbard geht in „Market and Power“ die gängigen Staateingriffe in die Wirtschaft durch und zeigt, dass keiner von ihnen das leisten kann, was er verspricht.

Verblüffender ist, dass diese Koinzidenz von libertären und utilitaristischen Kriterien auch dann gilt, wenn Fragen behandelt werden die man nicht mit Standardökonomie beantwortet werden kann, wie die Prohibition oder Bankfreiheit. Der Zusammenhang ist so ausgeprägt, dass es eine tiefere Ursache geben muss. Die Neoaustrians (Rothbard, HHH) haben sich an einer Begründung versucht, die ich jedoch für zu oberflächlich halte. Einige Ansätze Hayeks halte ich für vielversprechender. Exkurs Ende.

Im besten Fall beginnt ein Wirtschafttechnokrat eine Wertschätzung für liberale Prinzipien, Eigenverantwortung, Rechtssicherheit und individuelle Haftung, zu entwickeln. Er erkennt, dass diese Prinzipien gut dazu geeignet sind Konflikte auch im außerökonomischen Bereich zu lösen. Er geht vom wirtschaftstechnokratischen ins ganzheitliche-liberale Stadium über.

Im ganzheitliche-liberalen Stadium vertieft sich das Vertrauen in die liberalen Prinzipien und die Unzulänglichen der bisherigen Bewertungsmaßstäbe werden dem Liberalen zunehmend deutlich. Sie werden schließlich bewusst verworfen, die Übereinstimmung mit Freiheit, Recht und Eigentum wird zum alleinigen Kriterium zur Beantwortung politischer Fragen. (Bei mir hatte dieser Schritt einen Auslöser, das war als ich das erste Mal mit dem NAP konfrontiert wurde.)

Diese Entwicklung beschreibt recht gut meine eigene Entwicklung. Mich würde interessieren, wie sehr sich die Leser darin widerfinden können. Gibt es Menschen die den direkten Weg zum Liberalismus gefunden haben, die sich nie von den Verlockungen der Politik haben täuschen lassen, sondern direkt von ihren Alltagserfahrungen auf die Werte des Liberalismus schließen konnten?