David Friedman über Bestrafung

Oktober 14, 2012

Letzte Woche bin ich auf einen sehr interessanten Artikel von David Friedman gestoßen (via Libertäre Gedanken). Friedman setzt sich darin mit dem Problem auseinander wie Rechtsübertretungen geahndet werden sollen. Dazu stellt er zunächst fest, dass das gegenwärtige System viel Raum für Effizienzsteigerungen lässt. Für Friedman ist eine Strafe dann effizient, wenn ihre Umsetzung weniger Kosten als andere Verursacht, aber Kriminelle im gleichen Maß vor Verbrechen abschreckt. Menschen ins Gefängnis zu stecken sei unnötig teuer, eine effizientere Möglichkeit sei es, die Todesstrafe auf alle Verbrechen anzuwenden. Bei Verbrechen, bei denen die Todesstrafe nicht gerechtfertigt erscheint, schlägt er vor die Todesstrafe nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu vollstrecken und den Delinquenten ansonsten laufen zu lassen. Das sieht zum Beispiel so aus, das ein Verbrecher, der 10 Jahre Haftbekäme mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/6 gehängt werden würde und mit 5/6 laufen gelassen wird. Desweiteren seien nach Friedman Strafzahlungen und Zwangsarbeit effektive Bestrafungsmethoden.

Obwohl es für Friedmans weitere Argumentation keine Rolle spielt muss ich ihm in einem Punkt wiedersprechen. Meines Erachtens ist es nicht möglich zwei Ungerechte Strafen so zu verknüpfen das eine gerechte herauskommt. Ein Räuber der 10 Jahre Gefängnis verdient hat erleidet eine massive Überbestrafung, wenn man in hängt und erfährt eine massive Unterbestrafung, wenn man ihn laufen lässt. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass man das Los über die Strafe entscheiden lässt. Denn in dem Fall ist das Los nur der Entscheidungsmechanismus, aber die Tatsache dass gelost wird ist nicht die Strafe selbst. Desweiteren glaube ich nicht das es möglich ist, so unterschiedliche Dinge wie Gefängnis- und Todesstrafe miteinander zu verrechnen, denn die Todesstrafe bedeutet mehr als nur den Verlust an Lebenszeit, den man durch das Gefängnis zu erleiden hätte.

Friedman macht seinen Vorschlag natürlich nicht, weil er ihn für das bessere System hält, sondern um eine bestimmte Tatsache zu demonstrieren. Er merkt daher selbst, an das so ein System kaum überzeugen kann und dem Gerechtigkeitsempfinden der meisten zuwiderläuft. Laut Friedman ist das Problem bei einem effektiven Strafsystem, dass es nicht nur keine Kosten verursacht, sondern manche Akteure können in so einem System das Humankapital oder sogar biologische Kapital der Delinquenten abschöpfen, ob sie nun schuldig sind oder nicht. Da das Rechtssystem nun aber nicht von Philosophen-Königen gleitet wird, sondern von Menschen die auf Anreize reagieren, wird ein effektives Bestrafungssystem selbst Kosten verursachen, indem  es die Wahrscheinlichkeit hochtreibt, dass man als Unschuldiger und für sehr geringe Vergehen hart bestraft wird. Unter einem Solchen System werden die Menschen also Maßnahmen ergreifen, die dazu dienen sich vor ungerechtfertigten oder überzogenen Strafen zu schützen. Diese Maßnahmen gehen nun selbst wieder auf Kosten der wirtschaftlichen Effektivität und der Lebensqualität. Daher ist es unterm Strich vorteilhafter, auf ein effektives Bestrafungssystem zu verzichten und es bei einem weniger effizienten zu belassen.

Ich finde Friedman hat mit seiner Argumentation einen sehr zentralen Punkt erfasst. Aus ihr geht zwanglos hervor, warum es in einem guten Justizsystem mindestens genauso wichtig ist Unschuldige vor Strafe zu verschonen, wie Schuldige zu bestrafen. Seine Argumentation ist unabhängig davon wie das Rechtssystem sonst ausgestallt ist. Ob es auf Tradition, Demokratischer Mehrheitsentscheidung oder Anarchokapitalistischen Rechtsagenturen beruht spielt keine Rolle; jedes dieser Systeme kann in die Friedmansche Effizienzfalle laufen. Dass es tatsächlich Situationen gibt, die nach dem Friedmanschen Schema verlaufen sieht man zum Beispiel an der deutschen Abmahnindustrie, in der die Anwälte von einem zu viel an Abmahnungen profitieren. Friedmans Argumentation zeigt also ein tatsächlich noch ungelöstes Problem auf.

Vom Reichtum einzelner profitieren alle!

Oktober 5, 2012

Mit der Veröffentlichung des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung mehren sich wieder einmal die Stimmen, die nach mehr Umverteilung und mehr Besteuerung verlangen. Meiner Meinung nach zeugen solche Forderungen von einem schiefen Wertesystem. Es ist leicht zu durchschauen, dass das Motiv hinter diesen Forderungen nicht ist, das es den Armen besser geht, sondern den Reichen schlechter. Das erkennt man daran, dass durch Umverteilung gar nicht die Mittel bereitgestellt werden können, die nötig wären, um den Lebensstandard der breiten Bevölkerung dauerhaft zu beeinflussen. Die Umverteilung als Mittel für das vorgegebene Ziel also völlig ungeeignet ist.

So liegt das Gesamtvermögen in Deutschland bei etwa 8 Billionen Euro, pro Deutschem rund 100000 Euro. Auf den ersten Blick recht viel, aber das relativiert sich, wenn man überlegt, was man damit anfangen würde. Sicher angelegt würden 10000 Euro ein passives Einkommen von weniger als 170 Euro im Monat bedeuten, würde man das Vermögen der Welt auf jeden Erdenbürger verteilen reicht es sogar nur für ein passives Einkommen von 30 Euro. 170 Euro ist nicht wenig, aber nicht genug um von einem anderen Lebensstandard sprechen zu können. (Dank an Zettel für dieses Argument)Also ist in letzter Konsequenz das Ziel der Umverteilungsdebatte den Reichtum zu zerstören.

Ein weitaus besseres Mittel um den Lebensstandard der Armen zu heben, dürfte es sein den Reichen ihren Reichtum zu lassen und produktiv einsetzten zu lassen. Denn hinter dem Vermögen der Reichen steht letzten Endes der Kapitalstock, der erst die hohen Arbeitseinkommen der entwickelten Welt ermöglichen. Allein durch Investitionen in leistungsfähige Arbeitsmittel, wie etwa Maschinen oder Transportmittel kann die hohe Produktivität erreicht werden,  die sich in hohen Löhnen niederschlägt. Wird der Kapitalstock zerstört, wird auch die Basis für den Wohlstand der breiten Masse vernichtet.

Selbst dann, wenn gar nicht versucht wird den Kapitalstock zu zerstören, sondern ihn durch politische anstatt durch marktwirtschafliche Mittel zu organisieren, ist das Ergebnis die Zerstörung des Kapitalstocks. In der reinsten Form mussten diese Erfahrung die Kommunisten machen. Der Grund ist, dass das Kapital sich nur dann erhalten kann, wenn es wirtschaftlich eingesetzt wird. Das ist nur dann sichergestellt, wenn diejenigen, die über den Einsatz des Kapitals entscheiden, auch von den Erträgen, die das Kapital abwirft profitieren, kann. Andernfalls werden die Entscheidungsträger ihre Entscheidungen nach anderen Kriterien treffen, etwa um ihnen nahestehende Personen zu protegieren oder um politische Vorteile zu gewinnen.

Neben den gesellschaftlichen Nutzen, spricht auch die Moral gegen Umverteilung. Ob jemand Vermögen erwirbt oder nicht hängt direkt von den Entscheidungen ab, die er trifft. Wenn jemand trotz gutem Einkommen, er dieses lieber verkonsumiert, dreimal im Jahr in den Urlaub fliegt und sich ein großes Haus gönnt und kein eben Vermögen bildet, kann derjenige schlecht Ansprüche gegen jemanden anmelden, der sparsam lebt und sein Erspartes klug investiert. Große Vermögen entstehen durch unternehmerisches Engagement. Wer sich nicht unternehmerisch engagiert, kann nicht erwarten ein großes Vermögen aufzubauen und auch nicht von denen, den ein großes Vermögen gelingt, Entschädigung dafür verlangen, dass ihm kein großes Vermögen gelingt.

Vermögen setzt letztlich unternehmerisches Geschick, Risiko und Glück voraus. Glück wird meines Erachtens überschätzt, denn nur der kann sein Glück nutzen, der fähig ist seine Chancen zu erkennen und der sein Kapital im Risiko stehen hat. Ein Vermögen ist oft die Kompensation für das Risiko das man eingegangen ist. In der Regel bedeutet unternehmerisches Risiko wieder bei null anfangen zu müssen, wenn das Geschäft scheitert. Man hat also nur sehr wenige Chancen im Leben, ein großes Vermögen zu machen. Wenn Leute bereit sind ein derartiges Risiko auf sich zu nehmen, um eine Change auf Reichtum zu erhalten, tut man ihnen Unrecht, wenn man versucht sie im Erfolgsfall um ihren Erfolg zu betrügen. Auch Unternehmerisches Geschick fällt niemanden in den Schoß. Man muss es mühsam erwerben und sich dabei mit eher unspannenden Themen, wie Buchhaltung und Wirtschaftsrecht auseinandersetzten. Die Zeit die man opfert um ein guter Unternehmer zu werden, hätte man auch nutzen können um seine Persönlichkeit auf anderen Gebieten weiter zu entwickeln. Der Aufbau eines großen Vermögens ist also immer mit erheblichen Mühen und Risiken verbunden, daher wird ein großes Vermögen immer etwas Seltenes bleiben. Wer die Mühen und Risiken scheut kann auch kein Recht erwerben, an den Vermögen anderer beteiligt zu werden, er erleidet keine Ungerechtigkeit, wenn ihm kein Vermögen zufällt.

Natürlich hat nicht jeder Reiche sein Reichtum auf rechtschaffende Art erworben. Subventionen und Schutz vor Wettbewerbern spielen oft eine große Rolle. Daraus jedoch eine Forderung an jeden aus der Gruppe der Wohlhabenden zu konstruieren, ist dumpfster Kollektivismus. Wichtiger als sich in Vorurteilen gegen Vermögen zu ergötzen ist es die Bedingungen zu bekämpfen unter denen auf unrechtsschaffende Art und Weise Vermögen entstehen kann. Das heißt vor allem den Einfluss der Politik auf die Wirtschaft zurück zu drängen. (Siehe Nutz Wettbewerb den Starken mehr als den Schwachen?)

Wir haben also gesehen, dass Umverteilung im Endeffekt niemanden nützt, außer denen, die durch sie politische Macht erlangen. Dass sie den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand bedroht, da mit zunehmender Umverteilung, die Kapitalbildung zurückgeht und das Kapital weniger effektiv eingesetzt wird. Schließlich dass das Vermögen des Einzelnen von seinen Lebensentscheidungen abhängt und die pauschale Verurteilung der Vermögenden, die man in der Reichtumsdebatte oft sieht, nicht gerechtfertigt ist. Rationaler als eine Umverteilung des Vermögens wäre eine Besteuerung der Intelligenz oder der sexuellen Attraktivität.

(Siehe auch Ars Libertatis zur Umverteilung)

Die wahren Kosten der Inflation

August 27, 2012

Ein Thema das das Zeitgeschehen zumindest unterschwellig prägt ist die Frage, ob es zu einer Inflation kommen wird und welche Folgen sie haben wird. Zumeist stehen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen im Vordergrund. In meiner derzeitigen Abendlektüre „Masse und Macht“ von Elias Canetti bin ich auf ein sehr Interessantes Kapitel gestoßen. Canetti beschäftigt sich hier mit den psychischen Folgen der Inflation von 1923. Schenkt man den Ausführungen Canettis Glauben, muss man zu den Schluss kommen, das die psychologischen Kosten einer Hyperinflation beträchtlich sind und leicht die sozialen und wirtschaftlichen Kosten übersteigen können.

Canetti führt aus: “Was früher eine Mark war, heißt jetzt 10 000, dann 100 000, dann eine Million. Die Gleichsetzung des einzelnen Menschen mit seiner Mark ist dadurch unterbunden. Sie hat ihre Festigkeit und Grenze verloren, sie ist jeden Augenblick etwas anderes. (…) Der Mensch der ihr früher Vertraut hat kommt nicht umhin, ihre Erniedrigung als seine eigene zu empfinden. (…) der Mensch fühlt sich so schlecht wie das Geld, das immer schlechter wird; und alle zusammen sind diesem schlechten Gelde ausgeliefert und fühlen sich zusammen ebenso wertlos. “ (Elias Canetti: „Masse und Macht“ S. 217f.)

Laut Canetti ist der Wertverlust des Geldes unmittelbar mit der Demütigung derjenigen verbunden, die es verwenden. Canetti führt zwei Motive an die diesen Zusammenhang begründen. Das erste ist die der Verlust des Vermögens: „Der Prozess der Schatzbildung hat sich in sein Gegenteilverkehrt. (…)Es kommt nicht mehr dazu, es wird alles immer weniger, jeder Schatz verschwindet.“ (ebd.) Das zweite der Verlust der Verlässlichkeit des Geldes. Das diese Erlebnisse eine so schwere psychologische Wirkung haben können lässt sich meiner Meinung nach folgendermaßen erklären: Das Vermögensbildung ist für viele ein Teil ihrer Lebensplanung. Das Vermögen bietet Sicherheit in Zeiten des Umbruchs und Einkommen; um es zu erlangen sind Jahre der Disziplin erforderlich. Durch den plötzlichen Verlust des Vermögens erweisen sich die Mühen als vergebens. Damit entzieht sich dieser Teil der Lebensplanung auf einmal der Kontrolle. Das Ergebnis vor den man steht ist unabhängig von den eigenen Handlungen. Wie ich in einem früheren Artikel zur erlernten Hilflosigkeit dargelegt habe wecken solche Erlebnissen Zweifel an der Sinnhaftigkeit überhaupt zu handeln. Es ist daher plausibel, dass Inflation die Bevölkerung depressiv macht.

Die Wirkung, die der Verlust des Vermögens hat, ist leicht nachzuvollziehen wirkt jedoch nur auf bürgerliche Existenzen. Aber Inflation beeinträchtigt psychisch auch diejenigen, die nicht bewusst Vermögen bilden. Da in einer Hyperinflation das Geld seine Verlässlichkeit verliert, ist wirklich jeder von ihr betroffen. Das Einkommen, das zuvor eine Konstante war, ist nun abhängig von ständigen Neuverhandlungen. Wofür es diesen Monat reicht kann kein Mensch sagen, wofür nächsten noch weniger. Auf diese Weise geht die Fähigkeit verloren für die Zukunft zu planen. Man ist zum Spielball äußerer Mächte geworden. Es liegt auf der Hand, dass einen auch diese Situation Hilflosigkeit lehrt.

Canetti zufolge hat die psychische Situation der Bevölkerung in der Inflation auch politische Folgen: „Alle Massen, die sich in Inflationszeiten bilden (…) stehen unter dem Druck der entwerteten Million. So wenig man allein gilt, so wenig gilt man auch zusammen. Wenn die Millionen in die Höhe klettern, wird ein ganzes Volk, das aus Millionen besteht, zu nichts.“ (Canetti, S.218)

Die Menschen wissen, dass sie zum Spielball von Kräften geworden sind, die sie nicht kontrollieren können. Da Inflation immer auf politischen Entscheidungen beruht, ist sie eine Machtdemonstration des Staates gegenüber der Bevölkerung. Allerdings eine in der die Autoritäten ihre Verantwortung verleugnen. In der Inflation zeigt sich das demokratische Kontrolle nur eine Illusion ist. Da die ökonomische Bildung, die nötig ist um die Hintergründe der Inflation zu verstehen nicht sehr weit verbreitet ist, gelingt es der Politik die Schuld Sündenböcken in die Schuhe zu schieben. Sie kann ihre Entscheidungen treffen ohne Sanktionen durch Wähler oder ähnliche demokratische Kontrollmechanismen fürchten zu müssen. (Ähnlich verhält es sich mit allen Entscheidungen die von der Politik an sogenannte Experten delegiert wird.)

Die Inflation führt schließlich zu Spannungen und Ressentiments in der Bevölkerung: „Keine plötzliche Erniedrigung der Person wird je vergessen, sie ist zu schmerzlich. Man trägt sie ein Leben lang mit sich herum, es sei denn, man kann sie auf einen anderen werfen. Aber auch die Masse als solche vergißt ihre Entwertung nicht. (…) Als Objekt für diese Tendenz fand Hitler während der deutschen Inflation die Juden. (…) In der Behandlung der Juden hat der Nationalsozialismus den Prozeß der Inflation auf das genauste wiederholt. (…) Man hätte sie [die Deutschen] schwerlich so weit bringen können, wenn sie nicht wenige Jahre zuvor eine Inflation erlebt hätten, bei der die Mark bis auf ein Billionstel ihres Werts sank. Es ist die Inflation als Massenphänomen, die von ihnen auf die Juden abgewälzt wurde.“(Canetti, S.218ff.)

Canettis Argumentation mag spekulativ sein, aber wenn man bedenkt, dass die Politik darauf angewiesen ist, Sündenböcke zu präsentieren (früher die Juden heute Banker und Spekulanten), um von ihrer Verantwortung abzulenken, erhält der Zusammenhang zwischen Inflation und Genozid erhebliche Plausibilität.

Wie wir sehen gehen die Folgen der Inflation weit über das ökonomische hinaus. Selbst wenn wir darüber hinweg sehen, dass Inflation Genozide begünstigen kann, wirft sie weite Teile der Bevölkerung in einen Zustand der Unmündigkeit und beschädigt die Demokratie. Inflation bleibt ein Spiel mit dem Feuer, lassen wir die Politiker nicht damit davonkommen.

Literatur: Elias Canetti: „Masse und Macht“.

Der Sargnagel der Klimapolitik

März 3, 2012

Wenn man versucht unvoreingenommen die deutsche Klimapolitik zu betrachten, kommt man nicht darum herum bestimmte Dinge in Zweifel zu ziehen. Der Grund ist das viele Maßnahmen in sich widersprüchlich sind. So wird das Ziel den CO2-Ausstoß zu senken, dadurch konterkariert, dass man ohne Not die Elektrizitätserzeugung aus den CO2-armen Kernkraftwerken beendet. Dazu kommt das viele Maßnahmen unnötig teuer sind und die Ressourcen zur CO2-Minderung nicht da eingesetzt werden, wo sie den größten Effekt hätten.

So kann man an den Preisen für CO2-Emissionszertifikaten ablesen, das die Grenzvermeidungskosten für eine Tonne CO2 zwischen 14 und 18 Euro liegen. (Durch den überhasteten Ausstieg aus der Kernenergie sind die Kosten von 14 auf etwa 17 Euro gestiegen.) Dennoch werden aus Gründen des Klimaschutzes Maßnahmen gefördert, deren Vermeidungskosten weit darüber liegen. So betragen die CO2-Vermeidungskosten für Windenergie bei 40 Euro je Tonne und bei Photovoltaik sogar 800 Euro (Stand 2010, Quelle). Mit anderen Worten hätte man auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien verzichtet, hätte man mit dem gleichen Aufwand an andere Stelle deutlich höhere Einsparungen erreichen können.

Wäre die Politik ernsthaft an einer Behandlung des CO2-Problems interessiert, dann würde sie versuchen ihre Ressourcen mit maximaler Effektivität einzusetzen, um die beste Wirkung zu erzielen. Da der Politik die Effektivität der gewählten Maßnahmen offenbar egal ist, können wir davon ausgehen, dass die Politik den Klimawandel nicht wirklich ernst nimmt, sondern ihn vorschiebt, um andere Ziele zu erreichen; etwa ihr Klientel zu alimentieren oder um mit sichtbaren, aber unwirksamen Maßnahmen beim Wähler zu punkten.

Gründe warum das CO2-Problem nicht ernst zunehmen wäre, gibt es viele, sie haben aber alle den Nachteil äußerst umstritten zu sein. So kann man anzweifeln, dass die Wirkung des CO2 auf das Klima wirklich so stark ist, wie der IPCC behauptet. Man kann anzweifeln, dass die Folgen des Klimawandels überwiegend negative Auswirkungen oder derart starke Auswirkungen auf die Menschheit hätten, wie behauptet. Und man kann anzweifeln, dass die Erderwärmung eine Folge der Änderung von klimatischen Prozessen ist und stattdessen davon ausgehen, dass die Erderwärmung nicht statistisch signifikant ist. Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass das CO2-Problem in der anerkannten Form besteht, ist die Klimapolitik zum Scheitern verdammt.

Um eine erfolgreiche Klimapolitik zu betreiben, müsste man, wenn alle angenommenen Wirkmechanismen tatsächlich so existieren, den CO2-Ausstoß nicht nur in Deutschland und Europa sondern in der ganzen Welt kontrollieren. Das muss jedoch daran scheitern, dass eine solche Klimapolitik für eine große Anzahl an Ländern gar nicht rational ist. Die Rede ist von den Schwellen- und einigen Entwicklungsländern.

Für die Schwellenländer stellt sich die Frag ob es sich wirklich lohnt hohe Lasten in der Gegenwart auf sich zu nehmen, um Schäden in der fernen Zukunft abzuwenden. In der Regel lohnt es sich nicht die Lasten in Kauf zu nehmen, weil genau diese Lasten die Fähigkeit vermindern würden mit zukünftigen Schäden zurecht zukommen. Um gut mit zukünftigen Schäden umgehen zu können, benötigen Völker eine hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass Naturkatastrophen in  wohlhabenden Ländern deutlich weniger Opfer nachsichziehen als in armen.

Ein anderes Beispiel: Selbst wenn der Klimawandel in einigen Ländern starke Einschnitte in der landwirtschaftlichen Produktivität verursacht, würden diese durch eine Übergang zu fortschrittlicheren Methoden mehr als ausgeglichen. In Nordamerika und Europa liegen für Getreide die Erträge pro Hektar zwischen 6 und 7 Tonnen, während sie in Afrika nur zwischen 1 und 2 Tonnen liegen (siehe S. 13). Man geht hingegen davon aus, das durch die Folgen des Klimawandels in den Entwicklungsländern das Landwirtschaftliche Potential um 21% zurückgehen, in den am stärksten  betroffenen Ländern wie Indien, wird das Potential um etwa 30% zurück gehen. Der Effekt von Produktivitätssteigerungen durch intensivere Bewirtschaftung der Anbauflächen ist also deutlich größer, als die durch den Klimawandel verursachten Einbußen.

Diese Beiden Beobachtungen sind keine Sonderfälle. Der wirtschaftliche Wohlstand ist immer das Spiegelbild der technischen Möglichkeiten einer Gesellschaft. Mit steigendem Wohlstand wachsen also auch die Möglichkeiten Risiken zu bewältigen, die dem Klimawandel entspringen oder von Natur aus auftreten.  Gerade arme Gesellschaften haben das Potential ihren Wohlstand um Größenordnungen zu steigern. Daher hat das wirtschaftliche Wachstum für die Länder höhere Priorität als Klimapolitik zu betreiben.

Da wir Zeiträume von 40 bis 100 Jahren und darüber hinaus betrachten, ist der Zinseszinseffekt von entscheidender Bedeutung. Dieser bewirkt dass schon eine kleine Verringerung des Wirtschaftswachstums langfristig enorme Auswirkungen hat. Der Effekt ist umso größer je höher das prozentuale Wachstum ist. Angenommen in einem Schwellenland haben wir ein Wachstum von 5% Jährlich und das Wachstum würde durch Klimaschutzmaßnahmen um 1% gesenkt, dann würde der Wohlstand in 40 Jahren vom siebenfachen des heutigen Werts auf das fünffache sinken, also um das zweifache des heutigen Werts zurückgehen. In einer Industrienation in der das Wachstum von vielleicht 2% auf 1% zurückgehen würde, würde der Wohlstand in 40 Jahren nur um 70% des heutigen Werts sinken.

Wachstumseinbußen zugunsten des Klimaschutzes hinzunehmen, ist also nur für Industrienationen attraktiv. In Schwellenländern würden sich zum einen die Wachstumseinbußen stärker auswirken, zum anderen wird hier das Wachstum dringender benötigt. Daher ist eine Politik, wie sie in der EU verfolgt wird, nicht im Interesse der Schwellenländer. Nun ist eine Klimapolitik durch Reduktion der  CO2-Emissionen nur sinnvoll, wenn sie weltweit betrieben wird. Ansonsten werden die Einsparungen in den Industrieländern durch steigende Emissionen in den Schwellenländern zunichte gemacht. Da aber die Wirkung des CO2 auf das Klima logarithmisch ist, das heißt die Wirkung einer zusätzlichen Tonne CO2 dramatisch niedriger ist, wenn sich bereits viel CO2 in der Atmosphäre befindet,  werden die Einsparungen in den Industrienationen keinen nachweisbaren Effekt haben, wenn die Schwellenländern nicht zu erheblichen Einschnitten bereit sind.

Aus den genannten Gründen kann es einen nicht wundern, wenn in Deutschland und der EU noch nicht einmal der Versuch unternommen wird, eine effektive Klimapolitik zu betreiben. Das macht die Versuche unter dem Deckmantel der Klimapolitik sekundäre Ziele zu verfolgen nicht weniger gefährlich. Zum einen sind da diejenigen, die von den umgesetzten Maßnahmen finanziell profitieren, zum andern erhoffen sich einige Ideologische Bewegungen mit Hilfe der Klimapolitik ihre Wertvorstellungen der Gesellschaft aufzupressen zu können. Ich komme also zu dem Schluss, dass Klimapolitik auch in den Industrienationen riskanter ist, als ihr möglicher Nutzen rechtfertigen würde.

Nutz Wettbewerb den Starken mehr als den Schwachen?

Januar 22, 2012

Der Artikel schereimkopf  bei den Freiheitsfabrikanten lässt etwas bei mir klingeln. Stefan Blankertz geht dort der Frage nach, ob Umverteilung wirklich das richtige Mittel ist gegen materielle Ungleichheit vorzugehen. Den Spielball den ich auffangen möchte ist jedoch seine Beobachtung, dass die Einkommensschere mit Kapitalismus assoziiert wird, obwohl das Gegenteil die Ursache für Ungleichheit bei dem Interventionismus zu suchen viel naheliegender ist.  Dennoch geht die landläufige Meinung dahin, dass mehr Wettbewerb die Reichen reicher und die Armen ärmer machen würde. Diese Meinung ist so weit verbreitet, dass sie kaum noch hinterfragt wird und es ist anzunehmen, dass sie massiven politischen Schaden verursacht hat. Im Grunde handelt es sich bei dieser Vorstellung um ein Ressentiment.

Dass Wettbewerb nicht den Privilegierten nutzt, sieht man leicht, wenn man überlegt was passiert, wenn ein Bereich der vom Wettbewerb abgeschirmt wurde, wieder in den freien Markt eingegliedert wird. Die naheliegende Entwicklung schein zu sein, dass diejenigen die Profitabel wirtschaften konnten auf Kosten schwächerer expandieren können. Das also die Schwächeren davor beschützt wurden niederkonkurriert zu werden. Zu beobachten ist jedoch etwas anderes, nämlich dass neue Anbieter in den Markt eintreten, die Preise sinken und obwohl die abgesetzten Mengen oft steigen, die Gewinne der zuvor hochprofitablen Unternehmen sinken. Bestes Beispiel für solche Umweltzungen ist die Liberalisierung des Telekommunikation-Marktes am Anfang dieses Jahrtausends.

Wer sind diese neuen Anbieter? Sind es Unternehmen die noch profitabler noch „stärker“ waren als die bestehenden Unternehmen? Sicher nicht denn viele dieser Unternehmen sind erst in der Liberalisierung neu entstanden. Außerdem warum sollte ein hochprofitables Unternehmen enorme Anstrengungen unternehmen um niedrigere Preise in einem neuen Markt anbieten zu können, also anfangen weniger profitabel zu arbeiten. Sich in einen neuen Markt hinein zu konkurrieren, macht nur dann Sinn, wenn man mangels Alternativen bereit ist geringere Renditen als die Unternehmen hinzunehmen, die sich den Markt bisher aufgeteilt haben. Mit anderen Worten es wurden die Starken von der Konkurrenz durch schwächere beschützt.

Diese Art von Protektion ist ein großes Thema des Ökonomen Mancur Olson. Er untersuchte warum manche Staaten dynamischer wachsen als andere und höhere Durchschnittseinkommen erreichen. Die Verantwortung dafür sah er vor allem bei Verteilungskoalitionen. Gruppen die sich organisieren, um Vorteile durch Protektion oder andere Interventionen zu erlangen. Je mehr Verteilungskoalition ein Staat ansammelt desto geringer fällt dort das Wachstum aus, und desto geringer ist die Fähigkeit der Wirtschaft sich auf neue Situationen einzustellen. Verteilungskoalitionen sind meines Erachtens die wichtigste Ursache der Regulierung. Dies zeigt sich z.B. darin, dass es niemanden zu stören scheint wenn Regulierungen ihr offizielles Ziel verfehlen.

Zu den sozialen Folgen der Verteilungskoalitionen schreibt Olson: „In Wirklichkeit werden viele, wenn nicht die meisten Umverteilungen durch ganz andere Motive [als egalitäre] ausgelöst, und die meisten von ihnen haben eher arbiträre als egalitäre Wirkungen auf die Einkommensverteilung – nicht selten werden Einkommen von Personen mit niedrigerem zu Personen mit höherem Einkommen umverteilt.“ Und etwas weiter: „Es gibt vermutlich größere Ungleichheit bei den Möglichkeiten, Verteilungskoalitionen zu schaffen, als bei den angeborenen produktiven Fähigkeiten der Menschen.“ (M. Olson, Aufstieg und Niedergang von Nationen, S.229 f.) Damit stellt Olson die Vorstellung, dass durch Interventionen Ungleichheit eingedämmt wird in Frage.

Die Frage wie Ungleichheit mit Interventionen oder andersherum mit wirtschaftlicher Freiheit zusammenhängt wurde auch empirisch untersucht. Eine Schwierigkeit bei solchen Untersuchungen ist das man unter wirtschaftlicher Freiheit ein Bündel verschiedener Indikatoren verstanden. Etwa der Anteil des Außenhandels oder ob es erlaubt ist Devisen zu halten. Gerald W. Scully konnte zum Beispiel zeigen, dass wirtschaftliche Freiheit langfristig zu mehr wirtschaftlicher Gleichheit führt (Scully, 2002). Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass der Effekt dadurch überlagert wird, das hohe Transfereinkommen und hohe Besteuerung, die als negativ für die wirtschaftliche Freiheit gelten, die Ungleichheit senken. Einfache Test führen also oft zu keinem systematischen Zusammenhang von wirtschaftlicher Freiheit und Gleichheit. Wenn man die Unterschiedlichen Bestandteile der Wirtschaftlichen Freiheit untersucht kommt man zu dem Ergebnis, dass direkte staatliche Interventionen in die Wirtschaft die Ungleichheit besonders stark erhöhen. Das deckt sich mit den oben angeführten Überlegungen. Scully konnte fest stellen das der Einfluss der wirtschaftlichen Freiheit die Einkommen in den untersten beiden Fünftel erhöht und im obersten senkt.

Ein weites interessantes Ergebnis der Studie ist, dass unerwartete Inflation die Ungleichheit erhöht. Die orthodoxe Ökonomie kann diesen Umstand nicht erklären, da sie davon ausgeht, dass das Geld in erster Nehrung neutral ist, also keinen Einfluss auf die relativen Preise hat. Aus der Österreichischen Schule ergibt sich der Einfluss der Inflation ganz natürlich. Hier geht man davon aus, dass Inflation ungleichmäßig auf die Preise wirkt und einige Preise schneller steigen als Andere. Damit geht eine Verzerrung der Einkommen einher, die wie empirische Untersuchungen zeigen, die Ungleichheit erhöht.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die landläufige Meinung, dass Wettbewerb die Ungleichheit erhöht und Interventionen sie senken, falsch ist. Das Gegenteil trifft zu.  Dass dennoch an dieser Meinung festgehalten wird, muss man historisch und psychologisch erklären.

 Literatur: Gerald W. Scully “Economic Freedom, Government Policy and the Trade-Off Between Equity and Economic Growth”. Springer Netherlands, 2002.

Haben geistiges Eigentum und physisches Eigentum gemeinsame Wurzeln?

Oktober 23, 2011

Es ist kein Geheimnis, dass die mit dem Internet großgewordene Generation ein anderes Rechtsverständnis gegenüber dem Geistigen Eigentum zeigt, als die älteren. File-Sharing und andere Methoden, um Inhalte auszutauschen erfreuen sich großer Beliebtheit und machen dabei auch vor den Grenzen des Gesetzgebers keinen Halt. Dabei scheinen die Beteiligten noch nicht einmal ein allzu großes Unrechtsbewusstsein entwickelten. Unter Konservativeren Zeitgenossen wird diese Entwicklung mit Sorge betrachtet. Ihnen gilt die Erosion des Respekts vor dem geistigen Eigentum als Niedergang des Respekts vor dem Eigentum allgemein. Doch ist das tatsächlich so oder sind geistiges und physisches Eigentum nicht vielmehr völlig unterschiedliche Dinge?

Ein oft gebrauchtes Argument für eine solche Verbindung ist, dass das Recht auf Eigentum der Leistung entspringt, die ein Einzelner erbracht hat. Ebenso, wie der Bauer ein Anspruch auf die Saat erhält, weil er für sie den Boden bestellt hat, habe ein Dichter ein Anrecht auf das Gedicht, das er erdachte. Es handelt sich also um ein Gerechtigkeitsargument. An diesem Argument ist einiges auszusetzen.

So entspricht es kaum mehr der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen, die in der Regel keinen Landwirtschaftlichen Betrieb führen. (Relevant ist diese Betrachtung tatsächlich nur im Primärsektor) Ein Arbeitnehmer oder Selbständiger erhält einen Anspruch auf seinen Lohn, weil er mit seinen Arbeitgeber bzw. Kunden einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hat. Die Quelle des Eigentums sind hier also freiwillige Vereinbarungen. Aber welche freiwillige Vereinbarung habe ich mit einem Erfinder getroffen, dass er das Recht erhält mich an dem Nachbau seiner Erfindung zu hindern?

Ob eine Handlung als Leistung zählt muss sich daran zeigen, dass andere bereit sind für diese Leistung eine Gegenleistung zu erbringen oder ob der Handelnde selbst ein Nutzen daraus ziehen kann. Bestehen diese Voraussetzungen nicht, kann der Handelnde auch nicht erwarten für sein Handeln eine Abgeltung zu erhalten. Übertragen auf unseren Fall bedeutet das, dass das Gerechtigkeitsargument nicht greift, da dem Schöpfer eines Werks im Vornherein klar sein muss, was er als Gegenleistung für sein Schaffen erhalten kann und seine Leistung mit Erhalt des Vereinbarten Lohns abgegolten ist. Um die Gerechtigkeit einzuhalten ist es also unerheblich, ob geistiges Eigentum besteht oder nicht. Natürlich lässt sich an der Stelle einwenden, ob es in der Summe mehr Nutzen schafft, wenn man Geistiges Eigentum definiert, nur ist das kein Gerechtigkeitsargument mehr. Mit dem Nutzargument werde ich in einem späteren Artikel auseinandersetzten.

Das Gerechtigkeitsargument geht von der Annahme aus, dass der Eigentumsbegriff so geschaffen wurde, dass Leistungen in den gesellschaftlichen Interaktionen angemessen berücksichtigt werden. Wir haben jedoch gesehen, dass der Ursprung des Eigentums nicht die Leistung ist, die jemand erbringt, sondern vielmehr der Eigentumsbegriff bestimmt, was als Leistung gelten kann. (Genauer: der Eigentumsbegriff stellt den Rahmen für die Integrationen, die bestimmen was Leistung ist.)Es stellt sich also die Frage, wodurch das Eigentum begründet wird.

Weiter oben polemisierte ich gegen das Geistige Eigentum mit der Frage: „welche freiwillige Vereinbarung habe ich mit einem Erfinder getroffen, dass er das Recht erhält mich an dem Nachbau seiner Erfindung zu hindern?“ Kommunisten verschärfen, diese Argumentation noch indem sie fragen: „welche freiwillige Vereinbarung habe ich mit einem Eigentümer getroffen, dass er das Recht erhält mich an der Nutzung der Gegenstände die ihn gehören zu hindern?“ Wenn geistiges und physisches Eigentum tatsächlich den gleichen Ursprung hätten, müsste man das Prinzip, das hinter der jeweiligen Frage steht, auf die gleiche Weise behandeln.

Versuchen wir die Prinzipien mit Hilfe eines verallgemeinerter kategorischen Imperatives zu beurteilen: Ist es denkbar, dass das den Fragen zugrunde liegende Prinzip allgemeine Geltung haben? Das hinter der ersten Frage stehende Prinzip ist, dass das Recht eine Erfindung zu nutzen nur aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung eingeschränkt werden kann. Dies ist sicherlich der Fall, eine Idee anzuwenden beansprucht keine Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen würden. Anderes das Prinzip hinter der zweiten Frage: Die Nutzung physischer Gegenstände darf nur aufgrund von freiwilligen Vereinbarung eingeschränkt werden. Dieses Prinzip kann unmöglich allgemein gelten, da es rein logisch nicht denkbar ist, dass zwei Personen gleichzeitig die physische Kontrolle über den gleichen Gegenstand ausüben. Ebenfalls ist es unmöglich gleichzeitig den gleichen Gegenstand zur Nutzung bereitzuhalten ohne eine Vereinbarung über mögliche Konfliktfälle zu treffen.

Wenn man nun fordert, dass der Umgang miteinander durch allgemeine Prinzipien geregelt sein soll, muss zu diesen Prinzipien eine Norm über physisches Eigentum gehören. Ähnliches lässt sich über geistiges Eigentum nicht sagen. Damit ist klar, dass die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz des physischen Eigentums Normen nachbilden, die sich auch durch freiwillige Interaktionen herausbilden würden, während die Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums eine reine juristische Fiktion darstellen. Aus diesen Gründen ist es meines Erachtens absurd zu erwarten, dass ein „Raubmordkopierer“ plündernd durch die Lande ziehen wird. Die Achtung des Eigentums wird durch die Missachtung des geistigen Eigentums nicht tangiert, da es sich um grundsätzlich unterschiedliche Dinge handelt.

Der Josephspfennig und seine Verspätung

August 24, 2011

In dieser von Währungskrisen geschüttelten Zeit ist die Anekdote vom Josephspfennig populär geworden.  Die Überlegung die dahinter steht ist folgende: Angenommen zu der Zeit Jesu hätte jemand einen Pfennig für 5% angelegt, dann wäre sein Vermögen im Laufe der Jahrhunderte auf gigantische 10 hoch 40 Euro angewachsen. Nimmt man zum Vergleich das weltweite Vermögen so findet man heute 10 hoch 14 in Worten einhundert Billionen Euro vor. Aus diesem Missverhältnis werden verschiedene Schlussfolgerungen gezogen.

Die sogenannten Zinskritiker argumentieren, dass es regelmäßig zu Krisen und Währungsreformen kommen muss, die das Geldvermögen immer wieder auf Null setzen, um derartige Übertreibungen zu verhindern. Da es unmöglich ist, die enormen Beträge zusammen zu tragen, müssen derartige Katastrophen jedem System immanent sein, dass das Zinsnehmen zulässt. Der Versuch den Zusammenbruch zu verhindern führe zu einem sogenannten Wachstumszwang und damit verbunden zu Umweltverschmutzung, Konsumterror usw.

Die Gegner der Zinskritiker weisen diese Argumentation zurück, ihnen zufolge werden die astronomischen Summen nicht erreicht, da es immer jemanden geben muss, der diese auch zahlt. Schulden würden nur aufgenommen, wenn es sich für den Schuldner lohnt. Die Zinskritiker verwechselten Ursache und Wirkung. Die Vermögen wachsen, weil sie es können, nicht weil der Zins das erzwingt. Verschätzen sich die individuellen Marktteilnehmer, gehen sie Bankrott und der Geldverleiher verliert sein Vermögen. Die Existenz des Zinses macht Krisen also mit Nichten unausweichlich.

So weit haben die Gegner der Zinskritiker recht, nur bleibt das Rätsel des  Josephspfennig damit noch ungelöst. Wenn der Kapitalstock jedes Jahr um 5% wächst, warum verfügen wir nicht über einen Kapitalstock in astronomischer Höhe? Wenn man annimmt, dass auch nach Abzug der Risikovorsorge ein Zinsüberschuss bleibt, müsste das exponentielle Wachstum des Kapitals im Laufe der Menschheitsgeschichte zu schier unglaublichen Vermögenssummen geführt haben. Nur ist von diesen kaum etwas zu sehen, zumindest nicht in der Höhe die der Josephspfennig nahe legt.

Die eigentliche Lösung des Rätsels ist nicht, dass das Vermögen immer wieder vernichtet wird. Das Kapital über das die Menschheit verfügt, ist allen Katastrophen zum Trotz recht stetig gewachsen. Natürlich gab es häufig Krisen, die viel Kapital vernichtet haben (oder besser aufgedeckt haben, dass Kapital nicht so werthaltig ist wie man dachte). Aber nach jeder Krise blieb mehr Kapital als nach der vorhergehenden. Selbst Kriege machen nur eine kleine Delle im langfristigen Wachstumstrend aus. Die eigentliche Lösung ist, dass bisher die Zeit gefehlt hat um astronomische Vermögen aufzubauen.

Wir müssen daran denken, dass zu Jesu Zeiten kaum jemand bereit gewesen wäre Geld für produktive Zwecke auszuleihen. Damals bestand Vermögen vor allem aus Ackerland, etwas anderes ist für eine agrarisch geprägt Gesellschaft kaum vorstellbar. Kapital im heutigen Sinne wurde nur von Handelsreisenden gebildet, aber hier war der Kapitalbedarf begrenzt.

Diese Situation hat sich erst im Frühkapitalismus geändert. Mit dem Ausbau des Fernhandels wuchs der Kapitalbedarf und neue es entstanden kapitalintensive Produktionsweisen wie beim Übergang vom Verlagswesen zur Manufaktur. Immer mehr Menschen verließen die Subsistenzwirtschaft und wurden Teil der arbeitsteiligen Wirtschaft. Erst ab diesen Zeitpunkt wurde es interessant betriebliches Kapital anzusammeln, erst jetzt konnten Privatpersonen mit beträchtlichen Vermögen, wie die Fugger, auftreten.

Durch den verkürzten Zeitspann ändert sich auch unser Zahlenspiel, der Josephspfennig 1500 angelegt wächst nur noch auf knapp 200 Millionen Euro. Oder ziehen wir ein realistischeres Beispiel zu rate. Jakob Fugger hinterließ 1525 ein Vermögen von 2 Millionen Gulden, was heute 125 Millionen Euro entspricht. Verglichen mit dem Vermögen der heutigen Spitzenreichen, wie Bill Gates mit 50 Milliarden, mag das moderat erscheinen. Man muss sich jedoch verdeutlichen, dass das etwa 10% der Wirtschaftsleistung des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation ausmachte, während ein Bill Gates nur über 0,5% der Wirtschaftsleistung der USA verfügt. Seinem Erben Anton Fugger gelang es dieses Vermögen in 40 Jahren zu verdreifachen, was einer durchschnittlichen Rendite von 2,5% entspricht. Schreiben wir diese Rendite bis auf die heutige Zeit fort, würde das Vermögen der Fugger auf 25,4 Billionen Euro wachsen. Dies wäre zwar immer noch sehr viel, aber ist mit dem heutigen Vermögen der Menschheit von 111 Billionen Euro vergleichbar. Wenn es den Fuggern gelungen wäre über einen so langen Zeitraum tatsächlich als Einheitliche Kapitalformation zu bestehen, wäre es durchaus denkbar, das ihr Kapital einen Betrag in dieser Größenordnung erreicht.

Wir sehen also, dass sich das Mysterium des Josephspfennig in Luft auflöst, wenn man realistische Annahmen zu Grunde legt. Dazu gehören, das man nur den Zeitraum betrachtet in dem auch wirklich Kapitalbildung betrieben wurde und man von einem Zinssatz ausgeht, der sich realistischer Weise langfristig erzielen lässt. Das heißt mit ausreichender Risikostreuung und über die booms and busts der Zeiten gemittelt. Eine Katastrophentheorie wie die Zinskritik ist nicht erforderlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ebenso wie die heutige Vermögensfülle für eine Person der Vergangenheit unvorstellbar ist die Vermögensfülle der Zukunft für uns unvorstellbar bleibt.

Über die Anschläge in Norwegen

Juli 25, 2011

Gewöhnlich messe ich Anschläge keine große Bedeutung zu. So schrecklich diese Verbrechen für die Betreffenden und Angehörige aus sein mögen, für gewöhnlich muss man deutlich mehr Angst davor haben von einem Auto überfahren zu werden, als Terroristen zum Opfer zu fallen. Mit den Anschlägen in Norwegen verhält es sich anders. Zum einen kommt in diesem Anschlag etwas zum Ausdruck, das sich schon länger zusammenbraut zum anderen befürchte ich, dass er tatsächlich die Politik verändern wird.

Der Täter entstammt der sogenannten islamkritischen Szene, die man vielleicht besser als Nationalkonservativ beschreiben kann. Kennzeichen der neuen Nationalkonservativen ist die Angst vor der Islamisierung Europas. Es wäre unangemessen die Islamisierung an dieser Stelle zu thematisieren, wichtig ist vor allem eines: Die Art in der die Nationalkonservativen den Islam diskutieren verwischt die Individuelle Verantwortlichkeit und ist geeignet kollektives Mistrauen und Hass zu schüren. So werden zum Beispiel Vergewaltigungen als eine Strategie des Islams betrachtet. Daher kommt es in der Denkweise der Nationalkonservativen nicht darauf an, welchen Lebenswandel ein einzelner Moslem führt, er sei schon deshalb gefährlich, weil er den Islam verbreitet.

Es war nur eine Frage der Zeit bis ein durch nationalkonservatives Gedankengut motiviertes Verbrechen verübt wurde. Ich habe eher Gewalt gegen Einwanderer befürchtet, was Wirklichkeit wurde ist der Versuch Europa mit Terror zu überziehen.

Ein oft anzutreffendes Erklärungsmuster für den Anschlag ist die These, dass es sich um einen Psychopathen handle. Diese These übt unter den Nationalkonservativen ein gewisse Entlastungsfunktion aus: „Morden wollte der Täter sowieso es sei nur Zufall das er sich aus unserer Ideologie ein Rechtfertigung  dazu zimmerte“. Damit wird verdunkelt, dass es einen direkten Zusammenhang von Nationalkonservativer Ideologie mit den verübten Verbrechen gibt. Auch sonst ist von der Psychopathenthese nicht viel zu halten: Es ist denkbar das der Täter von Anfang an völlig empathielos war, aber genauso gut dass seine politische Motivation so groß war, dass er sich seine Menschlichkeit selbst abtrainiert hat. Wer eine Ideologie aufbaut, die seine Gegner entmenschlicht und ihnen die größten Verbrechen andichtet, wird damit auch seine Hemmungen verlieren.

Wie bereits Zettel geschrieben hat, ist für Extremisten Mord nicht immer irrational. Es besteht die Gefahr, dass der Attentäter die Politischen Koordinaten in seinem Sinne verschiebt. Es gibt verschiedene Mechanismen, die ihm in die Hände spielen:

  • Die Tat verschafft Aufmerksamkeit, Menschen denen die Ideen der Nationalkonservativen bis gestern unbekannt waren, kommen nun mit ihnen in Kontakt. Einige werden diese Ideologie als ansprechend empfinden.
  • Es gibt das Kalkül, das man die Forderungen des politischen Gegners sich selbst zu Eigen macht, um diesem den Wind aus dem Segel zu nehmen. Möglicherweise versuchen die etablierten Parteien eine ähnliche Strategie gegenüber den Antiislamisten zu fahren.
  • Sollte sein Beispiel Schule machen, ist es denkbar, dass Kritiker des Antiislamismus nicht mehr den Mut aufbringen sich öffentlich erkennen zu geben. Veranstaltungen, die besonders im Fadenkreuz  der Terroristen stehen können dann nicht mehr organisiert werden.

Diese Vorteile können aus Sicht des Täters den Misskredit aufwiegen, mit dem das Verbrechen für den Nationalkonservativismus einher geht.

Besonders erfolgversprechend ist der Terrorismus auch deshalb weil unseren Eliten in Medien und Politik der Charakter fehlt sind Terror zu wiedersetzten. Nach dem islamistischen Terror begann man Aktionen zu untersagen, die die Islamisten „provozieren“ könnte. Nach dem Anschlag in Norwegen ließen es die Medien zu, sich für die Selbstinszenierung des Täters instrumentalisieren zu lassen. Was sich zum Beispiel daran zeigt, dass zur Illustration der Berichterstattung Bilder verwendet werden, die der Täter selbst zum Zweck der Selbstheroisierung angefertigt hat. In Artikeln über eine Wissenschaftlich Studie fehlen häufig die Angaben, die notwendig sind, um die Studie zu recherchieren. Nicht so hier. Im alten Rom gab es die Damnatio memoriae, ein Strafe durch die der Delinquent der Vergessenheit anheimfallen sollte. Dies wäre der Angemessen Umgang mit Taten, die dazu dienen die Öffentlichkeit zu erreichen.

Was hinter Weihnachten steht

Dezember 26, 2010

Weihnachten ist das Fest, das in der westlichen Gesellschaft den größten Stellenwert besitzt. Für kein anderes Fest werden derartige Vorbereitungen getroffen, kein anderes dominiert derart den Alltag und das schon in der Vorweihnachtszeit. Das seltsame daran ist, dass Weihnachten seine eigentliche Bedeutung aus einer christlichen Tradition bezieht die mit der zunehmenden Säkularisierung ihre Deutungshoheit verliert. Es stellt sich daher die Frage, ob die Menschen eigentlich noch Zugang zu dem haben, was hinter Weihnachten steht. Darum werde ich darlegen worin aus meiner Perspektive, der eines Atheisten mit starken christlichen Wurzeln, die Bedeutung des Weihnachtsfests besteht.

Das Bedürfnis nach Religion ist das Bedürfnis mit der Ordnung der Welt in Harmonie zu leben. Je nach religiöser Tradition unterscheiden sich die Vorstellungen darüber, was die Ordnung der Welt hervorbringt. In den östlichen Traditionen ist das das unpersönliche Dharma, in den westlichen ist die Ordnung der Welt eine Schöpfung Gottes. Es geht in den westlichen Religionen daher primär um die Beziehung zu Gott. Bei dem Versuch eine Beziehung zu Gott zu etablieren stoßen die Religionen auf ein unüberwindliches Hindernis, die Transzendenz.

Transzendent ist all das, was die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt. Unsere gesamt Wahrnehmungswelt ist auf das gerichtet, das ein Gegenstand der Welt ist. Jedes Objekt das wir erfassen ist notwendigerweise ein Teil der Welt. Aber die Macht, die die Welt erst gesetzt hat, kann selbst kein Gegenstand sein, der der Welt angehört. Wir können Gott mit unserer Wahrnehmung nicht fassen. Das ist das Problem an der jede Religion scheitern müsste. Meines Erachtens ist das Christentum die einzige Religion, die dieses Problem in seiner Radikalität annimmt und eine ebenso radikale Antwort darauf findet.

Die Antwort des Christentums besteht in dem Wunder das Gott Mensch geworden ist. Die Spanne zwischen Innenweltlichkeit und Transzendenz kann nicht vom Menschen überwunden werden, sie wird durch die Initiative Gottes überwunden. Diese Wunder ist schwer zu akzeptieren, es war den Griechen eine Torheit und den Juden ein Ärgernis, sprich es ist rational gesehen gänzlich unplausibel und widersprach der dagewesenen Orthodoxie, die sich vom Messias einen politischen Führer erhofft hatte.

Kierkegaard schaffte es meiner Meinung nach sehr gut die Ungeheuerlichkeit des Christentums zu verdeutlichen. Er verglich die Situation des Menschen mit der eines einfachen Bauern zu dem eines Tages der König selbst kommt und ihm verspricht ihn  zu seinem Erben zu machen. Für den einfachen Bauern ist das Ereignis so unwahrscheinlich, dass er es nicht zu glauben vermag.

Die Zuwendung des Erhabenen zum Niedrigen ist das eigentliche Thema des Christentums. Sie besteht nicht nur darin das Gott Mensch geworden ist. Jesus sagt zu seinen Gläubigen folgt mit nach. Das heißt der Christ ist dazu aufgerufen die Zuwendung des Erhabenen zum Niedrigen nachzuvollziehen. In der alltäglichen Praxis geschieht dies in der Nächstenliebe, die im Christentum einen besonders hohen Stellenwert hat. Aus dieser Perspektive ist es auch nur konsequent das Christus nicht als politischer Führer aufgetreten ist.

An Weihnachten feiern wir die Geburt Christi. Welche Bedeutung das für einen gläubigen Menschen haben muss, habe ich versucht in dem vorstehenden Beitrag deutlich zu machen. Diesen und allen anderen Lesern wünsche ich ein frohes Fest und besinnliche Tage.

Wikileaks und die Konflikte von Morgen

Dezember 18, 2010

Es ist wohl keine Übertreibung zu sagen, dass in die Ereignisse der vergangenen Wochen die Zukunft ihre Schatten vorauswarf. Plattformen wie Wikileaks und vor allem der Umgang mit ihnen werden das Zeitgeschehen prägen, wie wenige Begebenheiten zuvor. Wir werden Zeuge davon, wie sich die gängigen Methoden gesellschaftliche Konflikte zu regulieren auflösen. Im alten Paradigma wurden Konflikte zentral gelöst. Der Staat war die Instanz, die als Ordnung setzende Macht, entschied wie mit Streitfragen umzugehen sei. Diese Funktion wird durch drei Entwicklungen Infrage gestellt, die sich in den vergangenen Ereignissen herauskristallisieren. Das sind die wachsende Komplexität der Gesellschaft, die nicht-Territorialität des Internets und die durch das Internet entstandene Möglichkeit der Viele-zu-Viele-Kommunikation.

Man konnte schon an der Vergangenheit sehen, dass die staatlich-zentrale Gesetzgebung nicht mehr mit der wachsenden Komplexität der Gesellschaft mithält. Eine erfolgreiche zentrale Gesetzgebung setzt voraus, dass der Staat in der Lage ist die Kompetenzen zu mobilisieren, die nötig sind, um in einer Streitfrage eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Der Punkt an dem sich die Parlamentarier selbst die nötigen Kompetenzen aneignen konnten, ist schon längst überschritten. Das erforderliche Detailwissen ist zu umfangreich. Davon zeugen die wachsende Spezialisierung der Abgeordneten und die Kompetenzverlagerung auf externe Berater und Kommissionen. Schon dieses Vorgehen war problematisch, weil es den Gesetzgebungsprozess durch Lobbygruppen beeinflussbar gemacht hat.

Dass das inzwischen nicht mehr ausreichend ist sieht man beispielsweise an der Novelle des Jugendmedienstaatsschutzvertrags. Hier griff die Politik offenbar auf Berater aus der Wirtschaft genauer den Produzenten sogenannter jugendgefährdender Inhalte zurück. Diese schafften es auch einen Vorschlag vorzulegen, der einer bestimmten Interessensabwägung gerecht wird. Der zwischen den Medien, die sogenannter jugendgefährdender Inhalte verbreiten möchten und den Eltern, die ebendiese Inhalte von ihren Kindern verbergen wollen. Der Vorschlag ließ jedoch die Anliegen von Gruppen außeracht, die nicht an der Beratung beteiligt waren, insbesondere derjenigen die auf privater Basis Inhalte ins Netz stellen. So kam es, dass fast ein Vorschlag umgesetzt wurde, der den einfachen Blogger mit erheblichen Risiken belastet hätte.

Der Vorgang zeigt, dass es der Politik nicht mehr gelingt die wesentlichen Interessenskonflikte, die sich aus einer Neuregelung ergeben, zu identifizieren und daher notwendigerweise Regeln beschließt, die massiv in die berechtigten Interessen bestimmter Gruppen eingreift. Je komplexer die Gesellschaft wird, desto komplexer werden die Konflikte und desto schlechter gelingt Politik. Wir haben es hier mit dem Problem des verteilten Wissens zu tun. Ähnlich wie ökonomische Probleme nicht durch zentrale Planung gelöst werden können, da das erforderliche Wissen über alle Wirtschaftssubjekte verteilt ist, können Interessenskonflikte nicht zentral gelöst werden. Der Ausweg besteht darin, den Anspruch, diese Probleme zentral zu verwalten, aufzugeben und stärker darauf zu vertrauen, dass sich durch dezentrale Vermittlung spontan tragfähige Regeln herausbilden.

Die zweite Entwicklung, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, ist der Umstand, dass das Territorialprinzip nicht auf das Internet angewendet werden kann. In der offline-Welt wird ein Streitfall nach den Gesetzen des Staates entschieden, auf dessen Territorium er aufgetreten ist. Im Internet kann man nicht ohne weiteres entscheiden, wo ein Streitfall auftritt. Der Status Quo ist, dass auf jeden Inhalt, der im Netz steht, die Gesetze jedes Staates angewendet werden können, in denen er verfügbar ist. Es ist möglich, dass einem Brasilianer, der auf Servern in den USA rechtradikale Propaganda betreibt, in Deutschland der Prozess gemacht wird. Auf einem anderen Blatt steht, ob ein Staat sein Recht auch international durchsetzen kann. Jemand, der sich durch seine Veröffentlichung im Internet strafbar gemacht hat, kann einer Strafe entgehen indem er die Staaten meidet, in denen er verfolgt wird. Die Folge ist Staaten das Mittel der Strafverfolgung nicht mehr zur Verfügung steht, um unliebsame Inhalte aus seinem Territorium fern zu halten.

Der Kampf gegen Inhalte aus dem Internet wird also mit unorthodoxen Methoden geführt. Ein Beispiel wie so ein Kampf aussehen kann bietet uns Wikileaks. Hier sehen wir, dass nicht mehr allein bei den Urhebern der unerwünschten Inhalte angesetzt wird, sondern zunehmend die Ressourcen angegriffen werden, die dazu dienen die Inhalte zu verbreiten. Im Fall von Wikileaks waren das zum einen die Serverkapazitäten, die durch DoS-Attacken und der Verweigerung von Dienstleistern, eingeschränkt wurden, zum anderen die Finanzströme. Die Attacken auf Wikileaks konnten zum Teil durch eine Solidarisierungswelle abgewehrt werden. Es wurde Druck auf Unternehmen ausgeübt, ihre Dienste weiterhin auch Wikileaks anzubieten und es wurden Mirrors für die Wikileaks eingerichtet.

An den Kämpfen um Wikileaks sehen wir, das sich die Austragung der Konflikte von staatlichen Institutionen auf die Zivilgesellschaft zurück verlagert. Der Kampf darum, welche Inhalte im Netz stehen können, wird nicht mehr vor Gericht ausgetragen, er entscheidet sich dadurch welche Seite mehr Anhänger mobilisieren kann. Von Hayek stammte die Deutung, dass die Demokratie das Ergebnis eines Bürgerkriegs vorwegnimmt, da die Seite die sich im Parlament durchsetzt auch die sei, die sich in einer gewaltsamen Auseinandersetzung durchsetzen würde. Da die Regelsetzung der Parlamente nicht mehr greift, kehren im Internet bürgerkriegsähnliche Verhältnisse wieder. Das muss nicht das letzte Wort sein. Es ist denkbar, das sich aus den bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen eine Ordnung herausbildet durch die Konflikte dezentral reguliert werden können. Eine Reihe ungeschriebener Gesetze durch die die Anwendung destruktiver Methoden sanktioniert wird.

Zuletzt wenden wir uns der Möglichkeit der Viele-zu-Viele-Kommunikation zu. Durch das Internet ist es dem Einzelnen möglich geworden mit überschaubarem Aufwand ein Massenpublikum zu erreichen. Nur wenigen gelingt das tatsächlich, aber die Möglichkeit ist prinzipiell da. Damit verändert sich auch das Verhalten der Konsumenten von Information. Griff er in der Vergangenheit auf einige wenige Informationsquellen mit hohem Bekanntheitsgrad zurück, stehen ihm heute zusätzlich Quellen mit mittlerem Bekanntheitsgrad zur Verfügung. Die Funktion der alten Medien den gesellschaftlichen Diskurs zu fokussieren geht damit verloren. Neben dem Hauptdiskurs werden zahlreiche Nischen- und Nebendiskurse geführt. Nachrichten und Ideen die früher aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrängt werden konnten, können heute ungehindert verbreitet werden. Als Beispiel sei der Maskulismus genannt, der sich ohne Internet nicht hätte entwickeln können.

Durch das Internet besteht also die Möglichkeit, dass sich auch die Diskursführung dezentralisiert. Der einzelne rezeptiert nicht mehr nur den Hauptdiskurs sondern konzentriert sich auf die Diskussionen, die für ihn tatsächlich relevant sind und kann prinzpiell auch zu ihnen beitragen. Ebenso verändert sich die journalistische Sorgfalt, konnten die Medien früher auf ihrer Autorität vertrauen, wird im Internet erwartet, dass sich die Hauptaussagen durch Verlinken der Hauptquellen auch belegen lassen.

Wir haben also gesehen, dass wegen verschiedenen Entwicklungen, die sich vor allem in Internet abspielen, sich die Konfliktregulierung von staatlich-zentraler Ebene auf die zivilgesellschaftlich-dezentrale Ebene verlagert. Das betrifft sowohl, die Art wie Lösungen von Konflikten gefunden werden als auch wie diese durchgesetzt werden. Viele werden darin ein Bedrohung sehen, angetrieben von der Angst die Anarchie des Internets wird zu einer Anomie führen. Aber vielmehr besteht die Hoffnung, dass sich im Internet die Ordnungsstrukturen herausbilden, die erforderlich sind, um die Konflikte einer komplexer werdenden Welt zu bewältigen. Wer weiß vielleicht werden diese Ordnungsstrukturen, sollten sie sich als erfolgreich erweisen, als Vorbild für die Neugestaltung der Offline-Welt dienen.