Heute vor einem Jahr habe ich meinen ersten Beitrag veröffentlicht (also am 3.11 nicht dem 4.). Leider hatte ich für das Jubiläum den 5. in meinem Terminkalender stehen, deswegen stehe ich jetzt auf dem Falschen Fuß erwischt da. Dem Motte von damals „weniger das Zeitgeschehen kommentieren, als generelle Gedanken zur Freiheit und unserem Verhältnis zu ihr entwickeln“ bin ich mit in diesem Jahr treu geblieben und das wird voraussichtlich auch so bleiben. Kritische Kommentare sind leider eher ausgeblieben, mein Denken hat sich in diesem Jahr dennoch weiter entwickelt. Die Zugriffszahlen hängen stark davon ab wie gut die Qualität meiner Beiträge ist und vor allem wie regelmäßig sie erscheinen. So schwankt die Zahl der Zugriffe pro Tag zwischen 15 wenn ich länger Zeit nichts geschrieben habe bis 160 wenn gerade ein Topbeitrag kurz zurückliegt. Klein aber fein. Ich würde diesen Blog auch dann weiter betreiben, wenn nur noch zehn Leser da wären. An dieser Stelle ist der richtige Punkt, all jenen zu danken die ihrer Aufmerksamkeit meinen Gedanken opfern und vor allem denen die mitgeholfen haben diesen Blog bekannter zu machen oder mir auf sonstige Weise weitergeholfen haben. Danke!
Ein Jahr Freiheit und Optimismus
November 4, 2009Manipulative Charaktere – fünf, Der Charismatiker
November 4, 2009Der Charismatiker ist die Mutter aller manipulativen Persönlichkeiten. Eine Person hat Charisma, wenn sie durch ihre Ausstrahlung viele Menschen für sich gewinnt. Dies gelingt ihr und darin liegt das Manipulative, indem sie das Gefühl weckt ihr gehorchen zu müssen. Es gehört wohl zu unserem biologischen Erbe, dass zu der Bandbreite möglicher Empfindungen auch ein solches Gefühl gehört. Aus einer evolutionären Perspektive macht es durchaus Sinn, dass es einen Mechanismus gibt, der dafür sorgt, dass wir in der Kindheit unseren Eltern gehorchen oder dass eine Gruppe von Menschen schnell handeln kann, weil klar ist wer das Sagen hat. Wahrscheinlich werden die meisten Leser diesen Impuls zu Gehorchen kennen.
Wenn es einen Impuls zu Gehorchen gibt, muss es auch etwas geben, das ihn auslöst. Dieses etwas ist die Persönlichkeit des Charismatikers oder besser die Art wie der Charismatiker auf andere wirkt. Meines Erachtens sind es folgende drei Eigenschaften die wenn sie zusammen auftreten den Impuls zu Gehorchen auslösen: Ein Charismatiker muss wohlwollend erscheinen, als kompetent wirken und autoritär sein. Als autoritär bezeichne ich jemanden, dessen Missfallen andere vermeiden wollen. Das erreicht der Charismatiker indem er jedes Mal, wenn jemand gegen seine Wünsche handelt, eine sofortige und starke Reaktion zeigt. In diesem Sinne sind Zicken autoritär. Anders als bei einer Zicke wird das autoritäre Verhalten des Charismatikers als positiv wahrgenommen, weil es von Wohlwollen und Kompetenz flankiert wird.
Es gibt eine Charakter in „Pulp Fiction“ der recht gut veranschaulicht, was ich mir unter einen Charismatiker vorstelle, Winson Wolf, der Cleaner der den Auftragsmördern Jules und Vincent dabei hilft, eine ungeplante Leiche (Marvin) zu beseitigen. Winson Wolf gelinkt es schnell eine klare Rolleneinteilung zu etablieren, er bestimmt und die anderen gehorchen. Während Jules und sein Freund, dem das Haus gehört in dem die Scene spielt, sich Wolf freiwillig unterordnen, leistet Vincent zunächst Widerstand. Er besteht darauf, dass Wolf zu ihm bitte sagt und ist andernfalls nicht bereit ihm Folge zu leisten. Wolf kann nicht sofort Vincents Forderung nachkommen, da das seine Autorität untergraben würde. Er macht also erst viele Worte um darzustellen warum Vincents Bestehen auf ein „Bitte“ deplatziert ist, um ihm dann in leicht übertriebener Form nachzukommen. Diese nicht-aggressive Weise ist typisch dafür wie Charismatiker mit solchen Situationen umgehen.
Das Wesen eine Charismatikers bringt es mit sich einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Tatsächlich kann jedoch die Kombination von Charaktereigenschaften, die einem Charisma verleiht, eine gefährliche Mischung sein. Kompetent erscheinen heißt zunächst, keine Selbstzweifel zu haben; autoritär zu sein, keinen Willen neben sich zu dulden. Wer schon einmal mit einem Charismatiker zusammen arbeiten musste weiß, dass das ein zweifelhaftes Vergnügen ist. Einerseits kann ein Charismatiker tatsächlich viel bewegen, sie bringen viel Energie und Initiative mit, andererseits ist es extrem schwer solche Menschen dazu zu veranlassen Kurskorrekturen vorzunehmen.
Wenn sich ein Charismatiker und die ihm hörigen Personen von der Außenwelt isolieren kann das eine extrem gefährliche Dynamik auslösen. Dem Charismatiker fehlt die Korrektur durch einen Widerspruch und beginnt seinen Willen mit der Realität zu verwechseln. Schließlich versucht er sich zur ultimativen Autorität aufzuschwingen, dem Herr über Leben und Tod. Die Omu-Sekte trug das Bedürfnis Tode zu veranlassen nach außen, bei den Sonnentempler waren die eigenen Sektenmitglieder die Opfer.
Für die konservative Weltanschauung haben Charismatiker eine besondere Bedeutung. Zu der konservativen Überzeugung gehört der Glaube, dass gewöhnliche Menschen Ordnungen brauchen, um ihr Leben zu bewältigen, die sie selbst nicht schaffen können. Quellen für die Ordnungen sind zum einen die Tradition oder in manchen Spielarten des Konservativismus Führungspersönlichkeiten, die natürliche Elite und seltener die Stifter der Ordnungen. Es sei daran erinnert das der ideale Patriarch die Eigenschaften des Charismatikers verkörpert: Wohlwollen, Autorität und Kompetenz. Geht man über die konservative Anschauung hinaus trifft man auf den Standpunkt, dass die Unterordnung unter eine wohlwollende, autoritäre und kompetente Macht ein Ordnungsprinzip ist, das die gesamte Gesellschaft durchdringen soll. Am deutlichsten wird das wahrscheinlich bei der konservativen Revolution in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Gegen diese Vorstellung stehen einige Einwende: Erstens kann man erst dann beurteilen, ob eine Macht wirklich wohlwollend und kompetent ist, wenn man ihrer Führung nicht mehr bedarf. Auch die Mitglider der Omu-Sekte und der Sonnentempler wahren der Meinung, dass ihre Anführer wohlwollend und kompetent waren. Ein Charismatiker kann einem weder das eigene Denken noch eine eigene Entwicklung abnehmen. Dazu kommt das die Eigenschaften des Charismatikers entgegen dem Anschein nicht mit geistiger und moralischer Reife korrelieren müssen. Zweitens und bedeutender ist, dass das Führerprinzip auch in einer kleinen Gruppe eine Anmaßung von Wissen bedeutet. Was eine Führungspersönlichkeit als gut erkannt hat, muss für die Situation eines Hörigen nicht angemessen sein.
Wenn der Impuls zu Gehorchen in uns verankert ist, ist man dann einem Charismatiker nicht hilflos ausgeliefert? Zum Glück nicht, denn alle Instinkte des Menschen sind in einem Ausmaß verkümmert, das es erlaubt sich über solche Impulse hinweg zu setzten und sie mit geringem Aufwand zu verdrängen. Auch das ist aus evolutionärer Sicht plausibel, Männer mit den Eigenschaften eines Charismatikers sind für Frauen sexy (auf ihre besondere Weise auch Frauen für Männer). Daher ist es sinnvoll, dass man dem Impuls zu Gehorchen widerstehen kann, um selbst diese Eigenschaften auszubilden. Man kann wegen der Tatsache, dass Parteien mit Charismatikern an der Spitzte überproportional häufig von Frauen gewählt werden, spekulieren, dass solche Impulse bei Männern stärker verkümmert sind als bei Frauen. Das dürfte mit ein Grund dafür sein, dass Männer als rationaler als Frauen gelten.
Noch ein Zweites hilft das die Gesellschaft nicht in von vereinzelten Charismatikern geführte Gruppen zerfällt, gute Umgangsformen. Höflichkeit und die mit ihr verbundenen Tugenden wie Bescheidenheit und das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse verhindert, dass sich die Eigenschaften des Charismatikers entfalten können und das mit bewundernswerter Präzision. Durch Höflichkeit wird vermieden, dass ein Charismatiker sein Missfallen gegenüber abweichendem Verhalten zum Ausdruckbringen kann. Ein Charismatiker kann demgemäß niemals höflich sein. Daher ist es im „Pulp Fiction“-Beispiel sehr treffend, dass sich Vincents Widerstand an der Bitte nach Höflichkeit festmacht. Damit der Mangel an Höflichkeit nicht zu negativen Reaktionen führt, ist es üblich das Charismatiker mit ihrem besonderen Stil oder durch das Erwecken von Sympathie den Mangel überspielen.
In einer Gesellschaft in der der Impuls zur Unterordnung nicht durch gute Umgangsformen gemildert wäre, wurde es unweigerlich zu Spannungen zwischen verschiedenen Charismatikern und ihren Anhängern kommen. Sollten die hier dargestellten Spekulationen zutreffen, dann ist Höflichkeit eine Spontane Ordnung um mit diesem Problem, das in unserem biologischem Erbe verankert ist, fertig zu werden. Die Höflichkeit ermöglicht dem Einzelnen ein größeres Maß an Unabhängigkeit, ich halte sie daher für eine zutiefst liberale Tugend.
Die Auswertung des Kabinettratespiels
Oktober 25, 2009Vor vier Wochen habe ich dazu aufgerufen, die eigene politische Intuition auf die Probe zu stellen und Tips auf das Kabinett der kommenden Regierung abzugeben. Es sind drei Reaktionen eingegangen, weniger als erhofft, aber immerhin. Da das neue Kabinett seit gestern bekannt ist, gibt es nun die Auswertung. Dass sich er Zuschnitt des Kabinetts kaum verändert hat, ändert erleichtert natürlich die Auswertung. Das tatsächliche Kabinett sieht folgendermaßen aus:
CDU: 7 Ministerien
CSU: 3
FDP: 5
Außen – FDP – Gido Westerwelle
Inneres – CDU – Thomas de Maizière
Justiz – FDP – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Finanzen –CDU – Wolfgang Schäuble
Wirtschaft und Technologie –FDP – Rainer Brüderle
Arbeit und Soziales –CDU – Josef Jung
Ernährung, Landwirtschat und Verbraucherschutze – CSU – Ilse Aigner
Verteidigung – CSU – Karl-Theodor zu Gutenberg
Frauen– CDU – Ursula von der Leyen
Gesundheit – FDP – Philipp Rösler
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung –CSU – Peter Ramsauer
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – CDU – Norbert Röttgen
Bildung und Forschung – CDU – Annette Schavan
Entwicklungshilfe – FDP– Dirk Niebel
Bundeskanzleramt – CDU – Ronald Pofalla
Die Auswertung folgt diesem Schema: Tipgeber: Punkte für die Ministerienanzahl – Punkte für die Zuordnung der Parteien – Punkte für die Zuordnung der Personen (fünffache Punkte pro Treffer): Summe
Dirk Friedrich: 0 – 8 – 25: 33
RZ: 3 – 9 – 30: 42
Christian Söder: 3 – 9 – 25: 38
Meiner: 1 – 10 – 35: 46
Vielen Dank fürs Mitmachen an euch drei ich hoffe es hat euch gefallen. (Es ist ja sowieso klar, dass der gewinnt, der am Ende auszählt, wenn es um Politik geht.)
Empfehlungen heute
Oktober 14, 2009Mit einer gemeinsamen Aktion versuchen sowohl der FoeBuD e.V. als auch Campact.de Einfluss auf die laufenden Koalitionsverhandlungen zu nehmen. Ziel ist es die Bürgerrechtsfraktion in der FDP zu stärken. Ich kann mich zwar nicht allen Forderungen anschließen, es werden allerdings mir sehr wichtige Punkt ersucht, wie das Gesetz zur Internet-Sperre zu stoppen. Daher habe ich unterzeichnet und empfehle die Petition weiter. Von beiden Organisation steht mir der FoeBuD e.V. näher. Es ist durchaus möglich eine sechsstellige Anzahl an Unterzeichnern zusammenzubringen, was ein entsprechendes Medienecho einbringen würde und damit die Bedeutung der Petition deutlich steigern könnte. Ein erster Schwung an Unterschriften soll schon morgen übergeben werden, daher ist es wichtig noch heute zu unterzeichnen.
Paul Romer würdigt auf charter cities die Arbeit der Trägerin des diesjährigen Wiwi-Nobelpreis Elinor Ostrom. Er interpretiert ihre Arbeit auf eine Weise die den Kern libertärer Theorie berührt, der Frage nach dem Ursprung der Eigentumsnorm. (via den Bissigen)
Eine Auseinandersetzung mit der „Dialektik der Aufklärung“
Oktober 14, 2009Es dürfte kein Buch geben das die Linke Weltanschauung im 20 Jahrhundert stärker geprägt hat als „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno (oft Horkdorno genannt). Wer sich ernsthaft mit Linker Ideologie auseinandersetzen und nicht nur Polemik betreiben will, kommt nicht darum auch dieses Buch zu lesen.
Das Buch erschien 1944, aber bei seiner Entstehung war laut dem Vorwort von 1969 die Niederlage des National-Sozialismus schon absehbar. Es besteht aus sechs Kapiteln, von denen die ersten drei sich dem Verhältnis von Aufklärung und Mythos widmen, im vierten die Kulturindustrie analysiert wird und im fünften die Ideengeschichte und Ursachen des Antisemitismus. Das Sechste Kapitel ist eine Sammlung kleinerer Aufsätze, zu verschiedenen Themen. Wie sich in diesen Fakten schon andeutet ist es das Thema der Texte die Ursachen des National-Sozialismus oder allgemeiner gesprochen des Rückfalls in die Barbarei zu beleuchten. Der Rote Faden, der sich durch die verschiedenen Kapitel zieht, ist der unausgesprochene Gedanke, dass Aufklärung mit Herrschaft einhergeht und daher in Totalitarismus umschlagen muss, der aber Gegenaufklärung darstellt.
Das klingt vielversprechend, dennoch ist die DdA weit hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben. Das fängt schon am Aufbau an. Von einem philosophischen Text erwartet man eigentlich, dass die Argumentation bereits eine Struktur vorgibt, stattdessen handelt es sich bei der DdA um eine Aneinanderreihung von Beobachtungen. Man würde es dem Text nicht anmerken wenn Ausschnitte in ihrer Reihenfolge vertauscht würden. Argumentiert wird selten, entweder der jeweilige Gedanke kommt dem Leser plausibel vor oder eben nicht.
Beispielsweise wird im ersten Kapitel die These entwickelt: „schon der Mythos ist Aufklärung“ und „Aufklärung schlägt in Mythologie zurück“. Eigentlich sollte man meinen, dass ein Aufsatz zu dem Thema mit den Definitionen von Aufklärung und Mythos beginnen. Nicht so Horkdorno das Kapitel beginnt mit der Zuschreibung: „Seit je hat Aufklärung (…) das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen“ (S. 8). Auf den folgenden Seiten wird dann immer wieder darüber berichtet wie der Mythos aus der Perspektive der Aufklärung wirkt. Das erste was wir über den Mythos selbst erfahren ist: „Der Mythos wollte berichten, nennen, den Ursprung sagen: damit aber darstellen, festhalten, erklären“ (S.14). Es handelt sich beides Mal nicht um eine Definition des Gegenstands, sondern nur um Beischreibungen einzelner Elemente. Das eigentlich spezifische der Aufklärung, das ihre Aussagen nachprüfbar sein sollen, wird auf diese Weise ausgeblendet.
Auch die Beobachtungen die Horkdorno zugunsten des Gedanken anführen, dass Aufklärung mit Herrschaft einhergeht können nicht überzeugen. Ein zentraler Gedanke ist etwa das schon Deduktion ein Produkt von Herrschaftsverhältnissen ist: „Noch die deduktive Form der Wissenschaft spiegelt Hierarchie und Zwang. Wie die ersten Kategorien den organisierten Stamm und seine Macht über den Einzelnen repräsentieren, gründet die gesamte logische Ordnung, Abhängigkeit, Verkettung, Umgreifen und Zusammenschluß der Begriffe in den entsprechenden Verhältnissen der sozialen Wirklichkeit, der Arbeitsteilung.“ (S.27 f.) Starke Aussage, hätte ich gerne begründet. Darauf verzichtet Horkdorno jedoch. Pech, ich glaub dir nicht Horkdorno, Deduktion ist unabhängig von der Gesellschaft. Andererseits wird in dieser Aussage deutlich, wofür ich die gesamte DdA halte; sie ist eine marxistische Basis-Überbau-Theorie der Erkenntnis.
Um die unausgesprochene These, Aufklärung geht mit Herrschaft einhergeht, zu erhärten muss nicht nur Deduktion als Produkt der Herrschaft dargestellt werden, Wissenschaft und damit Aufklärung muss auch auf Deduktion reduziert werden. Es kann daher nicht wundern folgende Sätze zu finden: „Denken ist im Sinn der Aufklärung die Herstellung von einheitlicher, wissenschaftlicher Ordnung und die Ableitung von Tatsachenerkenntnis aus Prinzipien, mögen diese als willkürlich gesetzte Axiome, eingeborene Ideen oder höchste Abstraktionen gedeutet werden.“ (S.88) Hier wird deutlich, dass Horkdorno den naturwissenschaftlichen Betrieb nicht kennt. Denn die Tatsachenerkenntnis besteht in der Praxis eben nicht darin Sonderfälle aus Prinzipien herzuleiten, sondern darin die höheren Prinzipien erst zu finden, durch Induktion. Sie sind nicht willkürlich wie Horkdorno meint, sonder müssen selbst den Test an der Realität bestehen. Sogar in der Mathematik besteht ein Großteil der Arbeit nur nicht darin Theoreme aus Axiomen herzuleiten, sondern darin geeignete Fragestellungen und Definition zu finden mit der sich ein bestimmter Gegenstand untersuchen lässt. Das ist keine rein technische Übung, sondern erfordert ein hohes Maß an Intuition. Ein Beispiel dafür wäre der Übergang vom Riemann zum Lesbesgue-Integral, nachdem sich gezeigt hat, dass man mit dem Riemannintegral kaum Zugang zu mehrdimensionalen Integralen finden kann.
Die These das obersten Prinzipen willkürlich wären bereitet das vor, was ich für das zentrale Argument in der DdA halte, die Auffassung Aufklärung führe zur Amoralität: „Die Morallehren der Aufklärung zeugen von dem hoffnungslosen Streben, an Stelle der geschwächten Religion einen intellektuellen Grund dafür zu finden, in der Gesellschaft auszuhalten, wenn das Interesse versagt.“ (S.92) Horkdorno zufolge sind diese Moralbegründungen zum Scheitern verurteilt, weil sie hinter die Aufklärung zurückfallen würden: „Der Bürger, der aus dem kantischen Motiv der Achtung vor der bloßen Form des Gesetztes allein einen Gewinn sich entgehen ließe, wäre nicht aufgeklärt, sondern abergläubisch – ein Narr.“ (S. 92) Die Grundlage für diese Einschätzung ist ein pessimistisches Menschenbild: „Das Werk des Marquis de Sade zeigt den » Verstand ohne Leitung eines anderen «, das heißt, das von Bevormundung befreite bürgerliche Subjekt.“ (Das Werk des Marquis de Sade schildert sexuelle Ausschweifungen und propagiert das Recht des Stärkeren.)
Ich teile Horkdornos pessimistisches Menschenbild nicht, meiner Erfahrung nach werden Menschen von mehr geleitet als dem materiellen Vorteil und den Bedürfnis nach sexueller Ausschweifung. (Z.B. pflegen sie ihre Eitelkeit, indem sie ihre Gedanken in einem Blog heraus posaunen.) Selbst wenn ich diesen Verhalten nicht nachvollziehen könnte, müsste ich dennoch davon ausgehen, dass sie ihre Gründe dafür haben; das fordert meine liberale Einstellung. Mangelnder Bezug zur Realität ist nicht die einzige Beanstandung dem sich die Kritik der Aufklärung als moralzersetzend aussetzen muss. Problematisch ist auch das es keine Basis geben kann von der aus diese Kritik geübt werden kann, außer Dogmatismus: Entweder ist Moral ist unvernünftig, dann kann es kein vernünftiges Argument gegen die Aufklärung sein sie zu verwerfen oder meine Variante Moral ist es aus Gründen, die wir nicht zu kennen brauchen, nicht, auch dann fällt das Argument in sich zusammen. Letzten Endes ist Horkdornos Kritik nicht ganz aufrichtig, er übergeht, dass es die Forderung ist, dass Aussagen nachvollziehbar sein müssen, die dazu führt die Moral in Frage zu stellen. Aufklärung stellt nicht nur Moral in Frage, sonder fordert aus den gleichen Gründen auch, dass sich Herrschaft legitimieren soll. Das verschweigt Horkdorno wohlweislich, da es dem Grundtenor des Buches, Aufklärung ginge mit Herrschaft einher, wiederspricht.
An dem Abschnitt über die Amoralität der Aufklärung überrascht wie nah die linken Vordenker konservativen Gedanken stehen. Ihr Menschenbild ist nicht von der Idee geprägt, dass Menschen grundsätzlich zum kooperativen Zusammenleben fähig sind, sondern von einem Misstrauen gegenüber dem ungezähmten Menschen. Es gibt ein weiteres Element das dem Konservativismus entnommen sein könnte: die ablehnende Haltung gegenüber systematischen Denken. Dass ein Exemplar wissenschaftlich als Repräsentant einer Gattung gilt, die Einheit von Besonderen und Abstraktem, wie Horkdorno es ausdrückt, gilt den Autoren schon als kritikwürdig. Im konservativen Denken gibt es keine systematischen Zusammenhänge, jedes Phänomen könne nur in seinem singulären Kontext verstanden werden. Horkdorno scheint diesen Gedanken zu übernehmen, für ihn erscheint daher eine Wissenschaft, die die Welt in Typen unterteilt, als Lüge. Eine List durch die die das Bestehende aufrecht erhalten kann. „Die Herrschenden selbst glauben an keine objektive Notwendigkeit, wenn sie zuweilen so nennen, was sie aushecken. Sie spielen sich als die Ingenieure der Weltgeschichte auf. Nur die Beherrschten nehmen die Entwicklung, die sie mit jeder dekretierten Steigerung der Lebenshaltung um einen Grad ohnmächtiger macht, als unantastbar notwendig hin.“(S. 44 f.) und „Der mythische wissenschaftliche Respekt der Völker vor dem Gegebenen, das sie doch immerzu schaffen, wird schließlich selbst zur positiven Tatsache, zur Zwingburg, der gegenüber noch die revolutionäre Phantasie sich als Utopismus vor sich selber schämt und zum fügsamen Vertrauen auf die objektive Tendenz der Geschichte entartet.“
Die konservative Haltung, dass es keine Systematischen Zusammenhänge gibt, ist stichhaltiger als es den Anschein hat. Um die Konservativen zu widerlegen, ist es notwendig zu zeigen, dass Induktionsschlüsse möglich sind. In der Philosophie wird dies das Induktionsproblem genannt. Man kann zwar aus den bisherigen Erfolg der Wissenschaften, die mit Induktion arbeiten, auf die Gültigkeit der Induktion schließen, das wäre jedoch selbst ein Induktionsschluss.
In der historischen Perspektive ist Horkdorno Methode konservatives Denken für Linke nutzbar zu machen konsequent. Der Marxismus, der linkes Denken im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. beherrscht hat, lief auf extrem technokratische Ansätze (Planwirtschaft) hinaus. Um das absehbare (zu der Zeit erst mal nur moralische) Scheitern der Technokratie zu überleben musste sich linkes Denken sich von seiner technokratischen Variante lösen: „In dem er [der Sozialismus] für alle Zukunft die Notwendigkeit zur Basis erhob und den Geist auf gut idealistisch zur höchsten Spitze depravierte, hielt er das Erbe der bürgerlichen Philosophie allzu krampfhaft fest. So bliebe das Verhältnis der Notwendigkeit zum Reich der Freiheit bloß quantitativ, mechanisch, und Natur, als ganz fremd gesetzt, wie in der ersten Mythologie, würde totalitär und absorbierte die Freiheit samt dem Sozialismus.“ (S. 47) Die Linke erhebt nun die Utopie zur Basis, sodass jeder, der systematische Zusammenhänge behauptet (Salonmarxologen ausgenommen) als präfaschistisch gilt.
Alle Seitenzahlen beziehen sich auf die deutsche Neuausgabe von 1969, 17. Auflage.
Eine Gemeinsame Veröffentlichung von Freiheit und Optimismus und Die Freie Welt.
Das lustige Kabinettratespiel
September 30, 2009Jedes Mal wenn eine neue Koalition sich anschickt die nächste Bundesregierung zu stellen, ist es Zeit für das lustige Kabinettratespiel. Ziel dieses Spiels ist es die Ministerposten des nächsten Kabinetts möglichst gut den Parteien und Politikern zuzuordnen, die diese besetzten werden. Es werden folgende Punkte verteilt: Je einen für die Richtige Anzahl an Ministerposten einer Partei. Ebenfalls einen Punkt erhält man für jedes Ministerium das man erfolgreich einer Partei zuordnet. Gelingt es einem sogar die Person zu nennen, die ein bestimmtes Ministerium führen wird, wird das mit fünf Punkten belohnt. Eine Liste der bisherigen Ressorts findet sich in der Wikipedia.
Mein eigener Tipp lautet:
CDU – 8
FDP – 5
CSU – 2
Außen – FDP – Gido Westerwelle
Inneres – CDU – Thomas de Maizière
Justiz – FDP – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Finanzen –FDP – Hermann Otto Solms
Wirtschaft und Technologie –FDP – Rainer Brüderle
Arbeit und Soziales –CDU – Norbert Röttgen
Ernährung, Landwirtschat und Verbraucherschutze – CSU – Ilse Aigner
Verteidigung – CSU – Karl-Theodor … zu Gutenberg
Frauen und Wahrheit – CDU – Julia Klöckner
Gesundheit – CDU – Ursula von der Leyen
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung –CDU – Franz Josef Jung
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – CDU – Tanja Gönner
Bildung und Forschung –FDP – Silvana Koch-Mehrin
Entwicklungshilfe – CDU – Eckart von Klaeden
Bundeskanzleramt – CDU – Ronald Pofalla
Gedanken zu Mai-HiME
September 28, 2009Ein großer Fan von Animes wird über kurz oder lang über Mai-HiME, eine Serie aus dem magical Girls Genre, stolpern. Obwohl sie eher der seichten Unterhaltung und nicht der anspruchsvollen zuzurechnen ist, enthält die Handlung einige Elemente, über die es sich lohnt Gedanken zu machen. Das Konzept der Serie ist denkbar einfach, baue in einem ersten Teil die Charaktere auf bis sie dem Zuschauer so richtig ans Herz gewachsen sind und räume sie in einem zweiten Teil einen nach dem anderen ab.
Zugegeben der erste Teil (Die Folgen 1 bis 12 oder 13) hat seine Längen und wäre nur durchschnittlich, wenn nicht der Soundtrack einiges hermachen würde (Yuki Kajiura!). Im zweiten Teil gewinnt die Serie jedoch deutlich an Dramatik und Tiefe. Um die einzelnen Charaktere abzuräumen entfalten sich eine Reihe interessanter Konflikte. Einer dieser Konflikte ist der Grund dafür, dass ich über Mai-HiME schreibe.
Wahrscheinlich ist schon jeder mit Interesse an philosophischen Fragen auf folgendes Paradox gestoßen: Ein Altruist bezieht sein Wohlergehen aus dem Glück anderer Menschen. Wenn nun jeder Altruist wäre, um wen müssten sich die Menschen kümmern? Tatsächlich wäre das der Punkt, an dem sich der Altruismus spätestens selbst aufhängen würde. Obwohl ich diese Argumentation logisch für vollkommen überzeugen halte, konnte ich mir keine Situation vorstellen in der dieses Problem tatsächlich relevant würde. Bis ich Mai-HiME gesehen haben. Dort kommt die Beziehung der Hauptprotagonistin, Mai Tokiha, zu ihrem Bruder Takumi dem Scenario des Paradoxes erstaunlich nahe.
Die Geschichte von Mai und Takumi trägt zum Dramafaktor der Serie bei. Sie verloren in der Kindheit ihre Eltern und wäre das nicht genug leidet Takumi an einer Herzkrankheit die ihn körperlich anfällig und von regelmäßiger Medikamenteneinnahme abhängig macht. Abhilfe verspricht allein eine teure Operation in einer amerikanischen Spezialklink. Mai glaubt die Schuld an dem Zustand ihres Bruders zu haben und opfert den größten Teil ihrer freien Zeit, um Nebenjobs anzunehmen, die das für die Operation nötige Geld einbringen sollen. In der Serie wird hervorragend dargestellt mit welchen Entbehrungen Mai in dieser Situation zu kämpfen hat. Obwohl sie äußerlich immer gut gelaunt wirkt, ist sie innerlich verzweifelt. Als Tkumis Operation schließlich möglich wird, zögert er, sehr zu Mais Überraschung. Er weiß um Mais Seelenzustand und verurteilt sich für die Belastung, die seine Existenz für Mai bedeutet. Als Mei davon erfährt ist sie dem Zusammenbruch nahe; ihr harter Kampf erscheint vergeblich und kontraproduktiv gewesen zu sein. Die Dinge kommen zu einer guten Wendung als es einem Freund gelingt Takumi davon zu überzeugen, dass er es wert sei weiterzuleben.
Mai und Takumi sind sich gegenseitig so wichtig, dass sie auf ihr eigenes Glück verzichten, wenn es für das Wohlergehen des anderen nötig ist. Aber anstatt das es sie einander stärkt, würde diese Art Beziehung in eine Katastrophe führen, wenn nicht beide fähig wären sich selbst etwas gönnen (was in der Serie sicherlich besser dargestellt ist als ich es hier beschreiben kann).
Mai-HiME ist eine Serie, die man sich ansehen sollte, wenn man die Gelegenheit dazu hat. Die Charaktere sind, obwohl sie auf den gängigen Animeklischees aufbauen, sehr glaubwürdig. Die Motive einiger von ihnen fordern das moralische Urteilsvermögen des Zuschauers heraus, ein Charakter demonstriert das destruktive Potential eines manichäischen Weltbilds. Vielleicht hat mir das Anime auch wegen seiner liberalen Botschaften so gut gefallen.
Einer hat sich verraten
September 27, 2009Aber erstmal bin ich bisschen glücklich. 1989 konnte ich mir das wirklich nicht vorstellen, was wir heute hier erlebt haben.
Gregor Gysi in der ARD um 19:29 zum Ergebnis der Bundestagwahlen. (Sinngemäß, der genaue Wortlaut kann leicht anders sein.)
Edit: Damit keine Missverständnisse aufkommen, er bezog sich auf das gute Abschneiden der Linkspartei.
Edit2: Durch korrekten Wortlaut ersetzt, Beleg (ab 2:23).
Edit3: Rayson versucht die einzelnen Indizien zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.
Genderama wird aufgegeben
September 24, 2009

Wie Arne Hoffmann gestern mitteilte, wird er das Blog Genderama, einen Newsblog zur Männerrechtsbewegung, nicht weiterführen. Der mit der notwendigen Recherche und dem Beantworten von Lesermails verbundene Arbeitsaufwand sei ihm zu hoch geworden. Insiderinformationen wird es wohl gelegentlich auf seinem Zweitblog „Hinter meinem Schreibtisch“ oder im Forum von Manndat geben.
Für mich war Genderama zwar nicht der Einstig in den Maskulismus, aber es war die Seite durch den ich lange Zeit den Kontakt zur Männerrechtsbewegung aufrechterhalten habe. Genderama zeichnete sich durch eine Kontinuität und Seriosität aus, die leider nur selten anzutreffen ist. Arne Hoffmann hinterlässt eine (vorerst?) nicht zu schließende Lücke.
Schocker: Ich geh zur Wahl
September 14, 2009Die Politik hat alles versucht, um uns davon abzuhalten zur Wahl zu gehen. Das Wählen wurde mit Antipathieträgern in Verbindung gebracht. Sie hat versucht uns mit Nullaussagen zu demotivieren. Und sich in einer Weise präsentiert die von Satire nicht mehr zu unterscheiden ist. Zum Duett äußere ich mich erst gar nicht. Eigentlich sollte man schon aus Trotz gegen diese durchsichtigen Manipulationsversuche wählen gehen, wenn nicht wahre Souveränität auf solche Demonstrationen der Unabhängigkeit verzichten könnte.
Es gibt auch gute Gründe, die gegen das Wählen sprechen. Der eigene Wahlakt hat so wenig Einfluss, dass man auf ihn gleich verzichten könnte. Also geht es bei dem Gang zur Wahl mehr um einen symbolischen Akt. Manche meinen, dass der nur der Selbstüberhöhung dient, aber Tatsache ist, dass man die Gesellschaft nur ändern kann, wenn man sich mit Gleichgesinnten zusammentut und aktiv wird. Der Wahl fernzubleiben ist ein Ausdruck der Resignation, dass sich die Dinge nicht von ihrem vorhersehbaren Lauf abbringen lassen. Für diese Resignation gibt es keinen Anlass, der Etatismus befindet sich in der Krise und die Menschen realisieren das langsam.
Es ist zwar abzusehen, dass die reine libertäre Lehre im politischen Prozess untergeht. Es macht dennoch Sinn sich als Libertärer an ihn zu beteiligen, denn nur so besteht die Möglichkeit das libertäre Ideen in der Öffentlichkeit als realistische Option wahrgenommen werden. Eine Partei ist dann wählbar, wenn sie von Staat okkupierte Funktionen wieder vertraglichen Lösungen zuführen will, ohne dass das durch an Freiheitseinschränkungen anderer Stelle überkompensiert wird. Für die FDP sehe ich diese Schwelle erreicht. Ihr Programm ist meines Erachtens dazu geeignet Forschung und Bildung wieder auf private Beine zu stellen und auch im Bereich Rechtspflege sehe ich positive Ansätze. Zwar gibt es auch in der FDP starke frauenpolitische Netzwerke, doch scheint man sich in einigen Dingen auch der Bedürfnisse der Männer bewusst zu werden, so spricht sie sich dagegen aus, nichtverheiratete Väter in Sorgerechtsangelegenheiten zu benachteiligen. (aktuelles Wahlprogramm S.35)
Wenn die Dinge weiterhin so laufen, wie sie sich entwickeln, wird eine weiter totalitäre Katastrophe auf uns zukommen. Resignation ist daher keine Alternative.
Edit: Gegenrede zu diesem Standpunkt hält DDH.